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Panama will Bilbao werden
Panama steht für Drogen und Bauboom - und spielte auch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Erde. Daran will man erinnern, mit dem Museo de la Biodiversidad, geplant von FrankGehry.
31. März 2012 - Michael Marek, Sven Weniger
Emblematischer könnte seine Lage nicht sein. Links die Skyline mit ihren gläsernen, hoch aufschießenden Bürotürmen und der kolonialen Altstadt. Rechts die Einfahrt zum berühmten Kanal. Hier, von der Avenida Amador, fällt der Blick auf die Geschichte Panamas am Schnittpunkt zweier Kontinente: auf seine Entdeckung und Entwicklung, auf seine Perspektiven für die Zukunft. Und genau hier entsteht auch der Ort, der Panamas einzigartige und bis heute nahezu unbekannte Bedeutung für die Evolution der Erde ins rechte Licht rücken soll: Das Museo de la Biodiversidad, Frank Gehrys Museum für Artenvielfalt, ist das erste Projekt des kanadisch-amerikanischen Architekten in Lateinamerika.
Die langgestreckte Form des Museums stelle eine „Brücke des Lebens“ dar, erklärt Museumsdirektor Líder Sucre: „In Panama entstand vor Millionen Jahren die Verbindung zwischen Nord- und Südamerika. Zahlreiche Pflanzen- und Tierarten verbreiteten sich über diese Landbrücke von Nord nach Süd und umgekehrt.“ Diese Geschichte will das Museum von Frank Gehry erzählen. Der bunte Baukörper sei ein Symbol für Panamas vielfältige Flora und Fauna, sagt Sucre.
Man muss kein Prophet sein: Der ungewöhnliche Museumsbau hat das Zeug zum Publikumsmagneten. Gehry gilt als schillernde Figur der internationalen Architekturszene. Mit seinen Entwürfen des Guggenheim-Museums in Bilbao, des Music Experience Project in Seattle, der Walt Disney Hall in Los Angeles oder des Gehry Tower in Hannover hat er sich den Ruf eines Dekonstruktivisten erworben. Seine Museen, Büro- und Wohntürme faszinieren und polarisieren zugleich, unberührt bleibt niemand. Für die einen gehört Gehry zu den großen Baumeistern unserer Zeit. Für seine Kritiker hingegen gleichen die Gebäude hurrikangepflügten Skulpturen. Immer der gleiche Gehry, nur eine andere Stadt, lautet ihr Vorwurf an den Pritzker-Preisträger.
Sein Profil ist asymmetrisch
Hier an der Küstenpromenade in Panama-Stadt erhebt sich kein mächtiges Gehry-Gebäude, das mit Titanplatten eine glitzernde Fassade vorweist, sondern ein verspielt-konstruiertes Bauwerk: „Sein Profil ist asymmetrisch, es gibt eine Art fliegendes Dach mit ungewöhnlichen Farben und Flächen“, sagt Sucre. Dieses Puzzle aus blauen, gelben, grünen und roten Formen sei eine Metapher für das Dach des Regenwaldes. Die Besucher sollten sich fühlen, als ob sie zwischen riesigen Bäumen stünden. Zum Glück fehlen die typischen, weil zum Einheitsoutfit verkommenen Gehry-Wellen, keine blendende Architektur, stattdessen dominieren Ecken und Kanten.
Keine blendende Architektur
Wie alle Gehry-Bauten erschließt sich das Museo de la Biodiversidad nur langsam, zumal der Bau noch nicht ganz fertiggestellt ist. An manchen Stellen liegen Betonteile auf der Baustelle, spitzwinklig zulaufende Stahlträger der Dachkonstruktion ragen in den Himmel. Gehrys asymmetrischer Entwurf sei für Ingenieure wie Bauarbeiter eine große Herausforderung, so Sucre: „Wir mussten uns verpflichten, die gleichen Standards einzuhalten wie bei seinen Entwürfen in Europa, in Japan oder im Nahen Osten.“ Was übersetzt wohl heißen soll: Gehry ist misstrauisch und befürchtet Pfusch am Prestigeprojekt. Auch ein Stararchitekt hat schließlich seinen Stolz.
