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Per Hubschrauber ins Paradies
Der Standard

Am Gardasee baut René Benko eine Gated Community mit Villen von Richard Meier, David Chipperfield & Co. Sieht so der Garten Eden aus?

10. Dezember 2011 - Wojciech Czaja
Auf der einen Seite die kürzlich verliehene Auszeichnung zum Immobilienmanager des Jahres, eine völlig umgekrempelte, fein herausgeputzte Luxus-Shoppingmeile in der Wiener Innenstadt sowie die sich anbahnende Übernahme des deutschen Warenhauses Kaufhof.

Auf der anderen Seite ein plötzlicher nächtlicher Großbrand im künftigen Hotel Park Hyatt Wien, bei dem denkmalgeschützte historische Bausubstanz beschädigt wurde, der jüngst aufgekommene Geldwäsche-Verdacht, den eine Luxemburger Bank äußerte und den die Staatsanwaltschaft bereits seit zwei Jahren untersucht, sowie der einschlägige, imagemäßig wenig schmeichelnde Satz: Es gilt die Unschuldsvermutung.

Der Tiroler Immobilien-Tycoon René Benko, der Mann mit den vielen Ferraris in der Garage, kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus. Der 34-jährige Selfmade-Man, der sein Familienunternehmen Signa Holding zusammen mit dem griechischen Reeder George Economou führt, katapultiert sich von einem Projekt zum nächsten. Die Baulose werden immer größer, die Transaktionen immer fetter.

Im Abseits der großen Milliardengeschäfte entsteht an den Hängen des Gardasees derzeit ein exklusives Villenprojekt mit einem geradezu bescheidenen Baubudget von rund 65 Millionen Euro. Namhafte Architekten aus aller Welt sind an diesem Neo-Paradies beteiligt: Richard Meier, David Chipperfield, Matteo Thun, das Innsbrucker Büro Sphere sowie der Schweizer Landschaftsplaner Enzo Enea. Der Name des luxuriösen Domizils: Villa Eden.

Der Bauzaun steht. Der Erdaushub ist längst erledigt. Und was offiziell als Baucontainer und Baubüro bewilligt wurde, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als nobel eingerichtetes Fertighaus von Matteo Thun, freistehende Badewanne inklusive.

„Offiziell handelt es sich dabei um eine Baubaracke, inoffiziell ist es eine Art Musterhaus“, wird ein Mitarbeiter Benkos später sagen. „Rein gesetzlich müssten wir das Haus bis Bauende wieder abbauen. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Hoffentlich viele Interessenten und Käufer!“

Um die Vermarktung der Villen anzukurbeln, lud Benkos Unternehmen, die Signa Holding, vor ein paar Wochen österreichische und deutsche Pressevertreter zur Projektpräsentation ans norditalienische Wasser. Am Westhang des Gardasees, hoch über Gardone Riviera und nur einen Steinwurf vom denkmalgeschützten Vittoriale, dem einstigen Wohnsitz des italienischen Dichters Gabriele D'Annunzio, entfernt, kaufte Benko Anfang des Jahres eine 78.000 Quadratmeter große Hügelkuppe mit Blick auf den See. Die Journalisten, es war uns nicht zu verübeln, grunzten und glucksten vor visuellem Glück.

„Wir haben das Grundstück einem Investor abgekauft, der hier eine Anlage mit 130 Wohnungen errichten wollte“, erklärt der Signa-Chef. „Doch sein Konzept war das falsche. So ein Bauvorhaben wird einem Markt wie dem Gardasee nicht gerecht. Außerdem hätte er für die Wohnungen nur 4000 bis maximal 5000 Euro pro Quadratmeter erzielen können. Das ist für diese Lage zu wenig.“

Zehn Millionen Euro pro Villa

Benkos Konzept ist viel radikaler. Er lässt sieben Luxusvillen, vier Reihenhäuser und ein Clubhaus errichten. Die nötigen Attraktoren lauten: Landschaft, Luxus und Lifestyle-Architektur. Die Wohnflächen betragen je nach Objekt zwischen 500 und 1200 Quadratmeter. Und das bei einem Verkaufspreis von rund 10.000 Euro für jeden einzelnen davon. Die größten Villen im Garten Eden werden also zwischen zehn und 15 Millionen Euro kosten.

