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Zurück in die Zukunft
Der Vergleich zum tristen Dahinvegetieren von Bad Gastein oder Baden bei Wien drängt sich auf – aber um wie viel besser bewältigte man ähnliche Herausforderungen im Schwarzwald. Der Kurort Wildbad: eine Visite.
16. März 2013 - Iris Meder
Es war einmal der Stolz des kleinen Kurortes Wildbad im Nordschwarzwald: das Neue Eberhardsbad, 1977 eröffnet, über polygonalem terrassiertem Grundriss im Geiste der Stuttgarter Moderne an den Berghang im Tal des Flüsschens Enz geschmiegt. Das angrenzende „alte“ Graf-Eberhard-Bad am Kurplatz wurde geschlossen – am liebsten wollte man es abreißen. Dabei hatte der vom Hofbaumeister Nikolaus Thouret im seinerzeit topaktuellen neobyzantinisch-romanischen „Rundbogenstil“ geplante, mit dem ortstypischen roten Sandstein verkleidete Bau 130 Jahre zuvor den Weltruhm Wildbads begründet.
Im knietiefen warmen Schwefelwasser liegend, machten Politiker, Künstler und Monarchen das Schwarzwalddorf zum Modebad der englischen und russischen Aristokratie – nicht so großkotzig wie Baden-Baden und Karlsbad, feiner, bescheidener, ein wenig schwäbischer halt. Eine anglikanische Kirche und ein Moghul-Tempelchen standen für Weltläufigkeit, im Kurpark sah man zwischen Zaren, Kaisern und Komponisten Königin Olga von Württemberg, die, „wenn sie die Anlagen mit ihrem Windspiel durchschritt, der stolzen pfeilschnellen Artemis gleichsah“. Den Garaus machte dem international vorbildhaften Bad die große Kurwesenkrise um 1960. Mit dem Bau eines weiteren Thermalschwimmbades am gegenüberliegenden Berghang schien der historistische Bau mit seinen kleinen Becken obsolet.
Nach fast zwanzigjährigem Leerstand traf man schließlich die kluge Entscheidung, das Bad zu restaurieren und in seiner ursprünglichen Funktion wieder in Betrieb zu nehmen. Heute, nach der erfolgreichen Etablierung eines Rossini-Festivals im historischen Kurtheater, einer S-Bahn-Anbindung nach Karlsruhe und Stuttgart und dem Bau einer neuen Rheumaklinik, steht das Kurmittelzentrum Neues Eberhardsbad leer, während der nun den etwas dämlichen Namen „Palais Thermal“ tragende Altbau nach wie vor von Gästen aus Süddeutschland und dem nahen Frankreich gestürmt wird. Sein einziges Manko war das Fehlen eines Außenbeckens.
Dafür fand das schwäbische Architekturbüro Kauffmann Theilig & Partner eine vorbildliche Lösung. Da der obere Teil des Bades textilfreie Zone ist, galt es die neuen Außenbereiche vom Badhotel und dem tristen leer stehenden Kurmittelzentrum abzuschirmen, gleichzeitig aber die spektakuläre Aussicht auf die Schwarzwaldhänge mit ihren Kurhäusern und Bergbahnen nicht zu verbauen. Dazu wurden Teile der Terrassen des Kurmittelzentrums den neuen Freibereichen zugeschlagen, die zwischen die Dächer der beiden bestehenden Bauten eingepasst wurden. Einen leichten, quasi schwebenden Sicht- und Witterungsschutz bietet eine als weithin sichtbares Zeichen des erneuerten Bades fungierende Zeltkonstruktion, wie man sie von den Bauten der Olympischen Spiele in München 1972 kennt – nicht umsonst wurden diese vom in Stuttgart tätigen Günter Behnisch konstruiert, bei dem die Gründer des Büros ihr Handwerk gelernt haben. So kann man die lichtdurchlässige weiße Polyestermembran der Badüberdachung auch als eine Hommage an den während der Planungsphase verstorbenen Behnisch sehen. Die Vorgehensweise der Architekten ist dieselbe, die auch bei der Restaurierung der 1990er-Jahre angewendet wurde: Respekt vor dem historischen Bestand, gekoppelt mit entschieden zeitgenössischer Gestaltung in den neuen Bereichen. Das Ergebnis ist überzeugend: eine vielfältige begehbare, abends subtil beleuchtete Landschaft mit Treppen, Wasserbecken und Innenräumen über und zwischen den Dächern des Kurortes, die Oberflächen hand- und fußschmeichelnd mit Eschen- und Ulmenholz belegt. Die statische und infrastrukturelle Ertüchtigung des einzigartigen historischen Badetempels ließ sich das Land Baden-Württemberg als Bauherr rund drei Millionen Euro kosten. Zu hoffen bleibt, dass für den architektonisch durchaus anspruchsvollen 1970er-Jahre-Bau des Kurmittelzentrums bald eine neue Nutzung gefunden wird.
