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Hochsitz für die Kunst
Höflein an der Hohen Wand: Im Haus des Bildhauers Vadim Kosmatschof und der Textilkünstlerin Elena Koneff werden Kunst und Architektur vereint. Umgeben von Wald und Wiese.
10. Dezember 2011 - Judith Eiblmayr
Die Hohe Wand westlich von Wiener Neustadt könnte man durchaus als den Tafelberg der Wiener bezeichnen. Dieses acht Kilometer lang gestreckte Bergmassiv verfügt über ein bewaldetes Hochplateau, über das viele Wanderwege führen. Seine steilen Felswände im Westen und Süden sind weithin von der Ebene des Wiener Neustädter Beckens auszunehmen und verleihen der Gegend ihr skulpturales Gepräge.
Verständlich, dass sich ein Künstlerpaar von der Landschaft angezogen fühlt und diese als schützendes Hinterland für ihr Refugium wissen möchte. Der Bildhauer Vadim Kosmatschof und die Malerin und Textilkünstlerin Elena Koneff, 1979 aus Moskau nach Österreich emigriert, 20 Schaffensjahre in Deutschland und schließlich wieder in Wien lebend, haben sich den Traum von einem Kunstraum mit Weitblick erfüllt. Gemeinsam mit ihrer Tochter Mascha Veech-Kosmatschof und deren Partner Stuart Veech, die mit „Veech Media Architecture“ eine der wenigen internationalen Architektenformationen der Wiener Szene darstellen, wurde ihnen ein Atelierhaus entworfen, das in passgenauer Form und puristischer Weise einen Ort der Inspiration geschaffen hat. Inspirierend nicht nur für das weitere Arbeiten der beiden Künstler, sondern ebenso als „Kulturmagnet“ für Gäste – um einen Diskurs über die ausgestellten Werke und die Kunst zu bieten.
Vadim Kosmatschofs Lebenswerk ist von großformatigen Stahlplastiken geprägt, die immer im architektonischen oder urbanen Kontext in 15 europäischen Städten aufgestellt wurden. Das Grundstück für das Atelierhaus musste dem Maßstab der Arbeiten entsprechend weitläufig sein, um aus Teilen seines Werkes einen Skulpturengarten bilden zu können. Elena Koneffs Bilder und Gobelins hingegen benötigen neutrale Räume, um zur Geltung zu kommen.
Man machte sich auf die Suche nach einem passenden Bauplatz und wurde in Höflein, am westlichen Ausläufer der Hohen Wand, fündig: eine Wiese am Steilhang, oberhalb und östlich begrenzt von Föhrenwald, den Hang hinab mit einem unverstellten Blick ins Tal hinein auf grüne Bergkuppen und aus dem Tal hinaus bis zum Rosaliengebirge. In einem langen Planungsprozess konnten Varianten durchgedacht werden, um in der Auseinandersetzung mit dem genius loci die Idealform zu entwickeln. Noch während der wegen der Hanglage komplexen Bauarbeiten wurden Adaptionen vorgenommen, um das erwünschte Zusammenspiel von Innen und Außen, von Werkstatt, Wohn- und Ausstellungsraum zu optimieren.
Der Baukörper ist parallel zum Hang lang gestreckt, auf sieben Meter Tiefe in diesen eingeschoben und seitlich mit anthrazitfarbenen metallischen Platten verkleidet. Er liegt sieben Meter über dem Niveau der Zufahrtsstraße und verfügt über ein breites Plateau als Vorbereich zum Haus hin. Die Geländekante ist so weit vorgezogen, dass vom Innenraum aus die an der Straße liegenden Nachbarhäuser nicht sichtbar sind und nur die umgebende Landschaft im sicheren Abstand als malerisches Gegenüber ausgebildet wird.
Auf einer Länge von 40 Metern sind die halb öffentlichen Räume des Gebäudes additiv angeordnet: Im Westen liegt die Werkstatt als eigene, von außen begehbare Einheit. Daran anschließend liegen die Küche mit Essplatz, ein kleines Bad, die Stiege ins Obergeschoß und ein großer Galerieraum mit Kaminplatz, der zum Ausstellen der Werke und als Denk- und Diskursraum funktionieren soll. Ein Depot für die Kunstwerke markiert das östliche Ende des Sockelbauwerks.
