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Unter dem Tuch der Kamera
Spectrum

Der Umbau der Felsenreitschule in Salzburg – das bedeutet: Preisvorgaben, Sorge um historische Substanz. Das Ziel: Vorstellungen bei jeder Witterung. Ein Beispiel für gute Zusammenarbeit – Diskussionswürdiges inbegriffen.

16. Juli 2011 - Liesbeth Waechter-Böhm
Die Felsenreitschule in Salzburg hat nicht nur ein neues mobiles Dach, sie wurde auch sonst technisch, akustisch und im Erscheinungsbild insgesamt auf einen heutigen Ansprüchen deutlich besser genügenden Stand gebracht. Das war überfällig, denn die alte Planenüberdachung hatte ausgedient, ebenso der hölzerne Innenausbau mit seiner „Badehütten“-Anmutung. Es war aber auch fällig, weil die Felsenreitschule akustische Verbesserungen durchaus notwendig hatte – und weil sie, bei Erhaltung aller Qualitäten einer Freilichtbühne, einfach winterfest gemacht werden musste.

An Begründungen für die Erneuerungsmaßnahmen fehlt es also nicht. Was vielleicht fehlte, war ein angemessenes Budget. Von der öffentlichen Hand kamen fünf Millionen Euro und kein Cent mehr. Und unter dieser Vorgabe wurde auch das zweistufige Bieterverfahren abgewickelt, das die ARGE G. Hinteregger & Söhne, Oberhofer Stahlbau, IPC Project Consulting, das Statikbüro Herbrich Consult und das Salzburger Architekturbüro „Halle 1“ für sich entschieden haben. „Halle 1“ – das sind die Architekten Heinz Lang und Gerhard Sailer – waren für die Umsetzung des Projekts vermutlich ein Glücksfall. Schon seit vielen Jahren schreiben sie sich nachhaltig ins Stadtbild von Salzburg ein. Es ist nicht nur das interessanteste, es wurde mit viel Durchhaltevermögen auch zum erfolgreichsten Büro vor Ort.

Das hauptsächliche Problem war: Die ARGE musste einen Fixpreis garantieren. Dabei hatte sie eine Checkliste an Anforderungen zu erfüllen, die zwar den Charakter der Freilichtbühne uneingeschränkt bewahren, aber gleichzeitig eine neue, bei allen Witterungsverhältnissen nutzbare Opernbühne zum Ergebnis haben sollte. „Die Architekten“, so der Zuständige für das Gebäude- und Veranstaltungsmanagement, Marcus Piso, „haben nicht ihre Vorstellungen verwirklicht, sondern unsere – das ist ungewöhnlich.“ Und Gerhard Sailer von „Halle 1“: „Es war ein abenteuerliches und untypisches Prozedere, wir haben sehr viel zugelassen und uns oft auf eine Moderatorenfunktion zwischen allen Beteiligten beschränkt, wir waren an der Grenze des Möglichen.“ Schließlich ein anonymer Baupolizist: „Reich geworden ist hier keiner.“

Sie war also allen Beteiligten ein wirkliches Anliegen, die neue Felsenreitschule. Mit vielen (finanziellen) Nachlässen und Kompromissen sollte dieser qualitative Beitrag zum Festspielbezirk von Salzburg Wirklichkeit werden. Das bedeutet: ein neues mobiles Dach, Seitenwand- und Deckenuntersichtverkleidung neu, überdies zwei neue Geschoße über dem Saal, das obere noch nicht ausgebaut. Konstruktiv war die Sache dabei gar nicht so problematisch, wiewohl die grundsätzliche Vorgabe hieß: Die historische Substanz darf keinen Schaden nehmen. Den hat sie auch nicht. Es gibt zwei Fachwerkträger, die parallel zur Bühne bzw. zum Mönchsberg verlaufen, und die konnten auf den Betonpfeilern des Bestandes einfach aufgelagert werden. Es waren keinerlei neuen Fundierungen notwendig. Auf diesen zweigeschoßigen Fachwerkträgern liegen nun orthogonal zum Berg die Hauptträger, und in diesen werden die fünf Ausschubträger geführt. Das klingt sehr technisch, in Wahrheit ist es extrem einfach. An jedem dieser Ausschubträger hängt ein Stirnradgetriebe-Motor, das Zahnrad sitzt am Träger, der Ausschubträger hat eine Zahnstange. Einfacher geht es wirklich nicht, und man hat den Vorteil, dass die Wartung kein Problem ist, weil sich jeder qualifizierte Mechaniker damit auskennt. Überdies: Jeder Ausschubträger ist einzeln ansteuerbar. Man kann so einen Träger also auch für Bühneneffekte nutzen, dann fahren nur die übrigen weg.