Der Vergleich zum tristen Dahinvegetieren der Kurortinfrastruktur von Bad Gastein, vor allem aber zu Baden drängt sich auf – auch hier hatte der Ort seine Glanzzeit Mitte des 19. Jahrhunderts. Architektonisch kann Baden mit bedeutenden Bauten der Architekten Joseph Kornhäusel, Charles de Moreau sowie Sicardsburg/van der Nüll aufwarten. Man ließ hier allerdings die Chance ungenutzt, die Bäderbauten des 19. Jahrhunderts zumindest teilweise in ihrer ursprünglichen Funktion zu belassen – bis auf ein privates Hamam dient heute keines der kleinen Badner Bäder mehr Badezwecken. Moreaus Frauenbad wurde von den Architekten Lottersberger-Messner-Dumpelnik zum Arnulf-Rainer-Museum umgebaut, im Leopoldsbad ist das Tourismusamt, im Josefsbad ein Café untergebracht. Vom Mineralschwimmbad von Sicardsburg/van der Nüll wurden homöopathische Reste in Form des Foyers und einer Loggia im Freibereich der Sauna in die heutige Römertherme integriert. Erhalten hat sich einzig das 1926 eröffnete spätsecessionistische Strandbad. Im Zeitalter Developer-geplanter Kommerzthermen sind dessen unverwechselbare Architektur und Atmosphäre wie die des Wildbader Thermalbades ein unschätzbarer Wert.
Im knietiefen warmen Schwefelwasser liegend, machten Politiker, Künstler und Monarchen das Schwarzwalddorf zum Modebad der englischen und russischen Aristokratie – nicht so großkotzig wie Baden-Baden und Karlsbad, feiner, bescheidener, ein wenig schwäbischer halt. Eine anglikanische Kirche und ein Moghul-Tempelchen standen für Weltläufigkeit, im Kurpark sah man zwischen Zaren, Kaisern und Komponisten Königin Olga von Württemberg, die, „wenn sie die Anlagen mit ihrem Windspiel durchschritt, der stolzen pfeilschnellen Artemis gleichsah“. Den Garaus machte dem international vorbildhaften Bad die große Kurwesenkrise um 1960. Mit dem Bau eines weiteren Thermalschwimmbades am gegenüberliegenden Berghang schien der historistische Bau mit seinen kleinen Becken obsolet.
Nach fast zwanzigjährigem Leerstand traf man schließlich die kluge Entscheidung, das Bad zu restaurieren und in seiner ursprünglichen Funktion wieder in Betrieb zu nehmen. Heute, nach der erfolgreichen Etablierung eines Rossini-Festivals im historischen Kurtheater, einer S-Bahn-Anbindung nach Karlsruhe und Stuttgart und dem Bau einer neuen Rheumaklinik, steht das Kurmittelzentrum Neues Eberhardsbad leer, während der nun den etwas dämlichen Namen „Palais Thermal“ tragende Altbau nach wie vor von Gästen aus Süddeutschland und dem nahen Frankreich gestürmt wird. Sein einziges Manko war das Fehlen eines Außenbeckens.
