Artikel
Die Antwort auf gesellschaftlichen Wandel
Die Antwort zumindest der deutschen Urbanisten auf den weithin unberechenbaren gesellschaftlichen Wandel heißt Stadtumbau.
23. Juni 2003 - Harald Bodenschatz
Ein Begriff, der vor wenigen Jahren - außer im Zusammenhang mit dem „ökologischen Stadtumbau“ - noch keine besondere Bedeutung hatte, heute aber in aller Munde ist.
Eine erstaunliche Karriere! Beflügelt wurde der Begriff durch ein staatliches Förderprogramm gleichen Namens: „Stadtumbau Ost“ (seit 2002) und - weil es so gut ankommt - nun auch „Stadtumbau West“. Das Leitbild für den Stadtumbau ist - wie alle städtebaulichen Leitbilder - sehr schillernd: Ziel ist die „Rettung“ oder die (mehr oder minder „kritische“) Rekonstruktion der traditionellen Stadt, der kompakten Stadt, bzw., wie gerne in Deutschland gesagt wird, der „europäischen Stadt“.
Zentrum als Höhepunkt
Die traditionelle Stadt ist weniger ein analytischer Begriff als ein städtebauliches Programm. Ihr werden Merkmale wie eine relativ hohe bauliche Dichte, ein vernetztes System öffentlicher Räume, eine soziale, funktionale und architektonische Mischung sowie eine räumliche Hierarchie mit einem Zentrum als Höhepunkt zugeschrieben.
Die konkrete europäische Stadt ist in diesem Sinne die materielle Interpretation ihrer jeweils besonderen Geschichte, die es zu erhalten, an neue Anforderungen anzupassen bzw. zu reproduzieren gilt. Die Beschwörung der traditionellen Stadt ist zugleich eine Absage an die Stadt der „Nachkriegsmoderne“ und an die „amerikanische Stadt“.
Was heißt „Stadtumbau“?
Was verbirgt sich aber praktisch hinter dem Begriff „Stadtumbau“? Damit sind heute folgende drei große Aktionsfelder gemeint: erstens der Umbau der Zentren, lange Zeit auch als „Revitalisierung“ bezeichnet; zweitens der Umbau von brach gefallenen, nicht mehr genutzten Flächen, gerne auch „Konversion“ genannt; sowie drittens der Umbau der großen, monofunktionalen Siedlungen des Sozialen Wohnungsbaus, früher als „Nachbesserung“ bekannt.
Zentrum im Mittelpunkt des Interesses
Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht der Umbau der Zentren der großen Städte. Wohin dieser gehen wird, deutet sich bereits an: Das Großstadtzentrum der Zukunft wird das Zentrum einer suburbanisierten Stadtregion sein. Aber nicht als ein Fragment neben anderen, sondern als Zentrum neuer Art, in dem sich die Suburbaniten zuhause fühlen.
Das städtebauliche Programm des Zentrumsumbaus: Der öffentliche Raum wird für Fußgänger wieder gewonnen, verschönert bzw. neu geschaffen. Spektakuläre Entertainment- und Kulturkomplexe werden neu gebaut oder in historische Gebäude implantiert. Die Nutzungen werden besser gemischt, vor allem wird auch in zentraler Lage attraktiver Wohnraum für Besserverdienende geschaffen. Das Zentrum brummt rund um die Uhr („24-Stunden-Stadt“), die Stadt orientiert sich - wo immer möglich - zum Wasser, und sei es nur zu einem brackigen, nicht immer wohlriechenden Kanal. Das städtische Grün wird erweitert und qualifiziert. Schließlich wird das städtebauliche Erbe sorgfältig gepflegt und mit historistischen Rekonstruktionen angereichert. Dazu kommen Aufsehen erregende Neubauten, die bierernst oder fröhlich Zukunftsfähigkeit symbolisieren.
Zweites Top-Thema: „Konversion“
Das zweite Top-Thema des Stadtumbaus betrifft die „Konversion“. In, am Rande und außerhalb der Innenstädte sind in den letzten Jahrzehnten riesige Gebiete brach gefallen. Wie können diese einer neuen Nutzung zugeführt werden? Durch eine Ausweitung der traditionellen Stadt oder durch gänzlich neue Strukturen?
Rückbau ehemaliger Massenwohnquartiere
Vor allem in Deutschland hat Stadtumbau seit kurzem eine dritte Bedeutung erhalten: die Anpassung der großen Wohnquartiere des industrialisierten, sozialen Massenwohnungsbaus an veränderte Bedarfe.
Der „Stadtumbau Ost“ dient in erster Linie dem Abbruch von „Plattenbauten“, denen die Bewohner abhanden gekommen sind. Stadtumbau heißt hier „Rückbau“, also Abbau von nicht mehr nachgefragtem Wohnungsbestand. Stadtumbau antwortet in dieser Optik auf den dramatischen Einwohnerverlust, auf die „schrumpfende Stadt“. Rückbau und städtebauliche Integration der ehemaligen Massenwohnquartiere sind die vielleicht härteste Herausforderung für die europäischen Städte, vor allem, aber nicht nur in Osteuropa.
