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Tisch ahoi!
Temporäre Sommerarchitektur: Terrassenboote, Zelturlaub und Minilofts. Die Donau und Schotterteiche rund um Wien als Refugium jener, für die Wochenende und Wasser unzertrennliche Begriffe sind. Eine Bestandsaufnahme.
20. August 2011 - Judith Eiblmayr
Vor fünf Jahren stand an dieser Stelle geschrieben, dass der Juli 2006 der heißeste gewesen ist, seit es klimatische Dokumentationen gibt. Heuer fällt die Temperaturbilanz deutlich ernüchternder aus. Der Juli war nicht gerade der kälteste bis dato, aber einer der kältesten seit 30 Jahren. Was sich auf die Spitzen der Alpen positiv auswirkt, da durch Neuschnee im Juli die Gletscherschmelze ein wenig hintangehalten wird, lässt die Gemüter der Sommerhungrigen von sonnig auf betrübt umschlagen. Wer nicht schon den Sonnenhut auf den verregneten Sommer gehaut hat und in den Süden abgehauen ist, muss zur Freizeitgestaltung in Wien flexibel bleiben. Kaum, dass sich die Sonne zeigt, zieht es die Wiener und Wienerinnen hin zum Wasser, um körpernahe auszukosten, was den Rest des Jahres angenehmerweise nicht möglich ist.
„Stellt für den Amerikaner vor allem der Ausflug und das ,Camping‘, für den Engländer die Ausübung jeglicher Art von Sport, für den Franzosen die Kleintouristik ohne sportliche Betätigung, für den Italiener, bei dem Körper- und Wassersport erst in letzter Zeit Bedeutung erlangte, das dolce far niente die typische Wochenenderholung dar, so sind ... für uns in Österreich Wochenende und Wasser unzertrennliche Begriffe. Auch das sesshafte Wochenende entwickelte sich am Wasser: an den Ufern des Meeres und der Seen, in Wien an der Donau.“ So steht es in einer österreichischen Zeitschrift vom Juli 1933 unter dem Titel „Wasser, Luft und Sonne“ nachzulesen. Wenn sich auch die Präferenzen der jeweiligen Nationen im Laufe der Jahrzehnte wohl aufgemischt haben, bleiben die Gefilde der Donau bevorzugtes Ziel der Tagesausflügler. Glücklich kann sich schätzen, wer ein „Weekend-Häuschen“ mit Wasserzugang sein Eigen nennen kann – sei es in einem der Strombäder an der Donau, an einem der vielen Schotterteiche rund um Wien oder – quasi mitten in der Stadt – an der Alten Donau. Tagesgäste können seit Florian Berndls Zeiten, als sich dieser um 1900 am von ihm gepachteten Gänsehäufel die erste Reisighütte gebaut hat, Cabanen mieten und ihre Freizeit in der Gemeinschaft mit Bad und Sonnenbad „auf der Insel“ verbringen.
Wer allerdings das Individuelle bevorzugt und sich von der Landpartie unabhängig machen will, den zieht es vermehrt mit schwimmendem Untersatz direkt aufs Wasser. Das Schlauchboot mit Rudern als Inbegriff der Eroberung der Wasserflächen in den 1970er-Jahren hat dabei längst ausgedient – zu unpraktisch und zu unbequem, wie man mit der zeitlichen Distanz ruhig zugeben kann. Mittlerweile haben sich in Form und Größe ansprechendere Wasserfahrzeuge durchgesetzt: Boote mit Elektromotoren, die sich als kleine Jachten gerieren und mit sinnstiftenden Namen wie „Hartz IV“ (sic!) versehen sind, gehen an einem sonnigen Sonntag in Ufernähe vor Anker, dort, wo es seicht ist, damit man gut ins Wasser steigen kann, ohne schwimmen zu müssen. Andere mieten vis-à-vis des Gänsehäufels ein „Wohnboot“, das im Unterschied zu einem Hausboot fix mit dem Steg verbunden ist und sich nicht zum Herumschippern eignet. Aber man ist auch am Wasser, hört es plätschern, spürt die Wellenbewegungen, und vielleicht genügt ja schon die Vorstellung, dass man theoretisch ablegen und zu anderen Ufern aufbrechen könnte, um ein Freiheitsgefühl zur Entspannung im städtischen Alltag zu entwickeln.
