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Pilotprojekt in Pink
Die scheinbar harmlose kleine Sanierung einer Bipa-Filiale in der Wiener Kärntner Straße könnte mächtig Vorbildwirkung haben. Denn hier wurde nicht „thermisch saniert“, sondern gesamtheitlich energieeffizient optimiert.
5. Dezember 2009 - Ute Woltron
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile, sagte Aristoteles. Daran ist bis heute nicht zu rütteln, und auch in Zeiten des Klimawandels ist es gescheit, die alte Weisheit zur Anwendung zu bringen.
Ein prächtiges Beispiel dafür ist die Sanierung von Gebäuden: Soll sie Sinn machen, geht es um die präzise Gesamtkomposition der Einzelmaßnahmen - und die ist erheblich komplizierter, als sich das Häuptlinge der Politik ausmalen.
Die tragen dieser Tage das Wort „Gebäudesanierung“ wie Wohltäter im Mund. Einerseits um zu demonstrieren, wie sehr ihnen die Klimapolitik der Nation am verantwortungsvollen Herzen liegt. Andererseits aber um die Reihen der nervös werdenden Bauindustrie rasch mit versprochenen Konjunkturpaketen zu befrieden.
Doch Geld und Dämmstoffe allein können die Welt nicht retten. Konzepte müssen her - und hier ist die Unternehmerschaft zum Teil bereits einen mächtigen Schritt weiter als die auf Heizwärmebedarf und andere Schlagworte, vor allem aber auf die hurtige Beauftragung der Bauindustrie fixierten politischen Staatsbaumeister.
Nur ein Beispiel dafür ist die eben abgeschlossene Sanierung einer Bipa-Filiale in der Wiener Kärntner Straße. Ein scheinbar kleines Projekt, doch es trägt alle Ingredienzien in sich, um zum Kristallisationspunkt für Folgeprojekte vieler weiterer Shops zu werden. Nicht nur jener von Bipa, sondern auch von solchen der Konkurrenz. Denn die schläft bekanntlich nie.
In der Filiale Kärntner Straße der Rewe-Tochter ging es nicht nur um das bestmögliche Verpacken eines Geschäfts, um den Heizwärmebedarf zu senken. Man bemühte sich vielmehr um die Perfektion der Gesamtenergieeffizienz. Und genau das muss das Ziel aller Maßnahmen sein, auch der politischen Zielvorgaben, die in diesem Bereich besser heute als morgen gesetzt werden. Die EU peilt das zwar an, doch die Umsetzung ist nicht in Sicht.
Nochmals das Zauberwort: Gesamtenergieeffizienz. Sie errechnet sich, vereinfacht gesagt, nicht nur aus der erforderlichen Heizwärme, sondern inkludiert auch jeglichen weiteren Energiebedarf im System Gebäude wie zum Beispiel Strom.
Im konkreten Fall ging der Sanierung denn auch eine gründliche Analyse der Ist-Situation voraus, und es wurde offenbar, dass nicht das Heizen, sondern der Stromverbrauch, insbesondere die Kühllasten, eigentliches Thema war. Ineffiziente Beleuchtung beispielsweise frisst nicht nur viel Strom, sie produziert auch Wärme. Werden alte Leuchten gegen neue mit weit höherem Wirkungsgrad getauscht, reduziert das zugleich die in den Sommermonaten anfallenden Kühllasten, über die - noch - viel zu wenig geredet wird.
Dazu kamen die thermische Sanierung, der Einbau eines Wärmetauschers, ein intelligentes Be- und Entlüftungssystem und noch allerlei Detailoptimierungsmaßnahmen, die, perfekt von Konsulenten wie den Bauphysikern Schöberl & Pöll aufeinander abgestimmt, in Summe ein System ergeben, das den Heizwärmebedarf um 85 Prozent, den Stromverbrauch um rund 37 Prozent senkt und die Energieausweis-Effizienzklasse auf A+ hebt. Rewe-Vorstand Werner Wutscher, dessen Reich neben Bipa auch Billa, Penny und Merkur mit insgesamt 2577 Filialen in Österreich umfasst: „Nachhaltigkeit ist in der strategischen Planung des Unternehmens ein elementarer Grundsatz, doch jedes Projekt wird sauber berechnet, denn es muss auch die ökonomische Komponente erfüllen, wir haben schließlich nichts zu verschenken.“
Einer der Hintergründe ist also nicht allein der Klimaschutz, sondern auch das Energie- und damit Geldsparen bei rasch steigenden Energiepreisen. Deren hurtige Aufwärtsentwicklung verkürzt die Amortisationszeit naturgemäß.
