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Unbequemes Baudenkmal
Eiermanns Frankfurter Hochtief-Hochhaus in Gefahr
12. September 2003 - Carsten Krohn
An Frankfurts prominentester Lage direkt neben der Oper klafft eine riesige Baubrache. Hier stand bis zu seinem Abriss vor bald zwei Jahren eines der wenigen gelungenen Hochhäuser Deutschlands: das Zürich-Haus der Architekten Werner Stücheli und Udo von Schauroth (NZZ 20. 11. 01). Die frühen Wolkenkratzer Deutschlands drohen zu verschwinden, da sie oft schutzlos den Gesetzen des wirtschaftlichen Profits ausgesetzt sind. Wird aber einer in die Liste der Denkmalschutzobjekte aufgenommen, so zeigen sich die Besitzer meist wenig erfreut und setzen häufig alles daran, diese Einschränkung, die einen höheren und effizienteren Neubau ausschliesst, aufzuheben. So auch im Fall eines weiteren, nahe der Brache des Zürich-Hauses gelegenen Hochhausdenkmals, das nun nach dem Willen des grossen deutschen Baukonzerns Hochtief fallen soll.
Als der Hochtief-Konzern Anfang der sechziger Jahre Egon Eiermann (1904-1970) mit dem Bau seiner Hauptverwaltung beauftragte, war Eiermann einer der meistbeschäftigten und einflussreichsten Architekten der Bundesrepublik. Das erst nach seinem Tod vollendete Hochtief-Hochhaus zeichnet sich durch eine feingliedrige Fassade aus. Vor rotbraun gestrichenen Jalousiekästen und umlaufenden Balkonen hängen Aluminiumelemente an einer leichten Gitterstruktur, die aufgrund ihrer präzisen Detaillierung als baukünstlerisch herausragend gilt. Deshalb wurde das Verwaltungsgebäude vor einigen Jahren unter Schutz gestellt.
Sanierungsfähig oder nicht?
Als nun der Hochtief-Konzern unlängst bekannt gab, er wolle den Denkmalstatus aufheben und das Hochhaus abreissen lassen, war der Protest ähnlich gross wie früher schon beim benachbarten Zürich-Haus. Der Landeskonservator widersetzte sich diesen Wünschen und plädierte vehement für den Erhalt des wertvollen, aber für viele unbequemen Gebäudes. Deshalb wandte sich Hochtief an eine politisch höhere Instanz: Hessens Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Ruth Wagner (FDP), betonte zwar ebenfalls die künstlerische Bedeutung des Gebäudes, gab es aber dennoch zum Abriss frei. Dabei berief sie sich auf ein von Hochtief finanziertes Gutachten.
In diesem Gutachten wird das Gebäude zwar für sanierungsfähig erklärt; es werden jedoch zwei Argumente gegen den Erhalt formuliert. Diese beziehen sich auf Bauschäden an der Fassade und im Fundamentbereich. Da die konstruktiven Betondecken in die Fassaden hinausragen, beginnen die Enden allmählich zu verwittern. Um diese zu sanieren, müsste die gesamte Metallfassade abgenommen werden. Eine spätere Rekonstruktion sei dann nicht mehr als Denkmal einzustufen, erklären die Gutachter und berufen sich auf die Charta von Venedig, die den Schutz von originaler Bausubstanz fordert.
Diese fast vierzig Jahre alte Richtschnur der Denkmalpflege hatte allerdings die jüngsten bautechnischen Entwicklungen nicht voraussehen können, welche Totalsanierungen älterer Hochhäuser möglich machten. Deswegen wird denn auch als Hauptargument für einen Abriss eine Gefährdung des Fundaments genannt, das in einer wasserdichten «schwarzen Wanne» aus Beton ruht. Diese sei zwar intakt, könne bei einer Sanierung jedoch beschädigt werden, zumal das 23-geschossige Hochhaus um zwei Etagen höher als von Eiermann geplant ausgeführt worden sei. Diese Gefahr wurde zwar in einem Gegengutachten angezweifelt, doch die Eigentümerin blieb beim Beschluss, das Hochhaus abzureissen.
Böse Vorahnung
Wie in einer bösen Vorahnung begegnete Eiermann selbst dem Baustoff Beton stets mit Skepsis. Er liebte Stahl. Gerne hätte er daher ein leichtes, an einem zentralen Mast hängendes Stahlhochhaus gebaut, musste aber auf gängige Konstruktionssysteme zurückgreifen. Ihm gelang es zwar, ein elegantes Gebäude zu entwerfen, bezüglich der Lebensdauer von Beton hatte er sich jedoch getäuscht. «Der Stahl ist wegnehmbar. Mit Entsetzen sehe ich diese Bunker und Gebäudemassen aus Beton, von denen ich weiss, dass sie nie verschwinden können.»
