Artikel

Licht, Licht, Licht
Spectrum

Eine einladende Empfangsgeste, viel Tageslicht im ganzen Haus und schöne Ausblicke in alle Richtungen: ein geglückter Kindergarten in Purkersdorf bei Wien.

24. Juli 2010 - Liesbeth Waechter-Böhm
Eines muss einfach vorweg gesagt werden: Unseren Kindern geht es extrem gut. Nie zuvor hat man sich derartig um das gebaute und freiräumliche Ambiente und die damit verbundenen Möglichkeiten gesorgt, in denen der Nachwuchs groß wird. Das gilt für den Schulbau, es gilt aber genauso – und das ist vielleicht noch wichtiger – für Kindergärten.

Ich habe diese Überlegungen angestellt, während ich einen neuen Kindergarten von Hubert Hermann – Büro Hermann & Valentiny & Partner – besichtigt habe. Er ist in Purkersdorf, und wenn man es genau nimmt: an einer eher problematischen Stelle, nämlich in einer Senke gleich neben der Westbahn, auf einem ehemaligen ÖBB-Lagergelände. Übergehen wir die Details der Grundbeschaffenheit, es handelt sich jedenfalls um ein angeschüttetes Gelände, das mit einer weiteren Erdschicht überdeckt werden musste, was einen erheblichen – nicht vorhersehbaren – Kostenfaktor dargestellte. Fundierungen auf Schüttgrund sind nun einmal teuer.

Hubert Hermann waren diese Voraussetzungen nicht bekannt, als er sein Projekt entwickelte. Er ist zwar von einem Bauplatz ausgegangen, der in einer Senke liegt. Und gerade diese örtliche Gegebenheit hat er in seinem Entwurf auch thematisiert, er hat sie genützt, indem er seine um eine Art „Dorfplatz“ gruppierte, sehr zergliederte Anlage nicht nur niedrig hielt, sondern außen herum sogar einschütten, in der Erde verschwinden lassen wollte. Dadurch war sein Projekt im Wettbewerbsverfahren sicher eines der aufwendigsten, und man muss es schätzen, dass sich weder Jury noch Gemeinde davon abschrecken ließen. Nur ist davon am Ende doch nur eine gemilderte Variante geblieben, weil die Anlage jetzt deutlich aus dem aufgeschütteten Gelände herausschaut und die geplante – sicher reizvolle – „Einschüttung“ von außen zu aufwendig geworden wäre. Sie fiel dem Rechenstift zum Opfer.

In Wirklichkeit tut das der Qualität des Projekts aber keinen Abbruch. Denn die Struktur der Anlage blieb ja erhalten. Sie besteht aus einem elliptischen Eingangsgebäude, das fast wie ein Türmchen formuliert ist – mit Oberlicht, Lift für die Behindertengerechtheit und einer breiten Treppe; dies alles in leuchtendes Melonengelb getaucht, überaus freundlich und hell, eine ausgesprochen einladende Empfangsgeste. Von diesem Eingangsgebäude geht es über einen gekrümmten, sehr breiten und gegliederten Gang zu den im Oval um den Freibereich angeordneten Gruppenräumen. Es sind sechs an der Zahl, die durch drei unterschiedlich dimensionierte und ausgestattete Bewegungsräume ergänzt werden.

Wunderbar gelungen ist vor allem die Lichtregie des Architekten. Ein durchgehendes Oberlichtband sorgt in Verbindung mit Lichtkuppeln in den aufgeweiteten Erschließungszonen für Tageslicht überall im Haus – ich konnte nur eine einzige kleine Nische auf dem Weg zum dritten Bewegungsraum entdecken, die nicht natürlich belichtet ist. Aber sogar dort hat sich der Architekt etwas einfallen lassen – einen bezaubernden künstlichen Sternenhimmel, der den Kindern sicher gefällt.

Jeder Gruppenraum ist in einer anderen Farbe gehalten, räumlich vorgelagert sind großzügige, offene Garderobenbereiche. Die Gruppenräume selbst sind ein bisschen wie Tortenecken zugeschnitten, man könnte auch sagen: T-förmig; also relativ breit an der Erschließungsseite, wobei die Spitze der Tortenecke jeweils gekappt ist und als kleines Häuschen in den Freiraum hinaussteht. Diese Gliederung verleiht der gesamten Innenansicht der Anlage einen gewissen Schwung, sie macht aber auch inhaltlich Sinn: Zu jedem Gruppenraum kommt dadurch – zwischen den einzelnen Häuschen – noch ein befestigter Freibereich hinzu, eine willkommene Ergänzung zum großzügigen Grünraum.

Schön sind auch die vielen Ausblicke, die der Architekt anbietet: Große Verglasungen sind zum „Dorfplatz“ orientiert, schmälere zum Erschließungsgang. Die Kinder sind also nicht abgekapselt, sie sehen, was sich im Gangbereich tut, und sie sehen nach draußen. Hier geht man offensichtlich von einem pädagogischen Konzept aus, das die Ablenkung nicht fürchtet, das auch spielerische Neugier erlaubt.

Neben den drei Bewegungsräumen offeriert der Architekt zusätzlich einen sehr großen, gedeckten, befestigten Freiraum, der viele Nutzungsmöglichkeiten, auch für Abendveranstaltungen, bietet. Ein langes und breites geschwungenes Element aus Holz, das als Sonnenliege interpretiert werden könnte – und tatsächlich so genutzt wird – verdeckt ein bauliches „Hoppala“ (Zitat Hubert Hermann), da schauen die Fundamente angeblich zu weit aus der Erde heraus. So komfortable Kaschierungen würde man sich bei anderen Bauvorhaben auch gelegentlich wünschen.

Die Anlage ist in der Materialisierung schlicht. Natürlich kommt Holz vor – Douglasie, Kiefer (lasiert), Birke. Ein pfefferminzgrüner, leicht gepunkteter Industrieboden zieht sich durchs gesamte Haus. Man sollte meinen, dass es damit keine Schwierigkeiten geben kann. Andererseits weiß man, dasses im Osten Österreichs um die Ausführungsqualität bei Weitem nicht so bestellt ist wie etwa in Vorarlberg. Die Pfosten-Riegel-Konstruktion mit innen liegender Verglasung an der Gartenseite – der Regelfall ist, dass die Verglasung außen liegt – war nur mit Druck von der ausführenden Firma zu erreichen. Und sogar die Verlegung des Industriebodens ist mit Problemen verbunden.Wo eine Fuge notwendig wäre, sind plötzlich zwei, außerdem tauchen immer wieder rätselhafte Flecken im Boden auf, die sich auch die Firma nicht erklären kann. Hierzulande muss man tatsächlich froh sein, wenn ein Gewerk reibungslos funktioniert. Engagement, die Bereitschaft auch einmal etwas Ungewohntes umzusetzen – das ist sowieso die ganz rare Ausnahme.

Das architektonische Konzept dieses Kindergartens ist für den Standort absolut maßgeschneidert. Irgendein kompakter Baukörper wäre hier ganz falsch gewesen, weil die Umgebung – eine fragwürdige Wohnanlage, die Bahn, viele geparkte Autos et cetera – dafür zu unattraktiv ist. So wird ein ausgesprochen qualitätsvoller Außenraum definiert, der sich mit den gebauten Räumen gewinnbringend austauscht.

Was halt immer wieder ein Problem ist und sich offenkundig nicht ausmerzen lässt, das ist die Möblierung – und teilweise auch Übermöblierung. Sie steht mit ihrer manchmal barocken, manchmal auch nur plumpen Formgebung in krassem Gegensatz zur schlichten Eleganz der Architektur. Warum kindgerechtes Mobiliar immer so aussehen muss, das ist nicht nachvollziehbar. Genauso wie es nicht nachvollziehbar ist, warum die Spielgeräte – jede Menge orange Plastikrutschen etwa – immer so hässlich sind. Dagegen kommt auch die beste Gartengestaltung nicht an. Wobei die sich auf Grund der extremen Witterungsverhältnisse und eines fehlenden Gärtners ohnehin in der Krise befindet.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: