Artikel
Architekten in gedämmter Isolierhaft
Vom Umgang mit Baukörpern in Zeiten der Krise
23. Mai 2009 - Wolf D. Prix
Architektur, die Gebäude und unsere Städte sind die dreidimensionale Sprache unserer Kultur. Angewandte Realität könnte man sie nennen, wobei ich behaupte, dass nicht die Realität uns macht, sondern wir die Realität. Es obliegt aber dem ästhetischen Wahrnehmungspotenzial, kommende Realitäten zu erkennen und diese im nächsten Schritt zu formen.
Jeder neue Baukörper ist ein zunächst „fremder“ Körper. Und wenn man diese fremden Körper ent-fremden will, das heißt also, gesehen und daher gewohnt im Sinne von Gewöhnen machen will, muss man die ästhetischen Kriterien immer wieder neu definieren.
Das ist die Aufgabe der Kunst, und daher auch die Aufgabe der Architektur.
Aber heute wird auch auf dem Gebiet der Architektur von Krise gesprochen und vor allem vom Sparen. Indolente Theoretiker geben die neue Matrix vor: An allem soll gespart werden. An Fläche, Volumen, Material, an Kosten und an Energie. Und wenn möglich, soll auch beim Nachdenken gespart werden.
Abgesehen davon, dass Sparen der falsche Ausdruck ist - „was, von dem was ich nicht habe, soll ich auf die Seite legen“ - ist es gefährlich, dem unserer Gesellschaft immanenten apokalyptischen Denken als Selffulfilling Prophecy zu folgen.
Ist es nicht möglich, dass das Bild unserer Krise, das Bild eines sich so schnell drehenden Speichenrads ähnelt, das scheinbar zum Stillstand gekommen ist.
Gefährlich wäre es, denkfaul einen Pflock in dieses Rad zu werfen. Es käme dann wirklich zum Stillstand.
Auf unserem Gebiet sind es jene Kritiker, die Kraft ihrer Inkompetenz die Architekten auffordern sich zu bescheiden und dem Dogma der Nachhaltigkeit zu folgen. Wobei sie vergessen, dass das Wort Nachhaltigkeit ein wirtschaftlich-technischer Begriff ist- also ein kapitalistischer Begriff - wenn man so will.
Nachhaltigkeit verleugnet Zeichenhaftigkeit und daher ist es nicht möglich aus diesem Begriff Nachhaltigkeit „Ästhetik“ zu generieren.
Eine lebendige Ästhetik der Nachhaltigkeit gibt es nicht.
Und diese Kritiker sagen auch: Ikonen in der Architektur - also Zeichen - brauchen wir schon gar nicht.
Ich stelle mir sofort Wien ohne Zeichen vor. Ohne Stephansdom, ohne Ringstraße, ohne Oper und Burgtheater, ohne Hofburg, ohne Looshaus, ohne Haas-Haus, ohne Semperdepot, ohne Museum für angewandte Kunst, ohne Akademie, ohne Stephansplatz, ohne Graben ... Die Liste könnte ich endlos fortsetzten.
Stattdessen kleine funktionell geplante, energiesparende, grasbedachte, gut isolierte, gedämmte Häuser. Also die Architekten in gedämmter Isolierhaft.
Ich denke aber eher an Gebäude, die nicht gedämmte Kisten sind, sondern mit ihrer Form und durch ihre Fassade Energie gewinnen und in ihrer Gestalt die Gestalt der zukünftigen Gesellschaft zeigen.
Ich meine damit aber nicht die in vielen bunten Magazinen abgebildeten Telefonsexarchitekturen, deren Bilder mehr versprechen, als sie dann in der Realität halten.
Ich meine damit Gebäude, die die Zukunft aller unserer Ressourcen - und vor allem auch der geistigen - darstellend ernst nehmen, und damit zu Zeichen einer zukünftigen optimistischen Gesellschaft werden. Einer Gesellschaft, die mit ihrem Wissen und ihrer Kunst die wahrlich großen Probleme, die auf uns zukommen, auch zu lösen imstande ist.
