Artikel
Entwerfen als Prozess
aus der Reihe „Junge Schweizer Architekten“
Arbeiten von Annette Spiro und Stephan Gantenbein
7. April 2000 - Peter Omachen
Das Zürcher Architektenteam Annette Spiro und Stephan Gantenbein arbeitet zurzeit an der Realisierung von zwei grossen Wohnanlagen in Albisrieden und Oerlikon. Ihre wenigen bis anhin ausgeführten Bauten, etwa ein Erweiterungsbau in Füllinsdorf, zeichnen sich durch eine innere Stimmigkeit aus. Diese resultiert aus einem prozessorientierten Entwurfsvorgang.
Das aussergewöhnliche Projekt von Annette Spiro und Stephan Gantenbein für den Erweiterungsbau eines landwirtschaftlichen Betriebs in Füllinsdorf stiess zunächst auf Widerstand. Doch die Bauherrschaft setzte sich durch. 1994 konnte das Zürcher Architektenpaar den geplanten Anbau realisieren. Drei Jahre später erhielt es für sein Erstlingswerk die Auszeichnung Guter Bauten der Kantone Basel-Stadt und Baselland.
Landschaftsbezug
Der idyllische Hümpelihof liegt auf einer zweiseitig bewaldeten Anhöhe, von der aus der Blick nach Westen über die Stadt- und Industrielandschaft Basels und nach Osten über bewaldete Hügel schweift. Die Topographie und das Zusammentreffen zweier unterschiedlicher Landschaftsräume geben dem Ort seinen unverwechselbaren Charakter. Das Wohnhaus und der dreiseitig umbaute Hofraum orientieren sich nach dem urban geprägten Westen. Die Grundrissdisposition der Anlage, deren Aussenräume auf verschiedenen Niveaus liegen, wurde durch den Neubau nicht verändert: Das kleine Haus erhebt sich über den Grundmauern des ehemaligen Schuppens, der zuvor die Bautengruppe gegen die Hügellandschaft hin abschloss.
Der neue Gebäudekörper, der wie sein Vorgänger zum Hof hin eingeschossig in Erscheinung tritt, besteht in Wirklichkeit aus drei übereinanderliegenden Räumen. Oben befindet sich das funktionell dem anschliessenden Wohnhaus zugeordnete Arbeitszimmer für den Landwirt, in der Mitte (seitlich von einem kleinen Garten flankiert) ein Praktikantenzimmer mit Kochnische. Auf dem untersten Niveau, ebenerdig zum Wirtschaftshof, liegt der Heizungs- und Geräteraum. Das Gebäude, das in seiner Typologie an ein traditionelles Stöckli erinnert, wird über einen halbgeschossig versetzten Eingangsbereich auf Höhe des oberen Hofes erschlossen. Im Innern setzt das Gebäude durch das grosse, tiefliegende Fenster im erkerartigen Vorbau und das hochliegende Fenster über dem Eingang die beiden Landschaftsräume zueinander in Beziehung, ohne sie direkt miteinander zu verbinden. Diese Polarität kehrt in der Fassadengestaltung wieder: Während die unscheinbare Eingangsfront weiss gestrichen ist, um die Einheitlichkeit des Hofraumes zu wahren, antwortet die expressive Ostfassade der Waldlandschaft mit einem kräftigen Ockerton.
Wohnexperiment
Dieses Erstlingswerk des seit 1991 bestehenden Teams zeigt bereits, was für seine Bauten und Projekte mittlerweile charakteristisch ist. Ihm geht es weniger um äussere Merkmale, als vielmehr um die Spuren prozessorientierten Arbeitens. Der Entwurf wird dabei in all seinen Komponenten immer wieder überprüft und verfeinert. Die Vorstellung eines ordnenden Gesamtkonzepts im Sinne eines starren Regelwerks, das mit eiserner Konsequenz alle Details generiert, ist den beiden ETH-Absolventen ein Graus. Diese Haltung mag durch lange Aufenthalte in Wien, Sevilla und Brasilien gefördert worden sein. Spiro und Gantenbein suchen mit ihren Entwürfen Schritt für Schritt eine innere Ordnung zu erstellen, die durch eine vielschichtige Vernetzung mit der Umgebung Neues schafft. Das fertige Bauwerk wird so gleichsam zur Momentaufnahme in einem offenen Entwurfsprozess.
Die Stimmigkeit, die aus dieser undogmatischen Arbeitsweise resultiert, zeichnet auch den 1997 in Zürich vollendeten Umbau eines sechsgeschossigen Bürohauses aus den fünfziger Jahren zum genossenschaftlichen Wohnprojekt Karthago aus. Dank der offenen Planung liess sich die Idee des Zusammenlebens von 50 Menschen in ein konkretes Raumprogramm umsetzen. Auf jedem Geschoss findet sich eine grosse und eine kleine Wohngruppe, die jeweils aus Einzelzimmern und gemeinsamer Wohnzone mit Teeküche und Nasszellen besteht. Im Erdgeschoss liegt eine grosse Gemeinschaftsküche, die von einem angestellten Koch bewirtschaftet wird, sowie ein gemeinsamer Wohn- und Essraum.
Es ist nicht ein grosser architektonischer Wurf, sondern ein sorgfältig erarbeiteter Rahmen für eine experimentelle Wohnform, der an der Zentralstrasse 150 entstanden ist. Das Resultat hat sich bisher bewährt. Zum Gelingen mag die lichte Raumatmosphäre beigetragen haben, die bei aller Sparsamkeit der Bauausführung erzielt worden ist. Nun werden Spiro und Gantenbein ihre bisher nur im Kleinen bewiesenen Fähigkeiten grossmassstäblich umsetzen können: Sie arbeiten derzeit an der Weiterplanung von zwei aus Wettbewerben hervorgegangenen Wohnanlagen in Albisrieden und Oerlikon mit insgesamt über 130 Wohneinheiten.