Diese ist im Falle des Bipa-Pilotprojekts allerdings nicht zuletzt deshalb erträglich, weil rund ein Drittel der umweltrelevanten Investitionskosten (195.479 Euro) vom Klima- und Energiefonds als Mustersanierung gefördert wurde, was zu einem weiteren Zauberwort überleitet:
Musterprojekte unterschiedlicher Provenienz müssen her, und sie müssen dringend seriös über längere Zeiträume hinweg analysiert und evaluiert werden. Denn die zur Verfügung stehenden Technologien können, nur in Summe angewandt, ehrlich analysiert werden, sollen sie im Zusammenspiel langfristig die rechten Resultate liefern. Jede Kinderspielzeugzulassung in der EU erfolgt nach strengeren Kriterien als die derzeitige massive Umrüstung unserer gebauten Um- und Lebenswelt.
Rewe, die bis dato rund 200 ihrer Österreich-Filialen einer Optimierung unterzogen hat, will genau diese präzise Analyse. Und um die Angelegenheit in Schwung und in der Folge dank breitgestreuter Erfahrungswerte auch die Sanierungskosten und damit die Amortisationszeiten zu senken, bedarf es eben gezielter und nicht gießkannenmäßig verplätscherter Förderungen.
Klimafonds-Geschäftsführer Ingmar Höbarth nimmt darauf Bezug: „Der hohe Mulitplikatorfaktor war ein wichtiges Auswahlkriterium für die Förderung dieses Projekts, denn durch Best-Practice-Beispiele wie dieses können weitere Sanierungstätigkeiten dieser Art wesentlich vorangetrieben werden.“ Österreich verfügt über eine hervorragend aufgestellte - private -Industrie und Konsulentenschaft, die sich auch ohne politische Beförderung in den vergangenen 25 Jahren in Sachen Gebäudeoptimierung in das internationale Spitzenfeld katapultiert hat. Dazu kommen Forschungsprogramme wie das Haus der Zukunft, das seit nunmehr zehn Jahren Pionierarbeit auf diesem Gebiet leistet.
Die Politik, die für letztgenanntes Programm nicht zuletzt die Weichen gestellt hat, wäre schlecht beraten, würde sie nun, von der „Krise“ aufgeschreckt, im Eiltempo durchziehen wollen, was tatsächlich noch ein wenig Experimentier- und Nachdenkzeit erfordert, um perfekt und breit wirksam zur Anwendung zu kommen.
Apropos breite Wirksamkeit: Auch hier wird in manch Politikeraussage der Apfel mit der Birne verglichen. Man suggeriert gerne, der Gebäudesektor wäre der große Klimaschänder, weshalb jetzt sofort oder besser noch vorgestern saniert werden müsse. Das stimmt so nicht. Der Anteil von Raumwärme an den nationalen Treibhausgasemissionen (THG) beträgt laut Klimaschutzbericht 2009 des Umweltbundesamtes „nur“ 12,6 Prozent und ist als einziger Sektor rückläufig (minus 23,1 Prozent seit 1990). Nimmt man hingegen den Endenergieverbrauch her, bewegt sich der Gebäudesektor bei bedenklichen 32,6 Prozent (Stand 2004 laut Energieagentur, inklusive Raumheizung, Klimaanlagen, Beleuchtung, EDV).
Und wenn schon Klartext geredet wird, wäre es beispielsweise auch herzerwärmend, würde die Politik mit ähnlichem Energieaufwand den übelsten aller Klimaschänder bekämpfen wollen, nämlich den Verkehr. THG-Anteil: 27,6 Prozent, Tendenz heftigst steigend.
Allein die THG-Emissionen des Schwerverkehrs stiegen von 1990 bis 2007 um sagenhafte 180 Prozent. Die Gebäudesanierung allein, so wichtig und begrüßenswert sie ist, wird uns also nicht retten.