Das sind nämlich die Kunst und die Wissenschaft den zukünftigen Generationen schuldig.
[ Wolf D. wurde am Mittwoch das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst verliehen. Hier ein Auszug aus seiner Dankesrede. ]
Jeder neue Baukörper ist ein zunächst „fremder“ Körper. Und wenn man diese fremden Körper ent-fremden will, das heißt also, gesehen und daher gewohnt im Sinne von Gewöhnen machen will, muss man die ästhetischen Kriterien immer wieder neu definieren.
Das ist die Aufgabe der Kunst, und daher auch die Aufgabe der Architektur.
Aber heute wird auch auf dem Gebiet der Architektur von Krise gesprochen und vor allem vom Sparen. Indolente Theoretiker geben die neue Matrix vor: An allem soll gespart werden. An Fläche, Volumen, Material, an Kosten und an Energie. Und wenn möglich, soll auch beim Nachdenken gespart werden.
Abgesehen davon, dass Sparen der falsche Ausdruck ist - „was, von dem was ich nicht habe, soll ich auf die Seite legen“ - ist es gefährlich, dem unserer Gesellschaft immanenten apokalyptischen Denken als Selffulfilling Prophecy zu folgen.
Ist es nicht möglich, dass das Bild unserer Krise, das Bild eines sich so schnell drehenden Speichenrads ähnelt, das scheinbar zum Stillstand gekommen ist.
Gefährlich wäre es, denkfaul einen Pflock in dieses Rad zu werfen. Es käme dann wirklich zum Stillstand.
Auf unserem Gebiet sind es jene Kritiker, die Kraft ihrer Inkompetenz die Architekten auffordern sich zu bescheiden und dem Dogma der Nachhaltigkeit zu folgen. Wobei sie vergessen, dass das Wort Nachhaltigkeit ein wirtschaftlich-technischer Begriff ist- also ein kapitalistischer Begriff - wenn man so will.
Nachhaltigkeit verleugnet Zeichenhaftigkeit und daher ist es nicht möglich aus diesem Begriff Nachhaltigkeit „Ästhetik“ zu generieren.
Eine lebendige Ästhetik der Nachhaltigkeit gibt es nicht.
Und diese Kritiker sagen auch: Ikonen in der Architektur - also Zeichen - brauchen wir schon gar nicht.
Ich stelle mir sofort Wien ohne Zeichen vor. Ohne Stephansdom, ohne Ringstraße, ohne Oper und Burgtheater, ohne Hofburg, ohne Looshaus, ohne Haas-Haus, ohne Semperdepot, ohne Museum für angewandte Kunst, ohne Akademie, ohne Stephansplatz, ohne Graben ... Die Liste könnte ich endlos fortsetzten.
Stattdessen kleine funktionell geplante, energiesparende, grasbedachte, gut isolierte, gedämmte Häuser. Also die Architekten in gedämmter Isolierhaft.
Ich denke aber eher an Gebäude, die nicht gedämmte Kisten sind, sondern mit ihrer Form und durch ihre Fassade Energie gewinnen und in ihrer Gestalt die Gestalt der zukünftigen Gesellschaft zeigen.
Ich meine damit aber nicht die in vielen bunten Magazinen abgebildeten Telefonsexarchitekturen, deren Bilder mehr versprechen, als sie dann in der Realität halten.
Ich meine damit Gebäude, die die Zukunft aller unserer Ressourcen - und vor allem auch der geistigen - darstellend ernst nehmen, und damit zu Zeichen einer zukünftigen optimistischen Gesellschaft werden. Einer Gesellschaft, die mit ihrem Wissen und ihrer Kunst die wahrlich großen Probleme, die auf uns zukommen, auch zu lösen imstande ist.
Das sind nämlich die Kunst und die Wissenschaft den zukünftigen Generationen schuldig.
[ Wolf D. wurde am Mittwoch das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst verliehen. Hier ein Auszug aus seiner Dankesrede. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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