Es dauert sechs Minuten, bis das Dach zugefahren ist, theoretisch ginge es auch schneller. Allerdings würde man diesen Vorgang dann auch deutlicher hören: Wenn sich 200 Tonnen bewegen, dann erzeugt das unweigerlich ein Geräusch. Letzteres ist jetzt vernachlässigbar. Und Außeneinflüsse, etwa prasselnden Regen, hört man gar nicht. Das Dach ist wie eine alte Holztramdecke konstruiert, es besteht aus zwei voneinander getrennten Schichten, die in drei Bahnen den Bühnenraum überdecken. Da hört man nichts.

Der Saal selbst wurde im Jahr 2006, im Zuge der Errichtung des „Hauses für Mozart“, schon einmal umgebaut. Damals hat man den Rang entfernt und eine arenaartige Lösung für den Zuschauerraum entwickelt. Akustisch hat das eine Verbesserung gebracht. Mit dem Mobiliar – den Sitzreihen – ist das weniger gelungen, die wurden damals zwar auch erneuert, aber sie sind recht banal. Und das fällt jetzt, nach der Rundumerneuerung des Saals, umso mehr auf. Der Innenraum der Felsenreitschule ist nun nämlich schwarz, das braune Gestühl mit seinen gemusterten Stoffauflagen kommt aus einem sehr anderen Universum. Sei's drum, der Innenraum ist schwarz. Die Decke – ein punktuell ausgeleuchteter „Sternenhimmel“ – besteht aus schuppenartig überlagerten Elementen, jede Neigung natürlich gesondert berechnet, ganz im Dienst der Akustik, von einem der profiliertesten Akustiker überhaupt, Prof. Karlheinz Müller. Und bei den Pfingstfestspielen hat Ricardo Muti dem Saal auch seinen Sanctus erteilt. Es war die Feuerprobe.

Man kann über die „Schwärze“ des Raums diskutieren. Gerhard Sailer sagt, es sei ein bisschen wie bei einer alten Kamera, bei der man sich noch das schwarze Tuch übergestülpt hat. So schaut man jetzt auf die Bühne, sie rückt in den Fokus. Ich finde, dass dieses Schwarz Details verschwinden lässt, man nimmt nicht einmal die Schuppen an der Akustikdecke des Saals so richtig wahr. Auch nicht die Beleuchterbrücken. Und wozu auch? Sind sie nicht die dienenden Elemente in Relation zum Bühnengeschehen?

Eine Kleinigkeit: Podpoddesign haben zum Lichtdesign beigetragen. Der Sternenhimmel allein brachte es nicht, der hat zwar die erforderlichen Luxzahlen bis zu den Zuschauern transportiert, aber kein Stimmungslicht. Podpoddesign haben sich etwas Bezauberndes einfallen lassen: Auf den Auskragungen der Seitenwände, die akustisch begründet sind, leuchten jetzt reihenweise Kerzen: das emotionale Element in einer überaus sachlichen Rauminterpretation.

„Halle 1“ haben sich bei der Felsenreitschule sehr engagiert eingebracht. Es ging schließlich um Salzburg, um den Festspielbezirk, nicht zuletzt um das Einfügungsgebot in die Salzburger Dachlandschaft, das zweifellos einen besonders hohen Wertigkeitsgrad hat. Klaus Kada hat beim Bieterverfahren einen viel kühneren Vorschlag eingebracht: Er wollte das Dach der Felsenreitschule als Deckel ausbilden, der sich senkrecht aufrichtet – und dann natürlich in voller Größe vor dem Berg steht. Als Projekt sicher interessant – nur nicht umsetzbar, nicht in Salzburg.

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