Handlungsbedarf lautet das Zauberwort in diesem Fall. Aber wer will das schon angesichts einer maroden, tatsächlich vom Betriebsrat regierten Bundesbahn und mit einer mächtigen Frächterlobby im Genick aussprechen. Die Politik jedenfalls nicht.
Ein prächtiges Beispiel dafür ist die Sanierung von Gebäuden: Soll sie Sinn machen, geht es um die präzise Gesamtkomposition der Einzelmaßnahmen - und die ist erheblich komplizierter, als sich das Häuptlinge der Politik ausmalen.
Die tragen dieser Tage das Wort „Gebäudesanierung“ wie Wohltäter im Mund. Einerseits um zu demonstrieren, wie sehr ihnen die Klimapolitik der Nation am verantwortungsvollen Herzen liegt. Andererseits aber um die Reihen der nervös werdenden Bauindustrie rasch mit versprochenen Konjunkturpaketen zu befrieden.
Doch Geld und Dämmstoffe allein können die Welt nicht retten. Konzepte müssen her - und hier ist die Unternehmerschaft zum Teil bereits einen mächtigen Schritt weiter als die auf Heizwärmebedarf und andere Schlagworte, vor allem aber auf die hurtige Beauftragung der Bauindustrie fixierten politischen Staatsbaumeister.
Nur ein Beispiel dafür ist die eben abgeschlossene Sanierung einer Bipa-Filiale in der Wiener Kärntner Straße. Ein scheinbar kleines Projekt, doch es trägt alle Ingredienzien in sich, um zum Kristallisationspunkt für Folgeprojekte vieler weiterer Shops zu werden. Nicht nur jener von Bipa, sondern auch von solchen der Konkurrenz. Denn die schläft bekanntlich nie.
In der Filiale Kärntner Straße der Rewe-Tochter ging es nicht nur um das bestmögliche Verpacken eines Geschäfts, um den Heizwärmebedarf zu senken. Man bemühte sich vielmehr um die Perfektion der Gesamtenergieeffizienz. Und genau das muss das Ziel aller Maßnahmen sein, auch der politischen Zielvorgaben, die in diesem Bereich besser heute als morgen gesetzt werden. Die EU peilt das zwar an, doch die Umsetzung ist nicht in Sicht.
Nochmals das Zauberwort: Gesamtenergieeffizienz. Sie errechnet sich, vereinfacht gesagt, nicht nur aus der erforderlichen Heizwärme, sondern inkludiert auch jeglichen weiteren Energiebedarf im System Gebäude wie zum Beispiel Strom.
Im konkreten Fall ging der Sanierung denn auch eine gründliche Analyse der Ist-Situation voraus, und es wurde offenbar, dass nicht das Heizen, sondern der Stromverbrauch, insbesondere die Kühllasten, eigentliches Thema war. Ineffiziente Beleuchtung beispielsweise frisst nicht nur viel Strom, sie produziert auch Wärme. Werden alte Leuchten gegen neue mit weit höherem Wirkungsgrad getauscht, reduziert das zugleich die in den Sommermonaten anfallenden Kühllasten, über die - noch - viel zu wenig geredet wird.
Dazu kamen die thermische Sanierung, der Einbau eines Wärmetauschers, ein intelligentes Be- und Entlüftungssystem und noch allerlei Detailoptimierungsmaßnahmen, die, perfekt von Konsulenten wie den Bauphysikern Schöberl & Pöll aufeinander abgestimmt, in Summe ein System ergeben, das den Heizwärmebedarf um 85 Prozent, den Stromverbrauch um rund 37 Prozent senkt und die Energieausweis-Effizienzklasse auf A+ hebt. Rewe-Vorstand Werner Wutscher, dessen Reich neben Bipa auch Billa, Penny und Merkur mit insgesamt 2577 Filialen in Österreich umfasst: „Nachhaltigkeit ist in der strategischen Planung des Unternehmens ein elementarer Grundsatz, doch jedes Projekt wird sauber berechnet, denn es muss auch die ökonomische Komponente erfüllen, wir haben schließlich nichts zu verschenken.“
Einer der Hintergründe ist also nicht allein der Klimaschutz, sondern auch das Energie- und damit Geldsparen bei rasch steigenden Energiepreisen. Deren hurtige Aufwärtsentwicklung verkürzt die Amortisationszeit naturgemäß.
