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Viele Teilchen machen das Ganze
Im spanischen Badeort Sitges trafen einander allerlei Experten, um im Rahmen der Real Corp über die Zukunft der Stadt vorzutragen.
2. Mai 2009 - Ute Woltron
„Cities - Smart, Sustainable, Integrative“ lautete die Überschrift zur diesjährigen Real Corp, die vergangene Woche im spanischen Sitges gleich ums Eck von Barcelona an vier Tagen über diverse Rednerbühnen ging.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der zum 14. Mal stattfindenden Konferenz für Architekten und Raumplaner kamen aus aller Welt in das propere Badeörtchen gereist, um sich im lokalen Design-Zentrum auszutauschen. Die Themen kreisten allesamt in größeren und kleineren Radien um die Frage, wie Städte mit den heutzutage zur Verfügung stehenden Technologien und Wissensständen verbessert und zukunftstauglich gemacht werden können.
Diese Zukunftstauglichkeit ist selbstverständlich einer der Knackpunkte unser aller Fortkommens. In der kompliziertesten aller Disziplinen, dem Städtebau und den unendlich vielen Verantwortlichkeiten, die dazugehören, geht es nicht nur darum, für das Zusammenleben sehr vieler Menschen stimmige Rahmenbedingungen zu schaffen oder zumindest zu ermöglichen, es geht naturgemäß auch immer stärker um die Organisation der bestmöglichen Verwendung von Ressourcen.
Mehr als die Hälfte der Menschheit lebt bekanntlich mittlerweile in Städten, in wenigen Jahrzehnten werden es bis zu 70 Prozent sein, wird von der Uno prognostiziert. Gerade in Städten können also pflegliche Prozesse wie Energiesparen und Treibhausgasreduzieren besonders effizient in Angriff genommen werden. Oder besser: könnten - denn der Weg zur ökologisch intelligenten großen Stadt scheint in Anbetracht explodierender Megacitys in Asien samt fortschreitender privater Motorisierung doch noch recht weit zu sein.
Doch Manfred Schrenk, der stets wohlgelaunte und Optimismus versprühende Corp-Häuptling und Geschäftsführer des in Schwechat beheimateten CEIT, Central European Institute of Technology, ließ gleich zu Beginn der Konferenz keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die unerwartetsten Entwicklungen dennoch innerhalb kürzester Zeit Raum greifen können. Zum Beweis schmiss er ein Foto seines Elternhauses aus den 80er-Jahren auf die Leinwand, gleich dahinter machte der Eiserne Vorhang Richtung Tschechoslowakei mit mächtig Stacheldraht und Warnhinweisen dicht. Auf dem Folgebild aus heutigen Tagen war nicht einmal mehr ein Grenzbalken zu sehen, sondern eine nationenverbindende Straße. Die Möglichkeiten sind also unendlich, sie müssen nur erkannt, genutzt, in die Tat umgesetzt werden.
Die vor allem von Universitäten und wissenschaftlichen Institutionen herbeigereisten Corp-Teilnehmer referierten denn auch über unterschiedlichste Themen, deren Spektrum von der Organisation von Bürgerbeteiligungen über intelligente Nahtransportsysteme, Potenziale innerstädtischer Grünflächen, avancierte computerunterstützte Planungsmethoden, Ökologisierung bis hin zur Präsentation ganzer neuer Stadtteile wie beispielsweise des ehemaligen Flugfelds Aspern in Wien reichte. Die Strategien und Konzepte, um die urbane Zukunft zu planen, sind vorhanden. Doch wie bringt man sie rasch zur Anwendung?
Einer der Hauptredner der Corp kam aus Großbritannien, hieß Greg Clark, und der befasst sich hauptberuflich mit ebendieser Frage: Was macht Städte zu erfolgreichen Städten? Sein Vortrag war offensichtlich einer, der sich an politischen Machtklötzen in der Vergangenheit bereits ein wenig zurechtgeschliffen hatte, doch wer seine Zeit damit verbracht hat, hauptberuflich mehr als hundert Städte nach allen Richtungen zu analysieren, dürfte dazu berufen sein, folgende Thesen zu propagieren.
