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Das andere Kulturinstitut
Der Standard

Ein Projekt der MAK-Dependance „Schindler House“ in L.A. sorgt für produktive Aufregung: Ein Architekturwettbewerb auf fremdem Grund kratzt am selbstverständlichen Umgang der Amerikaner mit Eigentum und sorgt für Medienrummel abseits von Arnies Kandidatur.

27. August 2003 - Markus Mittringer
West Hollywood - Österreich hat ja zwei Kulturinstitute in den Vereinigten Staaten von Amerika: eines in New York, das vor allem über die komplex unglücklichen Umstände seiner Werdung und sein architektonisch wertvolles, endgültiges Äußeres auf sich aufmerksam gemacht hat, und eines in West Hollywood, Los Angeles, das auch programmatisch Interesse zu wecken aus eigenen Stücken imstande ist - nicht nur hierzulande, sondern genau dort, wo die Mission greifen sollte: in den USA und von dort aus weiter.

Raimund Abrahams Kulturinstitut in New York, das offizielle, hatte von Konzeption an mit der Enge einer Lücke in Manhattan zu leben, Rudolph M. Schindlers, in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gezimmertes Privathaus in Los Angeles - seit 1995 als „MAK Center for Art and Architecture“ höchst selbsttätige Dependance des Wiener Museums für angewandte Kunst (und als solche im Besitz der Republik Österreich) - versucht gerade jetzt ein künftiges Dasein als „gerahmtes“ Kunstwerk zu verhindern.

Ursprünglich für ein semiurbanens - nach allen Seiten hin offenes - Gebiet konzipiert, führt das Schindler House mittlerweile ein Halbinseldasein. Heute, inmitten eines dicht gepackten Wohngebietes zwischen Sunset und Santa Monica Boulevard am Fuß der Hollywood Hills gelegen, ist Schindlers architekturhistorischer Schlüsselbau einseitig von einem Condominium (Eigentumswohnanlage) bedrängt, dessen Scheußlichkeit die Bambushecke um das „Museum“ kaum zu vertuschen vermag.

Und es soll demnächst auch seine verbliebene offene Seite einbüßen - und damit endgültig vom Haus zum Denkmal degradiert werden. Also tat MAK-Direktor Peter Noever in der Heimat der Mutigen unfassbar „Unkorrektes“: Wissend, dass das bislang von einem unauffälligen Einfamilienhaus besetzte Nachbargrundstück an einen Developer verkauft und von diesem optimal verplant wurde, rief er einen Wettbewerb aus, das benachbarte Eigentum - und damit das Fundament US-amerikanischer Moral - infrage zu stellen.

Odile Decq+Benoît Cornette, Peter Eisenman, Zaha Hadid, Coop Himmelb(l)au, Günther Domenig, Mark Mack, Eric Owen Moss, The Next Enterprise, Dominique Perrault, Lebbeus Woods und andere Celebrities der fortgeschrittenen Bauwelt beteiligten sich mit Ideen und Entwürfen an der „feindlichen“ ideellen Übernahme. Wer, wie Frank Gehry, Roberto Gottardi oder Carl Pruscha nicht teilnahm, saß in der Jury. And the winners are: Decq/Cornette, Peter Eisenman, Zaha Hadid Architects.

Bauen wird aller Wahrscheinlichkeit nach keiner. Und die Möglichkeit, das Grundstück einfach zu kaufen und brach liegen zu lassen ist auch zu teuer (für Interessenten: drei Millionen Dollar plus die Kosten bereits getätigter Investitionen). Und dennoch hat dieser Wettbewerb eine zentrale Aufgabe von Architektur erfüllt: Es wurde „site-specific“ gedacht, und nicht orientiert an Profit und bestehenden Bauordnungen.

Genug, hitzige Diskussionen auszulösen, genug für eine Netto-Seite in der New York Verdana. Genug für einen kleinen Clash of Cultures.

Richard Loring heißt der in einer öffentlichen Diskussionsrunde von Wettbewerbsarchitekten und Juroren angegriffene Developer, Lorcan O'Herlihy sein ausführender Architekt. Beide - für Qualität so gut beleumundet, dass etwa Tom Mayne von Morphosis eine Teilnahme am „Wettbewerb“ gegen den Kollegen absagte - verstanden die Wien-geleitete europäische Welt nicht mehr (oder schon wieder nicht). Hatten sie doch alles getan, nicht am Schindler House zu kratzen, hatten in einer Subversion wider das Kapital bloß 18 statt 23 möglicher Apartments geplant, sich unter der Bambushecke geduckt verhalten, brav versucht, den Stil Schindlers zeitgemäß zu adaptieren, und um alles in der Welt keinen Schatten auf das Juwel zu werfen.

Und der Dank: Europa sagt - vertreten durch Odile Decq, Peter Noever und Carl Pruscha -, „verstecken ist ganz feig, überhaupt das Ärgste, zu tun als ob, nachgerade peinlich“. Wenn Zaha Hadid - wider alle Flächenwidmung einen 23-stöckigen Turm ersinnt, dann würde etwa Carl Pruscha sich in dessen Schatten im Schindler House geradezu wohl fühlen. Weil das Einzige, was guter Architektur nichts anhaben kann, so die Juroren, gute, und damit visionäre, nicht anpassungswütige, Architektur ist. Der penibel erarbeitete Kompromiss von O'Herlihy dagegen ein Worst-Case-Scenario. Der Ausgang der Geschichte ist offen, zur Illustration sei Folgendes ins Bewusstsein gerückt: Wie souverän könnte des Erdberger Wittgensteinhaus heute dastehen, wäre es beizeiten gelungen, das bronzeschillernde Büroungetüm in dessen verlängertem Park zu verhindern.

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