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Himmelstürmende Gebäude
Neue Zürcher Zeitung

Eine Ausstellung in der Londoner Royal Academy

Obwohl sie sich im Stadtbild oft gefährlich exponieren, vermögen Wolkenkratzer nach wie vor zu faszinieren. Die spektakuläre, von Norman Foster im Rahmen der sonst jeweils eher zahmen Sommerausstellung der Royal Academy of Arts inszenierte Präsentation von zwei utopischen Hochhausstädten erregt zurzeit in London die Gemüter.

15. Juli 2003 - Georges Waser
Zu den Nachwirkungen der Katastrophe vom 11. September 2001 gehört die Diskussion, wie sinnvoll das fortgesetzte Bauen von gigantischen Wohn- und Bürotürmen in einer von Terroranschlägen geprägten Zeit überhaupt ist. Einen Beitrag zu diesem Thema liefert gegenwärtig in London die in die traditionelle Sommerausstellung der Royal Academy of Arts eingebettete Show «Sky High: Vertical Architecture». Als Kurator amtiert kein Geringerer als der international gefeierte Architekt Norman Foster. Und wie es von ihm zu erwarten war, huldigt Foster mit «Sky High» dem Spektakel: In einem dunklen Raum, auf einem riesigen, entzweigeschnittenen Podium - in dessen Mitte sich der Besucher wie beim Durchschreiten eines Cañons vorkommt - ragen die beleuchteten Modelle von fünfzig Hochbauten aus aller Welt empor. Geordnet sind diese Modelle lose, das heisst einzig nach dem Kriterium Ost und West. Auf der einen Seite stehen Bauten aus Sydney, Seoul und Schanghai dicht nebeneinander, auf der anderen solche aus Europa und Amerika, so dass man, wie es Foster wohl wollte, vorübergehend dem Eindruck erliegt, mit «East» und «West» zwei Phantasiestädte vor sich zu haben.

Foster weist darauf hin, der Umstand, dass von den einzelnen Architekten Modelle in den verschiedensten Massstäben geliefert wurden, habe ihn zuerst irritiert. Schliesslich aber nutzte er dieses Dilemma, liess sich doch damit der surrealistische Effekt der Ausstellung steigern. So ragen hier die Kanchanjunga Apartments von Bombay, in Wirklichkeit nur 84 Meter hoch, über das 321 Meter hohe Hotel «Burj al Arab» bei Dubai hinaus, weil das erstere Modell im Massstab 1:50, das letztere hingegen im Massstab 1:250 ausgeführt wurde. Interessant ist auch, dass Cesar Pellis vor sechs Jahren vollendete Petronas Towers von Kuala Lumpur - mit 452 Metern noch immer die höchsten Türme der Welt - sich neben den sie umgebenden, aus Singapur und Tokio kommenden Modellen schon fast wie ein nostalgischer Tribut an das goldene Zeitalter der New Yorker Wolkenkratzer ausnehmen. Andere, durch Grünflächen aufgelockerte Bauten wie zum Beispiel der «Verbena Heights»-Wohnkomplex aus Hongkong gehören hingegen einer apokalyptischen Vision an: Der Besucher versucht sie sich ohne menschliches Leben, einer ausser Rand und Band geratenen Natur ausgeliefert, vorzustellen - das Resultat ist traumbildähnlich, fast wie die Landschaft in Tarkowskis Film «Stalker».

In Fosters Worten sind hohe Gebäude «a vital component of the future city». Der Besucher der Ausstellung stellt denn auch schnell einmal fest, dass es wenig bringt, für oder gegen Wolkenkratzer zu sein - die entscheidende Frage ist letztlich einzig, ob ein solcher Bau gut oder schlecht ist und ob er am richtigen Ort steht. Diese Frage provozieren in der Show nicht zuletzt vier Modelle für das neue World Trade Center (es fehlt leider das Siegerprojekt von Libeskind) sowie, zum Vergleich, das Modell von Minoru Yamasakis ursprünglichen Zwillingstürmen. Im Sektor «West» ist es auch, wo Foster den Besuchern sein Argument, ein guter Wolkenkratzer müsse einfallsreich sein, eindrücklich vor Augen führt, und zwar mit den Modellen für Frank Lloyd Wrights nie verwirklichte «city-in-the-sky», die eine Meile hoch hätte werden müssen, sowie für das 1930 fertig gestellte Chrysler Building. Als eines der schönsten Bauwerke New Yorks stellt es noch heute in Manhattan einen Blickfang dar.

Zweifellos wird die «Sky High»-Show in London noch lang diskutiert werden, ist doch hier das Für und Wider bezüglich Hochhäusern in jüngster Zeit zu einer regelrechten Schlacht ausgeartet. Man denke nur: Norman Fosters Swiss Re Tower - auch dieser bereichert die Ausstellung - ist der einzige in den letzten zwanzig Jahren in Central London entstandene Wolkenkratzer. Können dereinst «vertikale Städte», wie Foster glaubt, die zu ihrer Versorgung notwendige Energie selbst erzeugen, werden solche Citys irgendwann nicht mehr nur eine Vision sein wie in der Ausstellung die arbiträr zum urbanen Organismus geordneten Metropolen «East» und «West». An Gebäuden, die den Wind nutzen, sei es in vertikalen Schächten, sei es mittels Propellern in schwindelnder Höhe, fehlt es unter den Modellen in der Londoner Show jedenfalls nicht. Unmittelbar denkt man daran, wie sich das Kino der dreissiger Jahre von der damaligen Architektur inspirieren liess - und folgert, dass in Hollywood wohl auch der eine oder andere Designer die jetzt von der Londoner Ausstellung unterstrichene Attraktivität vertikaler Städte zu nutzen weiss.


[Bis zum 10. August. Begleitpublikation: Sky High: Vertical Architecture. Hrsg. Chris Abel. Mit einer Einleitung von Norman Foster. RA Publications, London 2003. 120 S., £ 12.95.]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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