Dafür hat Gehry die für ihn so typischen Ausstellungsräume entworfen: Es gibt keinen Mittelpunkt, keinen zentralen Raum, um die sich alles gruppiert. Spitze Winkel, Nischen, fallende Wände, schräge Decken und große, asymmetrische Fensterfronten folgen einander in schnellem Wechsel. Hinter jeder Ecke eröffnet sich eine neue Perspektive. Mächtige Steinsäulen und wuchtige Gewölbe prallen auf gekippte Betonwände und Böden - ein Museum ohne 90-Grad-Winkel, aber mit großem Vermarktungspotenzial für Panama.Líder Sucre lächelt, ein Leuchten erstrahlt auf seinem Gesicht, wenn er über Panamas Artenvielfalt spricht, eine der größten weltweit. In den Nebel- und Regenwäldern des Landes wachsen rund 10.000 tropische Pflanzenarten. Das Museum solle vor allem den Amerikanern nahebringen, dass die Natur ein Wert an sich sei, dass der Regenwald nicht nur eine wirtschaftliche Bedeutung habe. Für Europäer sei das selbstverständlich, aber in Nord- und Südamerika gebe es wenig Umweltbewusstsein, erklärt der 43-Jährige, und er weiß, wovon er spricht. Denn Sucre arbeitet auch als Umweltaktivist für die Erhaltung des Regenwaldes.
Brad & Angelina
Die Innengestaltung hat der kanadische Designer Bruce Mau entworfen. In acht Stationen erzählt er die Geschichte der Landbrücke, von der Entstehung und dem Austausch der Tierarten bis zu den Auswirkungen auf Weltklima, Ozeane und Menschheit. 4600 Quadratmeter Fläche stehen dafür zur Verfügung, also weniger als die Größe eines Fußballfeldes. Es gibt Installationen und Skulpturen, einen Garten aus Basaltblöcken, Galerien und Aquarien, eine Rampe des Lebens mit Sensorial Effects. Aber keine Angst, beschwichtigt Sucre, es wer- de keine Multimedia-Überwältigungsästhetik geben. Das sei schließlich ganz im Sinne des Architekten: „Gehry hat uns Folgendes erklärt: Was immer im Museum zu sehen sein wird, der Inhalt muss größer und wichtiger sein als das Gebäude selbst. Die Ausstellungen sollen die Besucher mehr beeindrucken als mein Museum! Ihr müsst mir beweisen, dass ihr dazu in der Lage seid.“ Seines pathetischen Sprachgebrauchs entkleidet heißt das nichts anderes: Hoffentlich wird es nicht so wie in Bilbao! In die baskische Industriestadt pilgern jährlich hunderttausende Touristen, um das Museumsgehäuse zu bestaunen. Die Kunst drinnen ist allenfalls Zugabe. Außen Jahrmarkt, in den heiligen Hallen Kurzbesuch mit Latte macchiato.Das Interesse an dem Projekt ist riesig, nicht nur in Panama selbst. Besucher aus aller Welt kommen schon vor der Museumseröffnung. Touristen, Architekten, Journalisten. Brad Pitt, Angelina Jolie sowie der Nobelpreisträger, Umweltaktivist und ehemalige US-Vizepräsident Al Gore waren bereits hier und haben dem Projekt zu Publicity verholfen. Celebreties für Artenvielfalt, das macht sich immer gut. Vor allem Panama erhofft sich mit der Eröffnung des Museums einen Anstieg der Touristenzahlen. Líder Sucre rechnet mit Mehreinnahmen für Panama von jährlich bis zu 60 Millionen Dollar. Da seien die Baukosten des Museums in gleicher Höhe schnell wieder reingeholt, so seine Rechnung. Taxifahrer, Restaurants, Künstler, Hoteliers, sie alle würden vom Museum profitieren, sagt Sucre, neue Arbeitsplätze würden entstehen. Die gleiche Entwicklung wie in Bilbao erhoffe er sich auch für Panama. Einen Teil der Kosten muss das Museum selbst aufbringen. Es gibt eine Stiftung, die vom Smithsonian Institute unterstützt wird. Den größten Teil aber bezahlt der panamaische Staat, kein Pappenstiel für ein Land mit gerade einmal drei Millionen Einwohnern, erklärt Sucre. Angesichts der Armut unter der Bevölkerung abseits der Metropole würde nicht jeder dem Projekt zustimmen. Auch deshalb gibt es regelmäßig Streit, jede neue Regierung stelle das Projekt wieder infrage wie zuletzt im September 2011. Auch deshalb hinken die Bauarbeiten seit Jahren hinter dem Zeitplan hinterher. Noch immer residieren Sucre und sein Team in einer Lagerhalle neben der Baustelle. Eigentlich sollte das Museum bereits 2010 eröffnet werden - pünktlich zum Uno-Jahr der Artenvielfalt. Doch der Termin musste mehrfach verschoben werden. Zum Jahreswechsel 2012/2013 soll es nun endlich so weit sein.