Dafür fand das schwäbische Architekturbüro Kauffmann Theilig & Partner eine vorbildliche Lösung. Da der obere Teil des Bades textilfreie Zone ist, galt es die neuen Außenbereiche vom Badhotel und dem tristen leer stehenden Kurmittelzentrum abzuschirmen, gleichzeitig aber die spektakuläre Aussicht auf die Schwarzwaldhänge mit ihren Kurhäusern und Bergbahnen nicht zu verbauen. Dazu wurden Teile der Terrassen des Kurmittelzentrums den neuen Freibereichen zugeschlagen, die zwischen die Dächer der beiden bestehenden Bauten eingepasst wurden. Einen leichten, quasi schwebenden Sicht- und Witterungsschutz bietet eine als weithin sichtbares Zeichen des erneuerten Bades fungierende Zeltkonstruktion, wie man sie von den Bauten der Olympischen Spiele in München 1972 kennt – nicht umsonst wurden diese vom in Stuttgart tätigen Günter Behnisch konstruiert, bei dem die Gründer des Büros ihr Handwerk gelernt haben. So kann man die lichtdurchlässige weiße Polyestermembran der Badüberdachung auch als eine Hommage an den während der Planungsphase verstorbenen Behnisch sehen. Die Vorgehensweise der Architekten ist dieselbe, die auch bei der Restaurierung der 1990er-Jahre angewendet wurde: Respekt vor dem historischen Bestand, gekoppelt mit entschieden zeitgenössischer Gestaltung in den neuen Bereichen. Das Ergebnis ist überzeugend: eine vielfältige begehbare, abends subtil beleuchtete Landschaft mit Treppen, Wasserbecken und Innenräumen über und zwischen den Dächern des Kurortes, die Oberflächen hand- und fußschmeichelnd mit Eschen- und Ulmenholz belegt. Die statische und infrastrukturelle Ertüchtigung des einzigartigen historischen Badetempels ließ sich das Land Baden-Württemberg als Bauherr rund drei Millionen Euro kosten. Zu hoffen bleibt, dass für den architektonisch durchaus anspruchsvollen 1970er-Jahre-Bau des Kurmittelzentrums bald eine neue Nutzung gefunden wird.
Der Vergleich zum tristen Dahinvegetieren der Kurortinfrastruktur von Bad Gastein, vor allem aber zu Baden drängt sich auf – auch hier hatte der Ort seine Glanzzeit Mitte des 19. Jahrhunderts. Architektonisch kann Baden mit bedeutenden Bauten der Architekten Joseph Kornhäusel, Charles de Moreau sowie Sicardsburg/van der Nüll aufwarten. Man ließ hier allerdings die Chance ungenutzt, die Bäderbauten des 19. Jahrhunderts zumindest teilweise in ihrer ursprünglichen Funktion zu belassen – bis auf ein privates Hamam dient heute keines der kleinen Badner Bäder mehr Badezwecken. Moreaus Frauenbad wurde von den Architekten Lottersberger-Messner-Dumpelnik zum Arnulf-Rainer-Museum umgebaut, im Leopoldsbad ist das Tourismusamt, im Josefsbad ein Café untergebracht. Vom Mineralschwimmbad von Sicardsburg/van der Nüll wurden homöopathische Reste in Form des Foyers und einer Loggia im Freibereich der Sauna in die heutige Römertherme integriert. Erhalten hat sich einzig das 1926 eröffnete spätsecessionistische Strandbad. Im Zeitalter Developer-geplanter Kommerzthermen sind dessen unverwechselbare Architektur und Atmosphäre wie die des Wildbader Thermalbades ein unschätzbarer Wert.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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