Denn über die Kriterien, die eine erfolgreiche Stadt ausmachten, so Clark, herrsche international Konsens: Sie muss zuallererst für die Bewohnerinnen und Bewohner verkehrstechnisch exzellent erschlossen sein und eine gute Umweltperformance zeigen. Die erfolgreiche Stadt ist ein Hort hervorragender Ausbildungsstätten, und mit diesen breitgestreuten unterschiedlichen Fachkenntnissen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner ist die Stadt auch ein Ort, an dem Innovation und Kreativität zu Hause sind.
Diese schätzt zum Beispiel das Unternehmertum außerordentlich, ohne welches auch keine erfolgreiche Stadt ihr Auslangen findet. Des Weiteren wichtig sind laut Clark die industrielle Struktur, Kostenbasis, Transparenz von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und - last, but not least - gestalterische Identität und markante Gebäude. „Eine erfolgreiche Stadt“, so der Brite, „zieht die Menschen an. Wir haben im Zuge unserer Forschungen keine einzige erfolgreiche Stadt gefunden, die nicht Leute von außen reingeholt hätte.“
Die Krise ist die Chance
Doch wie wirkt sich nun die sogenannte Krise auf die Realisierungschancen all dieser löblichen Ansätze aus? Diese sei, so Clark, tatsächlich eine einzigartige Herausforderung für all jene, die in den Städten das Sagen hätten.
„Diese Krise ist jetzt die Chance, großangelegte Veränderungen vorzunehmen.“ Reorganisationen beispielsweise, die in fetteren Zeiten aufgrund ewig währender Meinungsfindungsprozesse aufgeschoben worden seien, könnten nun dank des deutlich empfindlicheren kommerziellen Drucks beschleunigt durchgeboxt werden. Vor allem aber müssten sich Städte Prioritäten setzen, also ein identifikationsstarkes Profil erarbeiten und in allen Belangen umsetzen.
So weit die Theorie. Doch wie es in der Praxis ausschaut, das referierte ein paar Tage später in Wien ein Mann, der diese mit allen Abgründen und Schluchten nur allzu gut kennt. Der deutsche Architekt Dieter Koppe hat im Laufe einer langen, bewegten Karriere große Projekte wie zum Beispiel die Münchener Allianz Arena gemeinsam mit Kollegen wie Herzog & de Meuron gestemmt. Am Institut für Gestaltung der TU-Wien hielt er auf Einladung von András Pálffy einen exzellenten Vortrag darüber, was dem Standard die Gelegenheit bot, sozusagen architekturmetaphysisch ein wenig nachzubohren. Etwa die Frage, ob sich die Rahmenbedingungen für Architektur in der jüngeren Vergangenheit verschlechtert hätten, weil als alleiniges Ziel die Rendite gelte, beantwortete Koppe mit einem klaren Ja: „Seit etwa zehn Jahren hat sich die Situation komplett verändert, und das hängt mit den Auftraggebern zusammen. Begriffe wie langfristiges Planen und Denken sind nicht mehr vorhanden.“
Schuld daran sei die Schnelllebigkeit von Vorständen in Unternehmen und Konzernen, die sich in den immer kürzer werdenden Phasen ihres Wirkens ausschließlich an ökonomischen Werten orientierten, wodurch die Architektenschaft überlegter und kluger Bauherren verlustig gegangen sei. „Das Resultat dieser Entwicklung“, so Koppe, „ist desaströs.“
Doch auch er sieht in der „Krise“ nun die Chance, dass man sich durch die Verknappung der Mittel wieder auf längerfristiges Denken und umsichtigere Planung ver-legt. „Dass in einer Verknappung durchaus eine Chance liegt, das kann man beweisen“, sagte er und führte als Beispiel ein Projekt in Luxemburg mit den Architekten vom Atelier 5 an. Die Bauherrschaft hatte das Bauvorhaben aus Gründen liquider Engpässe hintangestellt, jedoch gemeint, wenn man die Kosten um 25 Prozent reduzieren könne, würde man dennoch den Startschuss geben.
Koppe: „Tatsächlich ist das Gebäude in letzter Konsequenz noch viel besser geworden, als in der ersten Planung.“ Doch für derlei Prozesse braucht das Planerteam vor allem eines: Zeit. Und: eine schlanke, entscheidungsfreudige Mannschaft, die persönliche Verantwortung für gute Architektur zu tragen bereit und imstande ist. Architektur ist Teamsache, aber nur für wirklich Persönlichkeitsstarke.
Infos zur Konferenz sowie Zusammenfassungen der einzelnen Vorträge gibt es unter www.corp.at.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der zum 14. Mal stattfindenden Konferenz für Architekten und Raumplaner kamen aus aller Welt in das propere Badeörtchen gereist, um sich im lokalen Design-Zentrum auszutauschen. Die Themen kreisten allesamt in größeren und kleineren Radien um die Frage, wie Städte mit den heutzutage zur Verfügung stehenden Technologien und Wissensständen verbessert und zukunftstauglich gemacht werden können.
Diese Zukunftstauglichkeit ist selbstverständlich einer der Knackpunkte unser aller Fortkommens. In der kompliziertesten aller Disziplinen, dem Städtebau und den unendlich vielen Verantwortlichkeiten, die dazugehören, geht es nicht nur darum, für das Zusammenleben sehr vieler Menschen stimmige Rahmenbedingungen zu schaffen oder zumindest zu ermöglichen, es geht naturgemäß auch immer stärker um die Organisation der bestmöglichen Verwendung von Ressourcen.
Mehr als die Hälfte der Menschheit lebt bekanntlich mittlerweile in Städten, in wenigen Jahrzehnten werden es bis zu 70 Prozent sein, wird von der Uno prognostiziert. Gerade in Städten können also pflegliche Prozesse wie Energiesparen und Treibhausgasreduzieren besonders effizient in Angriff genommen werden. Oder besser: könnten - denn der Weg zur ökologisch intelligenten großen Stadt scheint in Anbetracht explodierender Megacitys in Asien samt fortschreitender privater Motorisierung doch noch recht weit zu sein.
Doch Manfred Schrenk, der stets wohlgelaunte und Optimismus versprühende Corp-Häuptling und Geschäftsführer des in Schwechat beheimateten CEIT, Central European Institute of Technology, ließ gleich zu Beginn der Konferenz keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die unerwartetsten Entwicklungen dennoch innerhalb kürzester Zeit Raum greifen können. Zum Beweis schmiss er ein Foto seines Elternhauses aus den 80er-Jahren auf die Leinwand, gleich dahinter machte der Eiserne Vorhang Richtung Tschechoslowakei mit mächtig Stacheldraht und Warnhinweisen dicht. Auf dem Folgebild aus heutigen Tagen war nicht einmal mehr ein Grenzbalken zu sehen, sondern eine nationenverbindende Straße. Die Möglichkeiten sind also unendlich, sie müssen nur erkannt, genutzt, in die Tat umgesetzt werden.
Die vor allem von Universitäten und wissenschaftlichen Institutionen herbeigereisten Corp-Teilnehmer referierten denn auch über unterschiedlichste Themen, deren Spektrum von der Organisation von Bürgerbeteiligungen über intelligente Nahtransportsysteme, Potenziale innerstädtischer Grünflächen, avancierte computerunterstützte Planungsmethoden, Ökologisierung bis hin zur Präsentation ganzer neuer Stadtteile wie beispielsweise des ehemaligen Flugfelds Aspern in Wien reichte. Die Strategien und Konzepte, um die urbane Zukunft zu planen, sind vorhanden. Doch wie bringt man sie rasch zur Anwendung?
Einer der Hauptredner der Corp kam aus Großbritannien, hieß Greg Clark, und der befasst sich hauptberuflich mit ebendieser Frage: Was macht Städte zu erfolgreichen Städten? Sein Vortrag war offensichtlich einer, der sich an politischen Machtklötzen in der Vergangenheit bereits ein wenig zurechtgeschliffen hatte, doch wer seine Zeit damit verbracht hat, hauptberuflich mehr als hundert Städte nach allen Richtungen zu analysieren, dürfte dazu berufen sein, folgende Thesen zu propagieren.
Denn über die Kriterien, die eine erfolgreiche Stadt ausmachten, so Clark, herrsche international Konsens: Sie muss zuallererst für die Bewohnerinnen und Bewohner verkehrstechnisch exzellent erschlossen sein und eine gute Umweltperformance zeigen. Die erfolgreiche Stadt ist ein Hort hervorragender Ausbildungsstätten, und mit diesen breitgestreuten unterschiedlichen Fachkenntnissen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner ist die Stadt auch ein Ort, an dem Innovation und Kreativität zu Hause sind.