Die langgestreckte Form des Museums stelle eine „Brücke des Lebens“ dar, erklärt Museumsdirektor Líder Sucre: „In Panama entstand vor Millionen Jahren die Verbindung zwischen Nord- und Südamerika. Zahlreiche Pflanzen- und Tierarten verbreiteten sich über diese Landbrücke von Nord nach Süd und umgekehrt.“ Diese Geschichte will das Museum von Frank Gehry erzählen. Der bunte Baukörper sei ein Symbol für Panamas vielfältige Flora und Fauna, sagt Sucre.
Man muss kein Prophet sein: Der ungewöhnliche Museumsbau hat das Zeug zum Publikumsmagneten. Gehry gilt als schillernde Figur der internationalen Architekturszene. Mit seinen Entwürfen des Guggenheim-Museums in Bilbao, des Music Experience Project in Seattle, der Walt Disney Hall in Los Angeles oder des Gehry Tower in Hannover hat er sich den Ruf eines Dekonstruktivisten erworben. Seine Museen, Büro- und Wohntürme faszinieren und polarisieren zugleich, unberührt bleibt niemand. Für die einen gehört Gehry zu den großen Baumeistern unserer Zeit. Für seine Kritiker hingegen gleichen die Gebäude hurrikangepflügten Skulpturen. Immer der gleiche Gehry, nur eine andere Stadt, lautet ihr Vorwurf an den Pritzker-Preisträger.
Sein Profil ist asymmetrisch
Hier an der Küstenpromenade in Panama-Stadt erhebt sich kein mächtiges Gehry-Gebäude, das mit Titanplatten eine glitzernde Fassade vorweist, sondern ein verspielt-konstruiertes Bauwerk: „Sein Profil ist asymmetrisch, es gibt eine Art fliegendes Dach mit ungewöhnlichen Farben und Flächen“, sagt Sucre. Dieses Puzzle aus blauen, gelben, grünen und roten Formen sei eine Metapher für das Dach des Regenwaldes. Die Besucher sollten sich fühlen, als ob sie zwischen riesigen Bäumen stünden. Zum Glück fehlen die typischen, weil zum Einheitsoutfit verkommenen Gehry-Wellen, keine blendende Architektur, stattdessen dominieren Ecken und Kanten.
Keine blendende Architektur
Wie alle Gehry-Bauten erschließt sich das Museo de la Biodiversidad nur langsam, zumal der Bau noch nicht ganz fertiggestellt ist. An manchen Stellen liegen Betonteile auf der Baustelle, spitzwinklig zulaufende Stahlträger der Dachkonstruktion ragen in den Himmel. Gehrys asymmetrischer Entwurf sei für Ingenieure wie Bauarbeiter eine große Herausforderung, so Sucre: „Wir mussten uns verpflichten, die gleichen Standards einzuhalten wie bei seinen Entwürfen in Europa, in Japan oder im Nahen Osten.“ Was übersetzt wohl heißen soll: Gehry ist misstrauisch und befürchtet Pfusch am Prestigeprojekt. Auch ein Stararchitekt hat schließlich seinen Stolz.
Dafür hat Gehry die für ihn so typischen Ausstellungsräume entworfen: Es gibt keinen Mittelpunkt, keinen zentralen Raum, um die sich alles gruppiert. Spitze Winkel, Nischen, fallende Wände, schräge Decken und große, asymmetrische Fensterfronten folgen einander in schnellem Wechsel. Hinter jeder Ecke eröffnet sich eine neue Perspektive. Mächtige Steinsäulen und wuchtige Gewölbe prallen auf gekippte Betonwände und Böden - ein Museum ohne 90-Grad-Winkel, aber mit großem Vermarktungspotenzial für Panama.Líder Sucre lächelt, ein Leuchten erstrahlt auf seinem Gesicht, wenn er über Panamas Artenvielfalt spricht, eine der größten weltweit. In den Nebel- und Regenwäldern des Landes wachsen rund 10.000 tropische Pflanzenarten. Das Museum solle vor allem den Amerikanern nahebringen, dass die Natur ein Wert an sich sei, dass der Regenwald nicht nur eine wirtschaftliche Bedeutung habe. Für Europäer sei das selbstverständlich, aber in Nord- und Südamerika gebe es wenig Umweltbewusstsein, erklärt der 43-Jährige, und er weiß, wovon er spricht. Denn Sucre arbeitet auch als Umweltaktivist für die Erhaltung des Regenwaldes.