[ Annette Spiro und Stephan Gantenbein stellen ihre Arbeiten am 12. April um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor. ]
Das aussergewöhnliche Projekt von Annette Spiro und Stephan Gantenbein für den Erweiterungsbau eines landwirtschaftlichen Betriebs in Füllinsdorf stiess zunächst auf Widerstand. Doch die Bauherrschaft setzte sich durch. 1994 konnte das Zürcher Architektenpaar den geplanten Anbau realisieren. Drei Jahre später erhielt es für sein Erstlingswerk die Auszeichnung Guter Bauten der Kantone Basel-Stadt und Baselland.
Landschaftsbezug
Der idyllische Hümpelihof liegt auf einer zweiseitig bewaldeten Anhöhe, von der aus der Blick nach Westen über die Stadt- und Industrielandschaft Basels und nach Osten über bewaldete Hügel schweift. Die Topographie und das Zusammentreffen zweier unterschiedlicher Landschaftsräume geben dem Ort seinen unverwechselbaren Charakter. Das Wohnhaus und der dreiseitig umbaute Hofraum orientieren sich nach dem urban geprägten Westen. Die Grundrissdisposition der Anlage, deren Aussenräume auf verschiedenen Niveaus liegen, wurde durch den Neubau nicht verändert: Das kleine Haus erhebt sich über den Grundmauern des ehemaligen Schuppens, der zuvor die Bautengruppe gegen die Hügellandschaft hin abschloss.
Der neue Gebäudekörper, der wie sein Vorgänger zum Hof hin eingeschossig in Erscheinung tritt, besteht in Wirklichkeit aus drei übereinanderliegenden Räumen. Oben befindet sich das funktionell dem anschliessenden Wohnhaus zugeordnete Arbeitszimmer für den Landwirt, in der Mitte (seitlich von einem kleinen Garten flankiert) ein Praktikantenzimmer mit Kochnische. Auf dem untersten Niveau, ebenerdig zum Wirtschaftshof, liegt der Heizungs- und Geräteraum. Das Gebäude, das in seiner Typologie an ein traditionelles Stöckli erinnert, wird über einen halbgeschossig versetzten Eingangsbereich auf Höhe des oberen Hofes erschlossen. Im Innern setzt das Gebäude durch das grosse, tiefliegende Fenster im erkerartigen Vorbau und das hochliegende Fenster über dem Eingang die beiden Landschaftsräume zueinander in Beziehung, ohne sie direkt miteinander zu verbinden. Diese Polarität kehrt in der Fassadengestaltung wieder: Während die unscheinbare Eingangsfront weiss gestrichen ist, um die Einheitlichkeit des Hofraumes zu wahren, antwortet die expressive Ostfassade der Waldlandschaft mit einem kräftigen Ockerton.
Wohnexperiment
Dieses Erstlingswerk des seit 1991 bestehenden Teams zeigt bereits, was für seine Bauten und Projekte mittlerweile charakteristisch ist. Ihm geht es weniger um äussere Merkmale, als vielmehr um die Spuren prozessorientierten Arbeitens. Der Entwurf wird dabei in all seinen Komponenten immer wieder überprüft und verfeinert. Die Vorstellung eines ordnenden Gesamtkonzepts im Sinne eines starren Regelwerks, das mit eiserner Konsequenz alle Details generiert, ist den beiden ETH-Absolventen ein Graus. Diese Haltung mag durch lange Aufenthalte in Wien, Sevilla und Brasilien gefördert worden sein. Spiro und Gantenbein suchen mit ihren Entwürfen Schritt für Schritt eine innere Ordnung zu erstellen, die durch eine vielschichtige Vernetzung mit der Umgebung Neues schafft. Das fertige Bauwerk wird so gleichsam zur Momentaufnahme in einem offenen Entwurfsprozess.
Die Stimmigkeit, die aus dieser undogmatischen Arbeitsweise resultiert, zeichnet auch den 1997 in Zürich vollendeten Umbau eines sechsgeschossigen Bürohauses aus den fünfziger Jahren zum genossenschaftlichen Wohnprojekt Karthago aus. Dank der offenen Planung liess sich die Idee des Zusammenlebens von 50 Menschen in ein konkretes Raumprogramm umsetzen. Auf jedem Geschoss findet sich eine grosse und eine kleine Wohngruppe, die jeweils aus Einzelzimmern und gemeinsamer Wohnzone mit Teeküche und Nasszellen besteht. Im Erdgeschoss liegt eine grosse Gemeinschaftsküche, die von einem angestellten Koch bewirtschaftet wird, sowie ein gemeinsamer Wohn- und Essraum.
Es ist nicht ein grosser architektonischer Wurf, sondern ein sorgfältig erarbeiteter Rahmen für eine experimentelle Wohnform, der an der Zentralstrasse 150 entstanden ist. Das Resultat hat sich bisher bewährt. Zum Gelingen mag die lichte Raumatmosphäre beigetragen haben, die bei aller Sparsamkeit der Bauausführung erzielt worden ist. Nun werden Spiro und Gantenbein ihre bisher nur im Kleinen bewiesenen Fähigkeiten grossmassstäblich umsetzen können: Sie arbeiten derzeit an der Weiterplanung von zwei aus Wettbewerben hervorgegangenen Wohnanlagen in Albisrieden und Oerlikon mit insgesamt über 130 Wohneinheiten.
[ Annette Spiro und Stephan Gantenbein stellen ihre Arbeiten am 12. April um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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