Diese schätzt zum Beispiel das Unternehmertum außerordentlich, ohne welches auch keine erfolgreiche Stadt ihr Auslangen findet. Des Weiteren wichtig sind laut Clark die industrielle Struktur, Kostenbasis, Transparenz von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und - last, but not least - gestalterische Identität und markante Gebäude. „Eine erfolgreiche Stadt“, so der Brite, „zieht die Menschen an. Wir haben im Zuge unserer Forschungen keine einzige erfolgreiche Stadt gefunden, die nicht Leute von außen reingeholt hätte.“
Die Krise ist die Chance
Doch wie wirkt sich nun die sogenannte Krise auf die Realisierungschancen all dieser löblichen Ansätze aus? Diese sei, so Clark, tatsächlich eine einzigartige Herausforderung für all jene, die in den Städten das Sagen hätten.
„Diese Krise ist jetzt die Chance, großangelegte Veränderungen vorzunehmen.“ Reorganisationen beispielsweise, die in fetteren Zeiten aufgrund ewig währender Meinungsfindungsprozesse aufgeschoben worden seien, könnten nun dank des deutlich empfindlicheren kommerziellen Drucks beschleunigt durchgeboxt werden. Vor allem aber müssten sich Städte Prioritäten setzen, also ein identifikationsstarkes Profil erarbeiten und in allen Belangen umsetzen.
So weit die Theorie. Doch wie es in der Praxis ausschaut, das referierte ein paar Tage später in Wien ein Mann, der diese mit allen Abgründen und Schluchten nur allzu gut kennt. Der deutsche Architekt Dieter Koppe hat im Laufe einer langen, bewegten Karriere große Projekte wie zum Beispiel die Münchener Allianz Arena gemeinsam mit Kollegen wie Herzog & de Meuron gestemmt. Am Institut für Gestaltung der TU-Wien hielt er auf Einladung von András Pálffy einen exzellenten Vortrag darüber, was dem Standard die Gelegenheit bot, sozusagen architekturmetaphysisch ein wenig nachzubohren. Etwa die Frage, ob sich die Rahmenbedingungen für Architektur in der jüngeren Vergangenheit verschlechtert hätten, weil als alleiniges Ziel die Rendite gelte, beantwortete Koppe mit einem klaren Ja: „Seit etwa zehn Jahren hat sich die Situation komplett verändert, und das hängt mit den Auftraggebern zusammen. Begriffe wie langfristiges Planen und Denken sind nicht mehr vorhanden.“
Schuld daran sei die Schnelllebigkeit von Vorständen in Unternehmen und Konzernen, die sich in den immer kürzer werdenden Phasen ihres Wirkens ausschließlich an ökonomischen Werten orientierten, wodurch die Architektenschaft überlegter und kluger Bauherren verlustig gegangen sei. „Das Resultat dieser Entwicklung“, so Koppe, „ist desaströs.“
Doch auch er sieht in der „Krise“ nun die Chance, dass man sich durch die Verknappung der Mittel wieder auf längerfristiges Denken und umsichtigere Planung ver-legt. „Dass in einer Verknappung durchaus eine Chance liegt, das kann man beweisen“, sagte er und führte als Beispiel ein Projekt in Luxemburg mit den Architekten vom Atelier 5 an. Die Bauherrschaft hatte das Bauvorhaben aus Gründen liquider Engpässe hintangestellt, jedoch gemeint, wenn man die Kosten um 25 Prozent reduzieren könne, würde man dennoch den Startschuss geben.
Koppe: „Tatsächlich ist das Gebäude in letzter Konsequenz noch viel besser geworden, als in der ersten Planung.“ Doch für derlei Prozesse braucht das Planerteam vor allem eines: Zeit. Und: eine schlanke, entscheidungsfreudige Mannschaft, die persönliche Verantwortung für gute Architektur zu tragen bereit und imstande ist. Architektur ist Teamsache, aber nur für wirklich Persönlichkeitsstarke.
Infos zur Konferenz sowie Zusammenfassungen der einzelnen Vorträge gibt es unter www.corp.at.
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