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Und dann: Stopp, Funkstille
Seltsame Wettbewerbe, sündteure Gutachten und ein Architekt, der um sein Urheberrecht fürchtet. Der Verdacht auf Klüngelei und Scheintransparenz liegt in der Luft. Anmerkungen zum geplanten Umbau des Parlaments.
5. Februar 2011 - Liesbeth Waechter-Böhm
Eine Gefahr für Leib und Leben besteht nicht, aber das „Gebäuderöntgen“ hat dennoch ergeben, dass unser „Hohes Haus“ ein Sanierungsfall ist. Die Dachkonstruktion, das Mauerwerk, die Installationen – allesamt haben sie ihre Lebenszeit (seit 1883) überschritten. Die Informationen darüber tröpfeln stetig und – wie man jetzt sagen muss: verharmlosend – auf den Chronikseiten der Medien. Denn ein Schock war es schon, als plötzlich von vielen hundert Millionen Euro die Rede war.
Lassen wir die Kostenfrage beiseite. Sie ist für den Außenstehenden nicht durchschaubar. Zwar finden sich im Gesamtsanierungskonzept konkrete Beträge, aber die sind in der Summe nicht deckungsgleich mit dem publizierten Endbetrag. Unter der Hand heißt es, wenn man mit 700 Millionen durchkommt, können alle Beteiligten froh sein. Andererseits: Was soll uns eigentlich etwas wert sein – wenn nicht der Theophil- Hansen-Bau?
Was hingegen maßlos irritiert, das ist die Vorgangsweise. Man muss sich nur die „Chronologien“ – man beachte den Plural – des Prozesses zur Lösungsfindung im Internet anschauen. Die erste („unzensiert.at“) beginnt mit dem Jahr 2005 und der Präsentation eines Raum- und Funktionsprogramms, erstreckt sich über den Architektenwettbewerb zur Neugestaltung des Nationalratssitzungssaales 2008 – Sieger: der Linzer Andreas Heidl – und die Aussetzung dieses Umbaus 2009, es kommt der Gutachter Matthias Rant ins Spiel, 2010 schließlich ein neues Gutachten (zwei Millionen Euro). Die zweite Chronologie findet sich auf der Homepage des Parlaments. Und siehe da, sie setzt mit Herbst 2009 ein – der Wettbewerb zum Nationalratssitzungssaal kommt also gar nicht mehr vor –, erwähnt die Beauftragung der Generalkonsulenten Frank & Partner und Werner Consult und endet mit Februar 2011 und der beabsichtigten Entscheidungsfindung über die künftige Vorgangsweise (am 16. Februar).
Nationalratspräsidentin Prammer hat durchaus glaubwürdig ihre besten Absichten bei der Durchführung dieses Riesenbauvorhabens bekundet. Wieso fühlt man sich als interessierter Beobachter dennoch als Opfer von Rosstäuscherei oder Scheintransparenz? Wo bleibt jetzt eigentlich der Wettbewerbssieger Heidl? Wo kommen die Herren Frank und Werner her? Hat irgendjemand, wenigstens in der Fachöffentlichkeit, gewusst, dass es da ein Verhandlungsverfahren gegeben hat? Hat irgendjemand gewusst, dass es ein gesondertes Verfahren für den historischen Bundesratssaal – übrigens mit zwei (!) Beiträgern – gegeben hat?
Dabei wurde alles korrekt in der „Wiener Zeitung“ ausgeschrieben. Aber wer liest andauernd die „Wiener Zeitung“? Vor allem, wenn er gar nicht weiß, dass solche Ausschreibungen anstehen. Nicht einmal Andreas Heidl – und der war damals schon lang genug mit der Arbeit am Nationalratssitzungssaal beschäftigt – hatte die geringste Ahnung. Absolute Funkstille aus dem Parlament – bis ein Kollege auf einer deutschen Internet-Plattform auf dieses Verfahren gestoßen ist, aber da war die Einreichfrist schon vorbei.
Man kann allen formalen, juristischen, demokratischen Ansprüchen Genüge tun, aber so in der Stille, dass genau diese Ansprüche gleichzeitig pervertiert werden. Und da darf sich dann eine Parlamentsdirektion oder die Nationalratspräsidentin nicht wundern, wenn der Verdacht auf Absprachen, auf hinter- und abgründige Klüngeleien entsteht, bei denen die Millionen für Gutachter und Juristen nur so fließen, obwohl sie der Sache letztlich in geringem Maß dienen. Es ist so, als hätte man neue, womöglich überraschende Ansätze zur Problemlösung absichtsvoll verhindert.
In Wirklichkeit war es ja schon haarsträubend, dass beim Architektenwettbewerb zum Nationalratssitzungssaal nur 21 Beiträge (davon drei deutsche Büros) eingereicht wurden. Wir schreiben einen kleinen Kindergarten im Stadtpark aus – ebenfalls EUweit offen – und haben über hundert Einsendungen. Wie falsch muss man es anlegen, damit man zu so einem mageren Ergebnis kommt? Immerhin: Es gab eine erstklassige Jury (Vorsitz: Podrecca, Vize: Schreieck) und eine einstimmige Entscheidung.
Also Andreas Heidl. Sein Projekt ist nicht das spektakuläre zeitgenössische Implantat schlechthin – und davon haben viele geträumt, obwohl der Saal von Fellerer/ Wörndle (1956) explizit unter Denkmalschutz steht –, vielmehr respektiert es diesen Saal als Gesamtkunstwerk. Es geht überaus vorsichtig damit um, macht ihn mit raffinierten Mitteln freundlicher, heller, komfortabler (und behindertengerecht). Heidl hat endlos lang geplant. Zuerst hat es im Parlament geheißen, der Verhandlungspartner ist die Bundesimmobiliengesellschaft, dann war die BIG plötzlich draußen, und seine Verhandlungspartner waren genau die, die vorher gesagt haben, sie sind nicht zuständig. Bei den Verhandlungen hat sich gezeigt, dass man es gar nicht eilig hatte, zu einem Ergebnis zu kommen. Eineinhalb Jahre, insgesamt 42 Mitarbeiter – und dann ein Vergleich: das halbe Vorentwurfshonorar zu einem Zeitpunkt, als das Büro schon mitten im Entwurf war. Aber der Hinweis: Es geht ohnehin gleich los. Und dann Stopp. Funkstille.
An die Adresse der Nationalratspräsidentin gesprochen: Fair ist das nicht. Das Büro ist daran finanziell fast zugrunde gegangen. Aber was kam danach? Die Sache mit dem Gesamtsanierungskonzept. Und da hieß es plötzlich, na ja, das Konzept kann einfließen. Heidl sah sich genötigt, ein Rechtsgutachten einzuholen, das ihm sein Urheberrecht bestätigt. Nur bedeutet das nichts. Wo ein Jurist ist, da sind noch viel mehr (Parlaments-)Juristen, und wen würde es wundern, wenn die jederzeit und in beliebiger Anzahl gegenteilige Rechtsgutachten lieferten. Soll Heidl das Parlament klagen? Es ist so gut wie undenkbar, dass keine Absprachen am Werk sind. Die Nationalratspräsidentin wird davon am wenigsten wissen. Aber sie muss sich auch eines sagen lassen: Im Parlament selbst versteht kein Mensch etwas von einer so komplexen Bauaufgabe. Alle sind Laien, eingeschlossen die Juristen. Alle machen das zum ersten Mal, alle kennen sich nicht aus, alle werden scheitern. Skylink lässt grüßen.
Lassen wir die Kostenfrage beiseite. Sie ist für den Außenstehenden nicht durchschaubar. Zwar finden sich im Gesamtsanierungskonzept konkrete Beträge, aber die sind in der Summe nicht deckungsgleich mit dem publizierten Endbetrag. Unter der Hand heißt es, wenn man mit 700 Millionen durchkommt, können alle Beteiligten froh sein. Andererseits: Was soll uns eigentlich etwas wert sein – wenn nicht der Theophil- Hansen-Bau?
Was hingegen maßlos irritiert, das ist die Vorgangsweise. Man muss sich nur die „Chronologien“ – man beachte den Plural – des Prozesses zur Lösungsfindung im Internet anschauen. Die erste („unzensiert.at“) beginnt mit dem Jahr 2005 und der Präsentation eines Raum- und Funktionsprogramms, erstreckt sich über den Architektenwettbewerb zur Neugestaltung des Nationalratssitzungssaales 2008 – Sieger: der Linzer Andreas Heidl – und die Aussetzung dieses Umbaus 2009, es kommt der Gutachter Matthias Rant ins Spiel, 2010 schließlich ein neues Gutachten (zwei Millionen Euro). Die zweite Chronologie findet sich auf der Homepage des Parlaments. Und siehe da, sie setzt mit Herbst 2009 ein – der Wettbewerb zum Nationalratssitzungssaal kommt also gar nicht mehr vor –, erwähnt die Beauftragung der Generalkonsulenten Frank & Partner und Werner Consult und endet mit Februar 2011 und der beabsichtigten Entscheidungsfindung über die künftige Vorgangsweise (am 16. Februar).