„Schwimmhäuser“ mit 30 Quadratmetern, „vollverglast mit Küche, Bad, Doppelbett und zwei Terrassen“, werden an der Donau sogar mit Niedrigenergiestandard angeboten; zwar mit Klimagerät zum Kühlen und Heizen ausgestattet, aber nachdem der schwimmende Wintergarten der Wiener Firma „Mikrohaus“ sich nicht selbstständig fortbewegen kann, verbraucht er sicherlich weniger Energie, als wenn er mit einem Motor betrieben werden würde. Wer mit seinem Haus wirklich mobil sein will, der könnte zum „Wohnen auf dem Wasser“ eine „Flachrumpf-Tschunke“ auf der Donau erstehen; 45 Quadratmeter Wohnfläche bieten wohl mehr Komfort als ein Wohnmobil und darüber hinaus – trotz Schleusen – eine stressfreiere Reise, womöglich bis ans Schwarze Meer.
Ein dem Nomadentum am Wasserlauf entgegengesetztes Phänomen ist heuer am Unterkai des Donaukanals zu beobachten: An der Adria-Wien wurden von Initiator Gerold Ecker aufgeständerte Zweimannzelte aus Designerhand fix verortet, die als Schlafplätze zu Campingplatzpreisen gemietet werden können. Das Gegenteil vom schwimmenden Wohnwagen ist das fix verankerte Zelt. Das „Miniloft“ von Superwien Architekten zeigt, wie schnell mobil in stabil umformuliert werden kann, das Feeling des Zelturlaubs am euphemistischen Adria-Strand trotzdem inklusive!
Aber zurück an die Alte Donau, wo selbst ein romantisches Dinner mitten auf dem Wasser konsumiert werden kann: Zwei Partyboote stehen zur Anmietung bereit. Während das Essen aufgetragen und der Wein kredenzt wird, fährt man gemächlich an den Ufern des Altarmes entlang. Diese Art der stimmungsvollen Kreuzfahrt des kleinen Mannes kann durchaus auch in Eigeninitiative entwickelt werden, denn die Nutzung des Wassers selbst steht jedem frei. Ein katamaranartiges Floß, mit einem Elektromotor angetrieben, eine Reling rundherum, ein Tisch, ein paar Sessel, eine Kühlbox und fallweise ein Griller – fertig ist die eigene Chill-out-Zone! Es sieht aus, als ob sich ein Stück der im Wasser liegenden Sonnenterrasse eines Strandlokals verselbstständigt hätte, und genau diese Qualität bietet sich den Nutzern auch: ein weißer Gespritzter, eine kleine Grillerei und nachher eine Schaumrolle – allerdings individualtouristisch mitten auf dem Wasser. „Tisch ahoi!“, kann man da nur sagen und den Seefahrern wünschen, dass keine jäh einsetzende Bö das Semmerl oder den Plastiksessel von Bord weht. Das wendige und vielleicht auch trendige „Terrassenboot“ kann als ein Stück dynamisierter Architektur verstanden werden, was beweist, dass man seiner Kreativität nur freien Lauf lassen muss, um spontan auslaufen und einen der im Jahre 2011 spärlichen lauen Sommerabende in Wien wasseraffin genießen zu können.
„Stellt für den Amerikaner vor allem der Ausflug und das ,Camping‘, für den Engländer die Ausübung jeglicher Art von Sport, für den Franzosen die Kleintouristik ohne sportliche Betätigung, für den Italiener, bei dem Körper- und Wassersport erst in letzter Zeit Bedeutung erlangte, das dolce far niente die typische Wochenenderholung dar, so sind ... für uns in Österreich Wochenende und Wasser unzertrennliche Begriffe. Auch das sesshafte Wochenende entwickelte sich am Wasser: an den Ufern des Meeres und der Seen, in Wien an der Donau.“ So steht es in einer österreichischen Zeitschrift vom Juli 1933 unter dem Titel „Wasser, Luft und Sonne“ nachzulesen. Wenn sich auch die Präferenzen der jeweiligen Nationen im Laufe der Jahrzehnte wohl aufgemischt haben, bleiben die Gefilde der Donau bevorzugtes Ziel der Tagesausflügler. Glücklich kann sich schätzen, wer ein „Weekend-Häuschen“ mit Wasserzugang sein Eigen nennen kann – sei es in einem der Strombäder an der Donau, an einem der vielen Schotterteiche rund um Wien oder – quasi mitten in der Stadt – an der Alten Donau. Tagesgäste können seit Florian Berndls Zeiten, als sich dieser um 1900 am von ihm gepachteten Gänsehäufel die erste Reisighütte gebaut hat, Cabanen mieten und ihre Freizeit in der Gemeinschaft mit Bad und Sonnenbad „auf der Insel“ verbringen.
Wer allerdings das Individuelle bevorzugt und sich von der Landpartie unabhängig machen will, den zieht es vermehrt mit schwimmendem Untersatz direkt aufs Wasser. Das Schlauchboot mit Rudern als Inbegriff der Eroberung der Wasserflächen in den 1970er-Jahren hat dabei längst ausgedient – zu unpraktisch und zu unbequem, wie man mit der zeitlichen Distanz ruhig zugeben kann. Mittlerweile haben sich in Form und Größe ansprechendere Wasserfahrzeuge durchgesetzt: Boote mit Elektromotoren, die sich als kleine Jachten gerieren und mit sinnstiftenden Namen wie „Hartz IV“ (sic!) versehen sind, gehen an einem sonnigen Sonntag in Ufernähe vor Anker, dort, wo es seicht ist, damit man gut ins Wasser steigen kann, ohne schwimmen zu müssen. Andere mieten vis-à-vis des Gänsehäufels ein „Wohnboot“, das im Unterschied zu einem Hausboot fix mit dem Steg verbunden ist und sich nicht zum Herumschippern eignet. Aber man ist auch am Wasser, hört es plätschern, spürt die Wellenbewegungen, und vielleicht genügt ja schon die Vorstellung, dass man theoretisch ablegen und zu anderen Ufern aufbrechen könnte, um ein Freiheitsgefühl zur Entspannung im städtischen Alltag zu entwickeln.
„Schwimmhäuser“ mit 30 Quadratmetern, „vollverglast mit Küche, Bad, Doppelbett und zwei Terrassen“, werden an der Donau sogar mit Niedrigenergiestandard angeboten; zwar mit Klimagerät zum Kühlen und Heizen ausgestattet, aber nachdem der schwimmende Wintergarten der Wiener Firma „Mikrohaus“ sich nicht selbstständig fortbewegen kann, verbraucht er sicherlich weniger Energie, als wenn er mit einem Motor betrieben werden würde. Wer mit seinem Haus wirklich mobil sein will, der könnte zum „Wohnen auf dem Wasser“ eine „Flachrumpf-Tschunke“ auf der Donau erstehen; 45 Quadratmeter Wohnfläche bieten wohl mehr Komfort als ein Wohnmobil und darüber hinaus – trotz Schleusen – eine stressfreiere Reise, womöglich bis ans Schwarze Meer.
Ein dem Nomadentum am Wasserlauf entgegengesetztes Phänomen ist heuer am Unterkai des Donaukanals zu beobachten: An der Adria-Wien wurden von Initiator Gerold Ecker aufgeständerte Zweimannzelte aus Designerhand fix verortet, die als Schlafplätze zu Campingplatzpreisen gemietet werden können. Das Gegenteil vom schwimmenden Wohnwagen ist das fix verankerte Zelt. Das „Miniloft“ von Superwien Architekten zeigt, wie schnell mobil in stabil umformuliert werden kann, das Feeling des Zelturlaubs am euphemistischen Adria-Strand trotzdem inklusive!
Aber zurück an die Alte Donau, wo selbst ein romantisches Dinner mitten auf dem Wasser konsumiert werden kann: Zwei Partyboote stehen zur Anmietung bereit. Während das Essen aufgetragen und der Wein kredenzt wird, fährt man gemächlich an den Ufern des Altarmes entlang. Diese Art der stimmungsvollen Kreuzfahrt des kleinen Mannes kann durchaus auch in Eigeninitiative entwickelt werden, denn die Nutzung des Wassers selbst steht jedem frei. Ein katamaranartiges Floß, mit einem Elektromotor angetrieben, eine Reling rundherum, ein Tisch, ein paar Sessel, eine Kühlbox und fallweise ein Griller – fertig ist die eigene Chill-out-Zone! Es sieht aus, als ob sich ein Stück der im Wasser liegenden Sonnenterrasse eines Strandlokals verselbstständigt hätte, und genau diese Qualität bietet sich den Nutzern auch: ein weißer Gespritzter, eine kleine Grillerei und nachher eine Schaumrolle – allerdings individualtouristisch mitten auf dem Wasser. „Tisch ahoi!“, kann man da nur sagen und den Seefahrern wünschen, dass keine jäh einsetzende Bö das Semmerl oder den Plastiksessel von Bord weht. Das wendige und vielleicht auch trendige „Terrassenboot“ kann als ein Stück dynamisierter Architektur verstanden werden, was beweist, dass man seiner Kreativität nur freien Lauf lassen muss, um spontan auslaufen und einen der im Jahre 2011 spärlichen lauen Sommerabende in Wien wasseraffin genießen zu können.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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