„Ja, das ist viel Geld, und aus diesem Grund richten wir das Angebot an eine entsprechend kaufkräftige Klientel - doch dafür bieten wir auch viel“, sagt Benko. Als Ausgleich für den hohen Preis werde es ein Clubhaus mit Swimmingpool und Wellness-Oase geben, ein Gourmet-Restaurant, Gärtnerei, Reinigungsdienst, einen 24-Stunden-Concierge, einen „Hubschrauber-Landeplatz und alles, was sonst noch so dazugehört“ (O-Ton Benko).

Doch irgendetwas schmeckt an diesem paradiesischen Menü nicht so, wie es sollte. Und das sind die Gänge, die die einzelnen Architekten auftischen. Richard Meier spult sein weiß kariertes Repertoire ab und errichtet wie schon seit Jahrzehnten einen Würfel mit Metallfassade und frei geführtem Edelstahlkamin. Matteo Thun konstruiert ein elegant geformtes Brückenbauwerk aus Beton und Glas, rundherum Oliven und Lavendel. Und Sphere wirft ein paar futuristische Klötze mit riesigen, bündig in der Fassade sitzenden Panoramafenstern ins Gelände.

Alles sehr schön. Nichts zu bekritteln. Und die Visualisierungen machen Appetit. Doch vom charakteristischen Lokalkolorit des Gardasees fehlt bei diesen Bauten jegliche Spur. Der Corriere della Sera schreibt sogar: „Das Projekt Villa Eden nimmt, um ehrlich zu sein, Anleihen an den Feriendörfern der Siebzigerjahre, die (...) für die lombardische Bourgeoisie errichtet wurden. (...) Mit dem großen Unterschied, dass die Villen hier ein Stückchen zeitgenössischer Architektur sind.“

Die einzigen beiden Protagonisten, die nicht gegen die Landschaft bauen, sondern mit ihr, sind David Chipperfield und Enzo Enea. Während Enea sämtliche Bäume dieses ehemaligen Olivenhains vor Baubeginn ausbaggern, in der Baumschule verarzten und anschließend wieder in den nach traditionellem Vorbild rekonstruierten terrassierten Garten einpflanzen will, orientiert sich Chipperfield an den für diese Gegend so typischen Orangerien, an den sogenannten Limonaie.

„Die Landschaft ist geprägt von diesen unverwechselbaren steingemauerten Gewächshäusern, in denen seit Jahrhunderten Zitrusfrüchte gedeihen“, erklärt David Müller, Projektleiter bei Chipperfield. „Wir haben uns entschieden, diese Typologie zu übernehmen und in zeitgenössische Architektur zu übersetzen.“ Was gut ist für die Zitronen, ist auch gut für die Menschen: Luftzirkulation, Beschattung im Hochsommer sowie speicherfähige Masse, die untertags Wärme aufnimmt und bei Nacht wieder abgibt.

Der Ausverkauf des Gardasees

Clevere und feinfühlige Konzepte hin oder her, ein fahler Nachgeschmack bleibt. Schon jetzt bietet der Gardasee, der wegen seines milden, submediterranen Klimas zu den beliebtesten Destinationen der europäischen Hautevolee zählt, kaum noch ein Stück frei zugänglicher Fläche. Das Ufer ist fast zur Gänze privatisiert.

Benko, der durch den Verkauf der Villen einen Gewinn von rund 60 Millionen Euro machen dürfte, errichtet zwar für ein paar Dutzend Bewohner einen Garten Eden, doch gleichzeitig verbaut er die letzten noch intakten Quadratmeter einer vom Ausverkauf bedrohten Kulturlandschaft.

Die Fertigstellung des 65-Millionen-Euro-Projekts, das zur Bewilligung der ökologischen und landschaftlichen Verträglichkeit nach Auskunft der Signa alle Instanzen bis Rom durchlaufen musste, ist für 2013 geplant.

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