Nationalratspräsidentin Prammer hat durchaus glaubwürdig ihre besten Absichten bei der Durchführung dieses Riesenbauvorhabens bekundet. Wieso fühlt man sich als interessierter Beobachter dennoch als Opfer von Rosstäuscherei oder Scheintransparenz? Wo bleibt jetzt eigentlich der Wettbewerbssieger Heidl? Wo kommen die Herren Frank und Werner her? Hat irgendjemand, wenigstens in der Fachöffentlichkeit, gewusst, dass es da ein Verhandlungsverfahren gegeben hat? Hat irgendjemand gewusst, dass es ein gesondertes Verfahren für den historischen Bundesratssaal – übrigens mit zwei (!) Beiträgern – gegeben hat?
Dabei wurde alles korrekt in der „Wiener Zeitung“ ausgeschrieben. Aber wer liest andauernd die „Wiener Zeitung“? Vor allem, wenn er gar nicht weiß, dass solche Ausschreibungen anstehen. Nicht einmal Andreas Heidl – und der war damals schon lang genug mit der Arbeit am Nationalratssitzungssaal beschäftigt – hatte die geringste Ahnung. Absolute Funkstille aus dem Parlament – bis ein Kollege auf einer deutschen Internet-Plattform auf dieses Verfahren gestoßen ist, aber da war die Einreichfrist schon vorbei.
Man kann allen formalen, juristischen, demokratischen Ansprüchen Genüge tun, aber so in der Stille, dass genau diese Ansprüche gleichzeitig pervertiert werden. Und da darf sich dann eine Parlamentsdirektion oder die Nationalratspräsidentin nicht wundern, wenn der Verdacht auf Absprachen, auf hinter- und abgründige Klüngeleien entsteht, bei denen die Millionen für Gutachter und Juristen nur so fließen, obwohl sie der Sache letztlich in geringem Maß dienen. Es ist so, als hätte man neue, womöglich überraschende Ansätze zur Problemlösung absichtsvoll verhindert.
In Wirklichkeit war es ja schon haarsträubend, dass beim Architektenwettbewerb zum Nationalratssitzungssaal nur 21 Beiträge (davon drei deutsche Büros) eingereicht wurden. Wir schreiben einen kleinen Kindergarten im Stadtpark aus – ebenfalls EUweit offen – und haben über hundert Einsendungen. Wie falsch muss man es anlegen, damit man zu so einem mageren Ergebnis kommt? Immerhin: Es gab eine erstklassige Jury (Vorsitz: Podrecca, Vize: Schreieck) und eine einstimmige Entscheidung.
Also Andreas Heidl. Sein Projekt ist nicht das spektakuläre zeitgenössische Implantat schlechthin – und davon haben viele geträumt, obwohl der Saal von Fellerer/ Wörndle (1956) explizit unter Denkmalschutz steht –, vielmehr respektiert es diesen Saal als Gesamtkunstwerk. Es geht überaus vorsichtig damit um, macht ihn mit raffinierten Mitteln freundlicher, heller, komfortabler (und behindertengerecht). Heidl hat endlos lang geplant. Zuerst hat es im Parlament geheißen, der Verhandlungspartner ist die Bundesimmobiliengesellschaft, dann war die BIG plötzlich draußen, und seine Verhandlungspartner waren genau die, die vorher gesagt haben, sie sind nicht zuständig. Bei den Verhandlungen hat sich gezeigt, dass man es gar nicht eilig hatte, zu einem Ergebnis zu kommen. Eineinhalb Jahre, insgesamt 42 Mitarbeiter – und dann ein Vergleich: das halbe Vorentwurfshonorar zu einem Zeitpunkt, als das Büro schon mitten im Entwurf war. Aber der Hinweis: Es geht ohnehin gleich los. Und dann Stopp. Funkstille.
An die Adresse der Nationalratspräsidentin gesprochen: Fair ist das nicht. Das Büro ist daran finanziell fast zugrunde gegangen. Aber was kam danach? Die Sache mit dem Gesamtsanierungskonzept. Und da hieß es plötzlich, na ja, das Konzept kann einfließen. Heidl sah sich genötigt, ein Rechtsgutachten einzuholen, das ihm sein Urheberrecht bestätigt. Nur bedeutet das nichts. Wo ein Jurist ist, da sind noch viel mehr (Parlaments-)Juristen, und wen würde es wundern, wenn die jederzeit und in beliebiger Anzahl gegenteilige Rechtsgutachten lieferten. Soll Heidl das Parlament klagen? Es ist so gut wie undenkbar, dass keine Absprachen am Werk sind. Die Nationalratspräsidentin wird davon am wenigsten wissen. Aber sie muss sich auch eines sagen lassen: Im Parlament selbst versteht kein Mensch etwas von einer so komplexen Bauaufgabe. Alle sind Laien, eingeschlossen die Juristen. Alle machen das zum ersten Mal, alle kennen sich nicht aus, alle werden scheitern. Skylink lässt grüßen.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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