Brad & Angelina
Die Innengestaltung hat der kanadische Designer Bruce Mau entworfen. In acht Stationen erzählt er die Geschichte der Landbrücke, von der Entstehung und dem Austausch der Tierarten bis zu den Auswirkungen auf Weltklima, Ozeane und Menschheit. 4600 Quadratmeter Fläche stehen dafür zur Verfügung, also weniger als die Größe eines Fußballfeldes. Es gibt Installationen und Skulpturen, einen Garten aus Basaltblöcken, Galerien und Aquarien, eine Rampe des Lebens mit Sensorial Effects. Aber keine Angst, beschwichtigt Sucre, es wer- de keine Multimedia-Überwältigungsästhetik geben. Das sei schließlich ganz im Sinne des Architekten: „Gehry hat uns Folgendes erklärt: Was immer im Museum zu sehen sein wird, der Inhalt muss größer und wichtiger sein als das Gebäude selbst. Die Ausstellungen sollen die Besucher mehr beeindrucken als mein Museum! Ihr müsst mir beweisen, dass ihr dazu in der Lage seid.“ Seines pathetischen Sprachgebrauchs entkleidet heißt das nichts anderes: Hoffentlich wird es nicht so wie in Bilbao! In die baskische Industriestadt pilgern jährlich hunderttausende Touristen, um das Museumsgehäuse zu bestaunen. Die Kunst drinnen ist allenfalls Zugabe. Außen Jahrmarkt, in den heiligen Hallen Kurzbesuch mit Latte macchiato.Das Interesse an dem Projekt ist riesig, nicht nur in Panama selbst. Besucher aus aller Welt kommen schon vor der Museumseröffnung. Touristen, Architekten, Journalisten. Brad Pitt, Angelina Jolie sowie der Nobelpreisträger, Umweltaktivist und ehemalige US-Vizepräsident Al Gore waren bereits hier und haben dem Projekt zu Publicity verholfen. Celebreties für Artenvielfalt, das macht sich immer gut. Vor allem Panama erhofft sich mit der Eröffnung des Museums einen Anstieg der Touristenzahlen. Líder Sucre rechnet mit Mehreinnahmen für Panama von jährlich bis zu 60 Millionen Dollar. Da seien die Baukosten des Museums in gleicher Höhe schnell wieder reingeholt, so seine Rechnung. Taxifahrer, Restaurants, Künstler, Hoteliers, sie alle würden vom Museum profitieren, sagt Sucre, neue Arbeitsplätze würden entstehen. Die gleiche Entwicklung wie in Bilbao erhoffe er sich auch für Panama. Einen Teil der Kosten muss das Museum selbst aufbringen. Es gibt eine Stiftung, die vom Smithsonian Institute unterstützt wird. Den größten Teil aber bezahlt der panamaische Staat, kein Pappenstiel für ein Land mit gerade einmal drei Millionen Einwohnern, erklärt Sucre. Angesichts der Armut unter der Bevölkerung abseits der Metropole würde nicht jeder dem Projekt zustimmen. Auch deshalb gibt es regelmäßig Streit, jede neue Regierung stelle das Projekt wieder infrage wie zuletzt im September 2011. Auch deshalb hinken die Bauarbeiten seit Jahren hinter dem Zeitplan hinterher. Noch immer residieren Sucre und sein Team in einer Lagerhalle neben der Baustelle. Eigentlich sollte das Museum bereits 2010 eröffnet werden - pünktlich zum Uno-Jahr der Artenvielfalt. Doch der Termin musste mehrfach verschoben werden. Zum Jahreswechsel 2012/2013 soll es nun endlich so weit sein.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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