Während der Atelierraum rundum geschlossen ist und über ein verglastes Dach zur Belichtung und zur Raumerweiterung verfügt, sind die Wohnräume mit einer durchlaufenden Verglasung zum Vorplatz hin versehen. Darüber schwebt mittig die weit auskragende, quer zum Hang stehende weiße Box und bildet darunter eine Loggia aus. Im Obergeschoß befinden sich die Schlafräume, das Wohnzimmer und eine Terrasse auf dem Flachdach des Erdgeschoßes. Auch dieser Außenraum bietet Privatsphäre, eingebettet zwischen der Brüstungsmauer, der Stützmauer zum höher liegenden Skulpturengarten und dem Waldesrand, wo die Pinien einen immergrünen „Schutzwald“ darstellen.
So einfach das Konzept der quergestellten Schachtel auf dem Dach des Atelierhauses klingt, so subtil ist seine architektonische Wirkung verstärkt, was sich erst vom oberhalb liegenden Skulpturengarten aus offenbart: Das Obergeschoß ist nicht orthogonal, sondern um acht Grad rautenförmig verschoben. Was von oben „ganz schön schräg“ aussieht, ist von unten als lediglich spürbares Phänomen wahrnehmbar. Ein spannendes Moment, denn das Auge wird getäuscht, nimmt Dynamik wahr, wo Schwerkraft herrscht, und lässt die enorme Weite der Auskragung vergessen.
Im Innenraum sind die zwei parallel verschobenen Außenwände sichtbar, doch nicht irritierend, sondern die räumliche Spannung steigernd. Die seitlichen Wände sind mit blickdichtem, transluzentem Glas versehen, und so ist die Blickrichtung über die Längsachse vorgegeben, das Naturschauspiel wird inszeniert und dadurch einem – wofür Veeches Architektur bekannt ist – gerichteten „framing“ unterworfen.
Die Natur als Bezugsgröße im Koordinatensystem dieser Architektur wird nicht nur in Form und Einbettung des Atelierhauses in dieselbe ersichtlich, sondern auch in der Funktion: An drei Seiten in die Erde eingegraben, muss wenig geheizt werden, die aufliegende weiße Box spendet Schatten im Erdgeschoß und garantiert einen kühlenden Luftzug durch das ganze Haus. Naturbezüge liegen auch im Wesen der künstlerischen Arbeiten von Vadim Kosmatschof, und so fanden Kunst und Architektur im innerfamiliären Klima von gelebter Kooperation und gegenseitigem Respekt zueinander.
Ein Hochsitz für die Kunst an der Hohen Wand, in unaufgeregter, anspruchsvoller Gestalt als Treffpunkt zur Kunstvermittlung: eine mehrfache Kulturleistung einer kosmopolitischen Familie mitten in Niederösterreich.
Verständlich, dass sich ein Künstlerpaar von der Landschaft angezogen fühlt und diese als schützendes Hinterland für ihr Refugium wissen möchte. Der Bildhauer Vadim Kosmatschof und die Malerin und Textilkünstlerin Elena Koneff, 1979 aus Moskau nach Österreich emigriert, 20 Schaffensjahre in Deutschland und schließlich wieder in Wien lebend, haben sich den Traum von einem Kunstraum mit Weitblick erfüllt. Gemeinsam mit ihrer Tochter Mascha Veech-Kosmatschof und deren Partner Stuart Veech, die mit „Veech Media Architecture“ eine der wenigen internationalen Architektenformationen der Wiener Szene darstellen, wurde ihnen ein Atelierhaus entworfen, das in passgenauer Form und puristischer Weise einen Ort der Inspiration geschaffen hat. Inspirierend nicht nur für das weitere Arbeiten der beiden Künstler, sondern ebenso als „Kulturmagnet“ für Gäste – um einen Diskurs über die ausgestellten Werke und die Kunst zu bieten.
Vadim Kosmatschofs Lebenswerk ist von großformatigen Stahlplastiken geprägt, die immer im architektonischen oder urbanen Kontext in 15 europäischen Städten aufgestellt wurden. Das Grundstück für das Atelierhaus musste dem Maßstab der Arbeiten entsprechend weitläufig sein, um aus Teilen seines Werkes einen Skulpturengarten bilden zu können. Elena Koneffs Bilder und Gobelins hingegen benötigen neutrale Räume, um zur Geltung zu kommen.