Da Bauten der sechziger Jahre lange Zeit kategorisch abgelehnt wurden, erkennt man oftmals die Qualitäten der Meisterwerke unter ihnen erst jetzt. Die besten Beispiele drohen nun aber just in einer Zeit, da eine breitere Würdigung einsetzt, zu verschwinden. Ein Jahr vor Eröffnung der grossen Jubiläumsausstellung zum 100. Geburtstag von Eiermann in Karlsruhe und Berlin ist ausgerechnet ein Bauwerk gefährdet, das bisher kaum dokumentiert wurde. Für Fotografen ist das leer stehende Haus verschlossen, denn der Abriss soll in wenigen Tagen beginnen.
Als der Hochtief-Konzern Anfang der sechziger Jahre Egon Eiermann (1904-1970) mit dem Bau seiner Hauptverwaltung beauftragte, war Eiermann einer der meistbeschäftigten und einflussreichsten Architekten der Bundesrepublik. Das erst nach seinem Tod vollendete Hochtief-Hochhaus zeichnet sich durch eine feingliedrige Fassade aus. Vor rotbraun gestrichenen Jalousiekästen und umlaufenden Balkonen hängen Aluminiumelemente an einer leichten Gitterstruktur, die aufgrund ihrer präzisen Detaillierung als baukünstlerisch herausragend gilt. Deshalb wurde das Verwaltungsgebäude vor einigen Jahren unter Schutz gestellt.
Sanierungsfähig oder nicht?
Als nun der Hochtief-Konzern unlängst bekannt gab, er wolle den Denkmalstatus aufheben und das Hochhaus abreissen lassen, war der Protest ähnlich gross wie früher schon beim benachbarten Zürich-Haus. Der Landeskonservator widersetzte sich diesen Wünschen und plädierte vehement für den Erhalt des wertvollen, aber für viele unbequemen Gebäudes. Deshalb wandte sich Hochtief an eine politisch höhere Instanz: Hessens Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Ruth Wagner (FDP), betonte zwar ebenfalls die künstlerische Bedeutung des Gebäudes, gab es aber dennoch zum Abriss frei. Dabei berief sie sich auf ein von Hochtief finanziertes Gutachten.
In diesem Gutachten wird das Gebäude zwar für sanierungsfähig erklärt; es werden jedoch zwei Argumente gegen den Erhalt formuliert. Diese beziehen sich auf Bauschäden an der Fassade und im Fundamentbereich. Da die konstruktiven Betondecken in die Fassaden hinausragen, beginnen die Enden allmählich zu verwittern. Um diese zu sanieren, müsste die gesamte Metallfassade abgenommen werden. Eine spätere Rekonstruktion sei dann nicht mehr als Denkmal einzustufen, erklären die Gutachter und berufen sich auf die Charta von Venedig, die den Schutz von originaler Bausubstanz fordert.
Diese fast vierzig Jahre alte Richtschnur der Denkmalpflege hatte allerdings die jüngsten bautechnischen Entwicklungen nicht voraussehen können, welche Totalsanierungen älterer Hochhäuser möglich machten. Deswegen wird denn auch als Hauptargument für einen Abriss eine Gefährdung des Fundaments genannt, das in einer wasserdichten «schwarzen Wanne» aus Beton ruht. Diese sei zwar intakt, könne bei einer Sanierung jedoch beschädigt werden, zumal das 23-geschossige Hochhaus um zwei Etagen höher als von Eiermann geplant ausgeführt worden sei. Diese Gefahr wurde zwar in einem Gegengutachten angezweifelt, doch die Eigentümerin blieb beim Beschluss, das Hochhaus abzureissen.
Böse Vorahnung
Wie in einer bösen Vorahnung begegnete Eiermann selbst dem Baustoff Beton stets mit Skepsis. Er liebte Stahl. Gerne hätte er daher ein leichtes, an einem zentralen Mast hängendes Stahlhochhaus gebaut, musste aber auf gängige Konstruktionssysteme zurückgreifen. Ihm gelang es zwar, ein elegantes Gebäude zu entwerfen, bezüglich der Lebensdauer von Beton hatte er sich jedoch getäuscht. «Der Stahl ist wegnehmbar. Mit Entsetzen sehe ich diese Bunker und Gebäudemassen aus Beton, von denen ich weiss, dass sie nie verschwinden können.»
Da Bauten der sechziger Jahre lange Zeit kategorisch abgelehnt wurden, erkennt man oftmals die Qualitäten der Meisterwerke unter ihnen erst jetzt. Die besten Beispiele drohen nun aber just in einer Zeit, da eine breitere Würdigung einsetzt, zu verschwinden. Ein Jahr vor Eröffnung der grossen Jubiläumsausstellung zum 100. Geburtstag von Eiermann in Karlsruhe und Berlin ist ausgerechnet ein Bauwerk gefährdet, das bisher kaum dokumentiert wurde. Für Fotografen ist das leer stehende Haus verschlossen, denn der Abriss soll in wenigen Tagen beginnen.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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