Diese ist im Falle des Bipa-Pilotprojekts allerdings nicht zuletzt deshalb erträglich, weil rund ein Drittel der umweltrelevanten Investitionskosten (195.479 Euro) vom Klima- und Energiefonds als Mustersanierung gefördert wurde, was zu einem weiteren Zauberwort überleitet:
Musterprojekte unterschiedlicher Provenienz müssen her, und sie müssen dringend seriös über längere Zeiträume hinweg analysiert und evaluiert werden. Denn die zur Verfügung stehenden Technologien können, nur in Summe angewandt, ehrlich analysiert werden, sollen sie im Zusammenspiel langfristig die rechten Resultate liefern. Jede Kinderspielzeugzulassung in der EU erfolgt nach strengeren Kriterien als die derzeitige massive Umrüstung unserer gebauten Um- und Lebenswelt.
Rewe, die bis dato rund 200 ihrer Österreich-Filialen einer Optimierung unterzogen hat, will genau diese präzise Analyse. Und um die Angelegenheit in Schwung und in der Folge dank breitgestreuter Erfahrungswerte auch die Sanierungskosten und damit die Amortisationszeiten zu senken, bedarf es eben gezielter und nicht gießkannenmäßig verplätscherter Förderungen.
Klimafonds-Geschäftsführer Ingmar Höbarth nimmt darauf Bezug: „Der hohe Mulitplikatorfaktor war ein wichtiges Auswahlkriterium für die Förderung dieses Projekts, denn durch Best-Practice-Beispiele wie dieses können weitere Sanierungstätigkeiten dieser Art wesentlich vorangetrieben werden.“ Österreich verfügt über eine hervorragend aufgestellte - private -Industrie und Konsulentenschaft, die sich auch ohne politische Beförderung in den vergangenen 25 Jahren in Sachen Gebäudeoptimierung in das internationale Spitzenfeld katapultiert hat. Dazu kommen Forschungsprogramme wie das Haus der Zukunft, das seit nunmehr zehn Jahren Pionierarbeit auf diesem Gebiet leistet.
Die Politik, die für letztgenanntes Programm nicht zuletzt die Weichen gestellt hat, wäre schlecht beraten, würde sie nun, von der „Krise“ aufgeschreckt, im Eiltempo durchziehen wollen, was tatsächlich noch ein wenig Experimentier- und Nachdenkzeit erfordert, um perfekt und breit wirksam zur Anwendung zu kommen.
Apropos breite Wirksamkeit: Auch hier wird in manch Politikeraussage der Apfel mit der Birne verglichen. Man suggeriert gerne, der Gebäudesektor wäre der große Klimaschänder, weshalb jetzt sofort oder besser noch vorgestern saniert werden müsse. Das stimmt so nicht. Der Anteil von Raumwärme an den nationalen Treibhausgasemissionen (THG) beträgt laut Klimaschutzbericht 2009 des Umweltbundesamtes „nur“ 12,6 Prozent und ist als einziger Sektor rückläufig (minus 23,1 Prozent seit 1990). Nimmt man hingegen den Endenergieverbrauch her, bewegt sich der Gebäudesektor bei bedenklichen 32,6 Prozent (Stand 2004 laut Energieagentur, inklusive Raumheizung, Klimaanlagen, Beleuchtung, EDV).
Und wenn schon Klartext geredet wird, wäre es beispielsweise auch herzerwärmend, würde die Politik mit ähnlichem Energieaufwand den übelsten aller Klimaschänder bekämpfen wollen, nämlich den Verkehr. THG-Anteil: 27,6 Prozent, Tendenz heftigst steigend.
Allein die THG-Emissionen des Schwerverkehrs stiegen von 1990 bis 2007 um sagenhafte 180 Prozent. Die Gebäudesanierung allein, so wichtig und begrüßenswert sie ist, wird uns also nicht retten.
Handlungsbedarf lautet das Zauberwort in diesem Fall. Aber wer will das schon angesichts einer maroden, tatsächlich vom Betriebsrat regierten Bundesbahn und mit einer mächtigen Frächterlobby im Genick aussprechen. Die Politik jedenfalls nicht.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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