Man machte sich auf die Suche nach einem passenden Bauplatz und wurde in Höflein, am westlichen Ausläufer der Hohen Wand, fündig: eine Wiese am Steilhang, oberhalb und östlich begrenzt von Föhrenwald, den Hang hinab mit einem unverstellten Blick ins Tal hinein auf grüne Bergkuppen und aus dem Tal hinaus bis zum Rosaliengebirge. In einem langen Planungsprozess konnten Varianten durchgedacht werden, um in der Auseinandersetzung mit dem genius loci die Idealform zu entwickeln. Noch während der wegen der Hanglage komplexen Bauarbeiten wurden Adaptionen vorgenommen, um das erwünschte Zusammenspiel von Innen und Außen, von Werkstatt, Wohn- und Ausstellungsraum zu optimieren.
Der Baukörper ist parallel zum Hang lang gestreckt, auf sieben Meter Tiefe in diesen eingeschoben und seitlich mit anthrazitfarbenen metallischen Platten verkleidet. Er liegt sieben Meter über dem Niveau der Zufahrtsstraße und verfügt über ein breites Plateau als Vorbereich zum Haus hin. Die Geländekante ist so weit vorgezogen, dass vom Innenraum aus die an der Straße liegenden Nachbarhäuser nicht sichtbar sind und nur die umgebende Landschaft im sicheren Abstand als malerisches Gegenüber ausgebildet wird.
Auf einer Länge von 40 Metern sind die halb öffentlichen Räume des Gebäudes additiv angeordnet: Im Westen liegt die Werkstatt als eigene, von außen begehbare Einheit. Daran anschließend liegen die Küche mit Essplatz, ein kleines Bad, die Stiege ins Obergeschoß und ein großer Galerieraum mit Kaminplatz, der zum Ausstellen der Werke und als Denk- und Diskursraum funktionieren soll. Ein Depot für die Kunstwerke markiert das östliche Ende des Sockelbauwerks.
Während der Atelierraum rundum geschlossen ist und über ein verglastes Dach zur Belichtung und zur Raumerweiterung verfügt, sind die Wohnräume mit einer durchlaufenden Verglasung zum Vorplatz hin versehen. Darüber schwebt mittig die weit auskragende, quer zum Hang stehende weiße Box und bildet darunter eine Loggia aus. Im Obergeschoß befinden sich die Schlafräume, das Wohnzimmer und eine Terrasse auf dem Flachdach des Erdgeschoßes. Auch dieser Außenraum bietet Privatsphäre, eingebettet zwischen der Brüstungsmauer, der Stützmauer zum höher liegenden Skulpturengarten und dem Waldesrand, wo die Pinien einen immergrünen „Schutzwald“ darstellen.
So einfach das Konzept der quergestellten Schachtel auf dem Dach des Atelierhauses klingt, so subtil ist seine architektonische Wirkung verstärkt, was sich erst vom oberhalb liegenden Skulpturengarten aus offenbart: Das Obergeschoß ist nicht orthogonal, sondern um acht Grad rautenförmig verschoben. Was von oben „ganz schön schräg“ aussieht, ist von unten als lediglich spürbares Phänomen wahrnehmbar. Ein spannendes Moment, denn das Auge wird getäuscht, nimmt Dynamik wahr, wo Schwerkraft herrscht, und lässt die enorme Weite der Auskragung vergessen.
Im Innenraum sind die zwei parallel verschobenen Außenwände sichtbar, doch nicht irritierend, sondern die räumliche Spannung steigernd. Die seitlichen Wände sind mit blickdichtem, transluzentem Glas versehen, und so ist die Blickrichtung über die Längsachse vorgegeben, das Naturschauspiel wird inszeniert und dadurch einem – wofür Veeches Architektur bekannt ist – gerichteten „framing“ unterworfen.
Die Natur als Bezugsgröße im Koordinatensystem dieser Architektur wird nicht nur in Form und Einbettung des Atelierhauses in dieselbe ersichtlich, sondern auch in der Funktion: An drei Seiten in die Erde eingegraben, muss wenig geheizt werden, die aufliegende weiße Box spendet Schatten im Erdgeschoß und garantiert einen kühlenden Luftzug durch das ganze Haus. Naturbezüge liegen auch im Wesen der künstlerischen Arbeiten von Vadim Kosmatschof, und so fanden Kunst und Architektur im innerfamiliären Klima von gelebter Kooperation und gegenseitigem Respekt zueinander.
Ein Hochsitz für die Kunst an der Hohen Wand, in unaufgeregter, anspruchsvoller Gestalt als Treffpunkt zur Kunstvermittlung: eine mehrfache Kulturleistung einer kosmopolitischen Familie mitten in Niederösterreich.
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