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Fuchs und Hase vorm Fenster
Spectrum

Perfekter Rasen, kein einziger rechter Winkel, erbaut von Handwerkern aus der Umgebung: ein Haus, mehr als ein Wochenendhaus, mitten in weitläufiger Landschaft. Besuch im Südburgenland.

17. September 2011 - Liesbeth Waechter-Böhm
Es war im Verlauf einer kleinen Besichtigungstour durch das Südburgenland, als die entscheidenden Worte fielen: von der Natur zur Architektur. Gesprochen hat sie Architekt Traupmann, von Pichler & Traupmann, der in dieser Gegend zu Hause ist. Und sie treffen haarscharf auf zwei größenmäßig relativ bescheidene Projekte des Büros zu, die allerdings an so privilegierten Standorten realisiert wurden, dass man darüber nur ins Schwärmen geraten kann: das eine das Traumhaus schlechthin, das zweite eine Art Mini-Hotelanlage inmitten von Weingärten, man glaubt es eigentlich nicht.

Letzteres heißt „Wohnothek am Ratschen“ – Ratschen ist der Name eines Rieds – und besteht aus zehn versetzt angeordneten Einheiten mit sägerauer Holzfassade, die wunderbaren Wohnkomfort und herrliche Ausblicke bieten. Diese Häuschen oder Kistchen stehen dort wie gewachsen, rundum aus Holz in verschiedener Oberflächenqualität. Man möchte manchen Umwidmungsgegnern ins Stammbuch schreiben: Es ist nicht immer falsch, wenn an Orten gebaut wird, die noch den Charakter des Unberührten, Unberührbaren haben. Es kommt eben darauf an, wie man es macht.

Diese Anlage wurde in keiner explizit touristischen Gegend realisiert. Sie steht aber in Verbindung mit einem Haubenlokal in Deutsch-Schützen, in das sich die architektonische Handschrift von Pichler & Traupmann schon vor Jahren eingetragen hat – Wachter-Wieslers Ratschen –, und auch für Weinreisende ist dieser Standort ideal: Sie können verkosten und auch übernachten, einfacher geht's nicht.

Und dann das Haus. An einem Standort, wo früher ein Weizenfeld war. Auf einem Hügel, ganz allein, fast in der Mittelachse der Blick auf die ferne Burg Güssing. Wiesen, ziemlich weit weg einige Streugehöfte, und dann auch Wald. Ein begnadeter Ort, sozusagen: heilig. Es ist ein weißes Haus, Bio-Swimmingpool vor der Südterrasse, Außenräume in jeder Richtung und äußerst differenziert interpretiert und nutzbar. Es ist mehr als ein Wochenendhaus, auch wenn es nicht der Hauptwohnsitz ist.

Traupmann sagt, bei allen ersten Skizzen ging es immer nur um die Linien, die Konturen des natürlichen Umfelds. Dieses ist in schmalen Streifen terrassiert, eine Folge der Besitzverhältnisse, und das nimmt der Baukörper auch wirklich auf. Es gibt zwar diesen deutlichen Einschnitt zum Haus hin, die Eingangssituation ist Architektur pur, eine künstliche Intervention. Aber auch hier lassen sich schon Korrespondenzen mit der Umgebung ausmachen. Denn wie sich das Haus mit seinen einzelnen räumlichen Elementen staffelt, das nimmt eben doch die Linien, die Konturen der Umgebung auf. Und es führt dazu, dass sich das Gebäude wie auf einer geöffneten Handfläche präsentiert. Man tritt im Unterstock ein, der ins Gelände eingegraben ist und großzügig bemessene Nutzräume bietet. An der Garderobe vorbei kommt man zur Treppe – die erste Besonderheit. Sie ist konisch, sie verengt sich nach oben, um dort das Erlebnis eines offenen Raums umso deutlicher in Szene zu setzen.

Und offen ist diese Wohnsituation wirklich, nicht nur durch viel Glas, es gibt auch kaum Türen. Wohnbereich, Essbereich, Küche – das fließt. Man spürt gewisse Zonierungen, aber muss schon sehr aufmerksam sein, um dahinterzukommen, woher dieser Eindruck rührt. Es sind die Verlegelinien der Eichenbretter auf dem Boden, eine einzige artikulierte Fuge genügt, um doch dieses Feeling zu transportieren, dass ein anderer Raumabschnitt beginnt.
Es gibt übrigens nur zwei Holzarten im Haus – Eiche auf dem Boden, Nuss beim Mobiliar. Und beide Hölzer sind im Wortsinn lokal verwurzelt. Das ist ja überhaupt das Schöne, dass hier Bauherren am Werk waren, die mit größter Ehrfurcht vor der bestehenden Landschaft agiert haben. Mich hat zwar der englische Rasenteppich rund ums Haus unheimlich beeindruckt, so etwas Perfektes sieht man selten (er wurde auch nicht eingesät, es ist Rollrasen, der im Frühsommer verlegt wurde ), aber dieser Rasenteppich definiert nur einen begrenzten, dem Haus unmittelbar zugeordneten Raum. Danach gibt es Naturwiese, die nach den Schäden, die durch so einen Bau unvermeidlich sind, liebevoll wiederhergestellt worden ist und im heurigen Sommer zum ersten Mal ihre volle Blütenpracht entwickelt hat.

Der Architekt hat sich nicht an den rechten Winkel gehalten. Alles im Haus ist zumindest leicht schräg, fast wie verzogen. Man merkt es kaum, man muss ziemlich genau hinschauen. Und es steckt natürlich nicht der Wille zur Schräge als Selbstzweck dahinter, auch da geht es durchaus um die Auseinandersetzung mit dem Umfeld und eine Art „gebaute Konsequenz“ daraus.

Zweitere spürt man im Haus auch noch in anderer Form: Es gibt einen Niveausprung, der den Geländeverlauf draußen im Inneren nachvollzieht und zum privaten Bereich der Bauherren weiterführt, vorbei am Schrankraum, zum Schlafzimmer und zum Bad. Letzteres ist räumlich fast luxuriös ausgefallen, mit integrierter Sauna, und man kann direkt ins Freie und in den Pool.

Das Haus ist kein spezielles Öko- oder Niedrigenergiehaus. Aber auf gewisse Dinge wurde doch geachtet. Etwa wird das Regenwasser in eine Zisterne geleitet und zum Gießen und für die WC-Spülung genutzt. Und es gibt Erdwärme, mit der die Fußbodenheizung und die teilweise vorhandene Wandheizung gespeist wird. Nicht zu vergessen auf den Bio-Pool ohne Chlorwasser.

Das Haus wurde von Handwerkern aus der Umgebung gebaut. Man kann sich vorstellen, dass denen allerhand abverlangt wurde, vor allem ungewöhnliche Präzision. Da verläuft eine Schattenfuge zwischen Decke und Wand, wie mit dem Lineal gezogen. Und natürlich wurde auf Sesselleisten verzichtet, der Anschluss könnte aber nicht perfekter sein. Obendrein hat die Entscheidung für Handwerker aus der Umgebung noch einen Vorteil, den man nicht gering veranschlagen sollte: Wenn es wirklich ein Problem gibt, sind sie gleich da.

Es ist ein sehr, sehr offenes Haus. Mit großen Glasflächen, die sich aufschieben lassen, man wohnt ins Freie hinaus. Und kommt dabei ganz ohne Vorhänge aus: Außer Fuchs und Hase schaut einem hier auch niemand zu.

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