[Den Originalbeitrag von Harald Bodenschatz finden Sie in architektur aktuell, Österreichs größter Architekturzeitschrift.]
Eine erstaunliche Karriere! Beflügelt wurde der Begriff durch ein staatliches Förderprogramm gleichen Namens: „Stadtumbau Ost“ (seit 2002) und - weil es so gut ankommt - nun auch „Stadtumbau West“. Das Leitbild für den Stadtumbau ist - wie alle städtebaulichen Leitbilder - sehr schillernd: Ziel ist die „Rettung“ oder die (mehr oder minder „kritische“) Rekonstruktion der traditionellen Stadt, der kompakten Stadt, bzw., wie gerne in Deutschland gesagt wird, der „europäischen Stadt“.
Zentrum als Höhepunkt
Die traditionelle Stadt ist weniger ein analytischer Begriff als ein städtebauliches Programm. Ihr werden Merkmale wie eine relativ hohe bauliche Dichte, ein vernetztes System öffentlicher Räume, eine soziale, funktionale und architektonische Mischung sowie eine räumliche Hierarchie mit einem Zentrum als Höhepunkt zugeschrieben.
Die konkrete europäische Stadt ist in diesem Sinne die materielle Interpretation ihrer jeweils besonderen Geschichte, die es zu erhalten, an neue Anforderungen anzupassen bzw. zu reproduzieren gilt. Die Beschwörung der traditionellen Stadt ist zugleich eine Absage an die Stadt der „Nachkriegsmoderne“ und an die „amerikanische Stadt“.
Was heißt „Stadtumbau“?
Was verbirgt sich aber praktisch hinter dem Begriff „Stadtumbau“? Damit sind heute folgende drei große Aktionsfelder gemeint: erstens der Umbau der Zentren, lange Zeit auch als „Revitalisierung“ bezeichnet; zweitens der Umbau von brach gefallenen, nicht mehr genutzten Flächen, gerne auch „Konversion“ genannt; sowie drittens der Umbau der großen, monofunktionalen Siedlungen des Sozialen Wohnungsbaus, früher als „Nachbesserung“ bekannt.
Zentrum im Mittelpunkt des Interesses
Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht der Umbau der Zentren der großen Städte. Wohin dieser gehen wird, deutet sich bereits an: Das Großstadtzentrum der Zukunft wird das Zentrum einer suburbanisierten Stadtregion sein. Aber nicht als ein Fragment neben anderen, sondern als Zentrum neuer Art, in dem sich die Suburbaniten zuhause fühlen.
Das städtebauliche Programm des Zentrumsumbaus: Der öffentliche Raum wird für Fußgänger wieder gewonnen, verschönert bzw. neu geschaffen. Spektakuläre Entertainment- und Kulturkomplexe werden neu gebaut oder in historische Gebäude implantiert. Die Nutzungen werden besser gemischt, vor allem wird auch in zentraler Lage attraktiver Wohnraum für Besserverdienende geschaffen. Das Zentrum brummt rund um die Uhr („24-Stunden-Stadt“), die Stadt orientiert sich - wo immer möglich - zum Wasser, und sei es nur zu einem brackigen, nicht immer wohlriechenden Kanal. Das städtische Grün wird erweitert und qualifiziert. Schließlich wird das städtebauliche Erbe sorgfältig gepflegt und mit historistischen Rekonstruktionen angereichert. Dazu kommen Aufsehen erregende Neubauten, die bierernst oder fröhlich Zukunftsfähigkeit symbolisieren.
Zweites Top-Thema: „Konversion“
Das zweite Top-Thema des Stadtumbaus betrifft die „Konversion“. In, am Rande und außerhalb der Innenstädte sind in den letzten Jahrzehnten riesige Gebiete brach gefallen. Wie können diese einer neuen Nutzung zugeführt werden? Durch eine Ausweitung der traditionellen Stadt oder durch gänzlich neue Strukturen?
Rückbau ehemaliger Massenwohnquartiere
Vor allem in Deutschland hat Stadtumbau seit kurzem eine dritte Bedeutung erhalten: die Anpassung der großen Wohnquartiere des industrialisierten, sozialen Massenwohnungsbaus an veränderte Bedarfe.
Der „Stadtumbau Ost“ dient in erster Linie dem Abbruch von „Plattenbauten“, denen die Bewohner abhanden gekommen sind. Stadtumbau heißt hier „Rückbau“, also Abbau von nicht mehr nachgefragtem Wohnungsbestand. Stadtumbau antwortet in dieser Optik auf den dramatischen Einwohnerverlust, auf die „schrumpfende Stadt“. Rückbau und städtebauliche Integration der ehemaligen Massenwohnquartiere sind die vielleicht härteste Herausforderung für die europäischen Städte, vor allem, aber nicht nur in Osteuropa.
[Den Originalbeitrag von Harald Bodenschatz finden Sie in architektur aktuell, Österreichs größter Architekturzeitschrift.]
Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom