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Das Stück Heimat in der Hand
Urlaub machen heißt: Quartier beziehen in einer fremden Welt. In Nobelherbergen, Landgasthäusern oder Kuranstalten. Meist ist die Bleibe auf Zeit ein gesichtsloses Einerlei: ein „Hotel ohne Seele“.
5. August 1995 - Vera Purtscher
Das Glück, „zu Hause“ zu sein. Heimat zu spüren. Identität. Hingehören. Dazugehören. Und doch: Nun urlaubt es allerorten. Keiner will mehr zu Hause sein, die temporäre Massenflucht hat wieder mit voller Wucht eingesetzt. Und schon findet man sich in einer anderen Welt? Monddestinationen werden ja noch nicht angeboten. Unser Planet ist groß und geheimnisvoll genug, daß er selbst in einem langen Menschenleben nicht restlos oder auch nur halbwegs entdeckt zu werden vermag. Und wer will denn ewig rastlos sein? Da heißt es auch: Verweile! Die selbstauferlegte Eintönigkeit der verstreichenden Tage – Gratwanderung zwischen Langeweile und erholsamer Ruhe. Addition von Tagen, Wiederholung von Aktivitäten, die eher Passivitäten genannt werden sollten.
So das regelmäßige Zum-Essen-Gehen. Ausspeisung. Abspeisung? Sich möglichst rasch aus der dominanten Vertikalen in Sitzposition begeben, von den dienstbaren Geistern nun besser überschaubar. Essen: Bedürfnisbefriedigung? Bedürfnis? Hunger? Gusto? Appetit? Wo ist die Gier? Die Lust? Kalorienminimierung, Gewichtskontrolle, Konditionssteigerung. Reglementierung – so weit das Auge reicht. Je weniger kontrolliert, beherrscht, gesittet, desto unappetitlicher. (Wie der ißt! Grauslich!) Hingegen: wohlgeübt und kontrolliert das Vergnügen zelebrieren, „genüßlich“ die Köstlichkeiten für den Gaumen preisen, Komplimente feilhalten. Die gleichförmig verrinnenden Stunden und Tage: Urlaube bieten keinen Rückzug ins Gewohnte, in das Sicherheit Verleihende.
Die Anonymität des Hotelzimmers. Nur zögernd wird es von uns in Besitz genommen. Lediglich die herumliegende Wäsche und die verstreuten Bücher zeugen davon. Der eben erst abgereiste „Vorgänger“ wird ins Nichts entlassen; der nächste Gast ist schon vergessen, bevor er seine Koffer ausgepackt hat. Das Hotelzimmer: ein Raum, der nur der Funktionserfüllung dient.
Geschäftstüchtige Dienstleistung. Und die „Seele“ des Raumes? Wer braucht schon so etwas beängstigend Undefinierbares? „Seele“ hat der Gast. Hat er sie wirklich? Und die Atmosphäre des Raumes? Klingt nach Atmen und Kosmos. Beides verängstigt: Spricht man vom Atmen, geht der Atem plötzlich nicht mehr spontan, sondern stockend. Unangenehm. Und Kosmos klingt nach Unendlichkeit und Tod. Auch das beeinträchtigt die Urlaubslaune.
So neutral gehaltene, funktionstüchtige Hotelräume entsprechen also dem „neutralen“ Gast – er ist nicht wirklich stark, das ist er zu Hause; aber auch nicht wirklich schwach. Denn: Er ist ja König als Gast, und Könige sind mächtig. Denn Geld regiert die Welt, noch so eine Redensart. Entsprechen soll er, der Raum für den Gast. Nicht widersprechen, nicht ansprechen. Entsprechen. Der Gast kann bleiben. Bleiben! Das Hotel ist eine „Bleibe“. Wer spricht denn von „Absteige“? Das liegt doch viele Stufen darunter und impliziert außerdem Aktivität: ab-steigen. Oder vielleicht doch auch Passivität: von etwas – vielleicht dem Leben – gestoßen werden. Das Bild jedenfalls ist klar: tief unten, abgestiegen – vielleicht sogar „vom hohen Roß“.
In der Absteige reibt sich so manche Gestalt an der andern. Und so verlieren dort neutrale Räume ihre Sterilität. Ein Schnarchen hier, ein Räuspern dort; Gestank; das erzwungene Gespräch – was immer. Absteige ist „Übervölkerung“, ist Schäbiges, Billiges.
Und der „Naturmensch“? Unter Gottes freiem Himmel – und doch im Zelt. Dieses leuchtende Orange schmerzt im Auge; Natur unter und über den synthetischen Teilen. Der Tee wird im knallblauen Gaskocher zubereitet, den man mitgeschleppt hat. „Dieses griechische Joghurt, welch unverdorbener Ziegenmilchgenuß!“ Im Plastikbecher natürlich. Das eine Messer, mit dem alles geschnitten wird, hinterläßt die Spuren des davor Geschnittenen. Abwaschen; die Haare waschen – Shampoo in Gottes freier Natur; Spülmittel und Becher zurücklassen. Zusammenpacken. Ordnen. Schlichten. Schleppen. Das Stück Heimat am Buckel. Schneckenhausmentalität. Naturverbunden? Offen? Einfach? Wohin nun mit uns anspruchsvollen Welten-Hetzern (denn zum Bummeln hat ja keiner mehr Zeit)?
Wir suchen Authentizität an dem Ort, an dem wir bleiben wollen. Ein klarer Rahmen, in den wir uns einfügen können, ohne Widerstände, ohne Krämpfe. Selbstverständlichkeit befreit. Man lese in „Der Liebhaber ohne festen Wohnsitz“ von Fruttero und Lucentini nach, was ein perfekter Portier ist – und, nicht zu vergessen, was ein perfekter Gast. Routine benötigen beide, und Erfahrung. So bürde ich die Verantwortung nicht allein dem Hotelier auf.
Im Gegenteil: Der Gast muß seinen Teil der Rolle genauso beherrschen. Je besser, desto geglückter der Aufenthalt. Sollten in Zukunft vielleicht Kurse angeboten werden: Wie verhält sich der perfekte Gast? Wer weiß. Vielleicht habe ich mit meinen kritischen Bemerkungen eine Marktnische entdeckt. Romantik-Hotels, Designer-Hotels, Nobel-Hotels, Fitneß-Anstalten, Kur-Häuser, Gast-Häuser, Jugend-Herbergen, Fremden-Zimmer. Hunderte Möglichkeiten, während seiner kostbaren Urlaubstage Logis zu nehmen.
Dieser Raum, den man für begrenzte Zeit in „Besitz“ nimmt, kann nicht jedem Gast zu 100 Prozent entsprechen. So wird oft ein fades Einerlei gewählt, das 100 Prozent der Gäste nicht wirklich gefällt. Daß solche Räume für den kurzfristigen Aufenthalt trotz der Bescheidenheit an Quadratmetern, Material und Equipment auch Qualität haben können, bewiesen und beweisen Architekten immer wieder. Le Corbusier zum Beispiel, der das Dominikanerkloster La Tourette in der Nähe von Lyon entworfen hat – mit 100 Zimmern für Studenten und Professoren und der notwendigen Infrastruktur.
Für Beherbergungsbauten gelten dieselben Regeln wie sonst auch in der Architektur: Reagieren auf die Lage, die Umgebung, die natürlichen Gegebenheiten; Proportionen; räumliche und funktionelle Qualitäten; Materialwahl, Ausführungsqualität und Detaillösungen.
Wenn die Bauaufgabe aber lautet, Räume für Erholungsuchende zu schaffen, dann ist kühle Erfüllung von Bedürfnissen, dann ist die reine Zweckmäßigkeit vielleicht doch zuwenig. Einen Ort zum Verkriechen braucht man möglicherweise genauso wie einen, an dem man sich in Pose werfen kann. Wo man beobachten kann und selber gesehen werden kann. Dunklere Zonen sind also vonnöten, lichtdurchflutete ebenso.
Ein klar definiertes Zentrum, das eine gewisse Großzügigkeit verlangt, ist nicht nur im Hinblick auf die funktionellen Erfordernisse wichtig. Und der Gast wünscht sich, schon wenn er sich ans Rezeptionspult lehnt, ein Mobiliar, das sich angenehm anfühlt. Für die stark beanspruchten Räume gilt es, strapazfähige Oberflächen zu schaffen, damit sie nicht rasch unappetitlich wirken. Bei der Gestaltung der Oberflächen muß aber das Raumklima im Auge behalten werden. Um eine angenehme Raumstimmung zu erzeugen, bedarf es des sensiblen Umgangs mit Material, Oberfläche, Farbe und Licht. Es wird für den Gast gebaut, er soll sich schließlich wohl fühlen. In einem Dienstleistungsbetrieb gehört auch die freundliche Bedienung zum Wohlfühlen – die Architektur kann nur trachten, auch für die Arbeitenden beste räumliche Voraussetzungen zu schaffen. Freundlich müssen sie dann aber schon selber sein.
Was kann des Reisens Ziel nur sein? Quartier beziehen in einer fremden Welt – deren Fremdheit ich respektiere, vielleicht gerade suche und die mich in meinem Anderssein nur soweit „erschüttert“, daß ich sie als positive Erweiterung meines Erfahrungsschatzes erleben kann.
Touristen sind wir alle. Piraten somit, Schatzräuber. Die dabei den Schatz, von dem sie träumen, gleichzeitig zerstören. Was ist Erholung? Re-lax: re = wieder; lax = nachlässig, schlaff, locker. Re-creation = Wieder-Errichtung, Wieder-Aufbau. So lebt der Tourismus von Zerstörung. Nicht nur von der der Landschaft; er lebt auch von den „Zerstörten“, die da kommen.
Von den „Gästen“. Die „Gäste“: ein temporäre Gemeinschaft unter gemeinsamem Dach. Würde nun dieses Dach auch den Besitzer beherbergen, hätte es vielleicht auch individuelle Züge. Ist es aber ein zu einer großen Maschinerie angewachsener Betrieb, läuft die Betreuung des Gastes fließbandmäßig ab. Und neutral eben.
A uf der Suche nach Glück. Leben wie Gott in Frankreich. Bleibt die Frage, ob der Tourist im Urlaub „lebt“ oder Funktionen erfüllt. Bleibt die Frage, ob Animation, welcher Art auch immer, nicht nur ein Ziel verfolgt: die Urlaubstage zu füllen. Damit man dann erstaunt feststellen kann, daß es Zeit ist, zurückzukehren. Alle sind froh: die Animatoren über den Gästewechsel – neues Publikum, alte Späße, neuer Applaus; die Heimkehrer, weil der Urlaub „ausgefüllt“ war – erholt, zurück-geholt ins alte Sein. Erinnerungen auf Endlosvideos. Das sind Beweise, Belege, Dokumente, die bleiben.
Und sonst? Die Bleibe am Urlaubsort. Sie bleibt, wo sie ist. Bestätigungen (die Eintrittskarten von Museen etwa) – Erinnerungen? Die Nostalgie? („Heimweh“ bedeutet das Wort im Französischen und Italienischen). Ja, soll denn, fragt man sich, irgend etwas bleiben? Bleibende Erinnerung? Steht das nicht auf dem Grabstein? So vergilbt der Urlaub schon beim Verlassen des Hotels. Schemen bleiben.
So das regelmäßige Zum-Essen-Gehen. Ausspeisung. Abspeisung? Sich möglichst rasch aus der dominanten Vertikalen in Sitzposition begeben, von den dienstbaren Geistern nun besser überschaubar. Essen: Bedürfnisbefriedigung? Bedürfnis? Hunger? Gusto? Appetit? Wo ist die Gier? Die Lust? Kalorienminimierung, Gewichtskontrolle, Konditionssteigerung. Reglementierung – so weit das Auge reicht. Je weniger kontrolliert, beherrscht, gesittet, desto unappetitlicher. (Wie der ißt! Grauslich!) Hingegen: wohlgeübt und kontrolliert das Vergnügen zelebrieren, „genüßlich“ die Köstlichkeiten für den Gaumen preisen, Komplimente feilhalten. Die gleichförmig verrinnenden Stunden und Tage: Urlaube bieten keinen Rückzug ins Gewohnte, in das Sicherheit Verleihende.
Die Anonymität des Hotelzimmers. Nur zögernd wird es von uns in Besitz genommen. Lediglich die herumliegende Wäsche und die verstreuten Bücher zeugen davon. Der eben erst abgereiste „Vorgänger“ wird ins Nichts entlassen; der nächste Gast ist schon vergessen, bevor er seine Koffer ausgepackt hat. Das Hotelzimmer: ein Raum, der nur der Funktionserfüllung dient.
Geschäftstüchtige Dienstleistung. Und die „Seele“ des Raumes? Wer braucht schon so etwas beängstigend Undefinierbares? „Seele“ hat der Gast. Hat er sie wirklich? Und die Atmosphäre des Raumes? Klingt nach Atmen und Kosmos. Beides verängstigt: Spricht man vom Atmen, geht der Atem plötzlich nicht mehr spontan, sondern stockend. Unangenehm. Und Kosmos klingt nach Unendlichkeit und Tod. Auch das beeinträchtigt die Urlaubslaune.
So neutral gehaltene, funktionstüchtige Hotelräume entsprechen also dem „neutralen“ Gast – er ist nicht wirklich stark, das ist er zu Hause; aber auch nicht wirklich schwach. Denn: Er ist ja König als Gast, und Könige sind mächtig. Denn Geld regiert die Welt, noch so eine Redensart. Entsprechen soll er, der Raum für den Gast. Nicht widersprechen, nicht ansprechen. Entsprechen. Der Gast kann bleiben. Bleiben! Das Hotel ist eine „Bleibe“. Wer spricht denn von „Absteige“? Das liegt doch viele Stufen darunter und impliziert außerdem Aktivität: ab-steigen. Oder vielleicht doch auch Passivität: von etwas – vielleicht dem Leben – gestoßen werden. Das Bild jedenfalls ist klar: tief unten, abgestiegen – vielleicht sogar „vom hohen Roß“.
In der Absteige reibt sich so manche Gestalt an der andern. Und so verlieren dort neutrale Räume ihre Sterilität. Ein Schnarchen hier, ein Räuspern dort; Gestank; das erzwungene Gespräch – was immer. Absteige ist „Übervölkerung“, ist Schäbiges, Billiges.
Und der „Naturmensch“? Unter Gottes freiem Himmel – und doch im Zelt. Dieses leuchtende Orange schmerzt im Auge; Natur unter und über den synthetischen Teilen. Der Tee wird im knallblauen Gaskocher zubereitet, den man mitgeschleppt hat. „Dieses griechische Joghurt, welch unverdorbener Ziegenmilchgenuß!“ Im Plastikbecher natürlich. Das eine Messer, mit dem alles geschnitten wird, hinterläßt die Spuren des davor Geschnittenen. Abwaschen; die Haare waschen – Shampoo in Gottes freier Natur; Spülmittel und Becher zurücklassen. Zusammenpacken. Ordnen. Schlichten. Schleppen. Das Stück Heimat am Buckel. Schneckenhausmentalität. Naturverbunden? Offen? Einfach? Wohin nun mit uns anspruchsvollen Welten-Hetzern (denn zum Bummeln hat ja keiner mehr Zeit)?
Wir suchen Authentizität an dem Ort, an dem wir bleiben wollen. Ein klarer Rahmen, in den wir uns einfügen können, ohne Widerstände, ohne Krämpfe. Selbstverständlichkeit befreit. Man lese in „Der Liebhaber ohne festen Wohnsitz“ von Fruttero und Lucentini nach, was ein perfekter Portier ist – und, nicht zu vergessen, was ein perfekter Gast. Routine benötigen beide, und Erfahrung. So bürde ich die Verantwortung nicht allein dem Hotelier auf.
Im Gegenteil: Der Gast muß seinen Teil der Rolle genauso beherrschen. Je besser, desto geglückter der Aufenthalt. Sollten in Zukunft vielleicht Kurse angeboten werden: Wie verhält sich der perfekte Gast? Wer weiß. Vielleicht habe ich mit meinen kritischen Bemerkungen eine Marktnische entdeckt. Romantik-Hotels, Designer-Hotels, Nobel-Hotels, Fitneß-Anstalten, Kur-Häuser, Gast-Häuser, Jugend-Herbergen, Fremden-Zimmer. Hunderte Möglichkeiten, während seiner kostbaren Urlaubstage Logis zu nehmen.
Dieser Raum, den man für begrenzte Zeit in „Besitz“ nimmt, kann nicht jedem Gast zu 100 Prozent entsprechen. So wird oft ein fades Einerlei gewählt, das 100 Prozent der Gäste nicht wirklich gefällt. Daß solche Räume für den kurzfristigen Aufenthalt trotz der Bescheidenheit an Quadratmetern, Material und Equipment auch Qualität haben können, bewiesen und beweisen Architekten immer wieder. Le Corbusier zum Beispiel, der das Dominikanerkloster La Tourette in der Nähe von Lyon entworfen hat – mit 100 Zimmern für Studenten und Professoren und der notwendigen Infrastruktur.
Für Beherbergungsbauten gelten dieselben Regeln wie sonst auch in der Architektur: Reagieren auf die Lage, die Umgebung, die natürlichen Gegebenheiten; Proportionen; räumliche und funktionelle Qualitäten; Materialwahl, Ausführungsqualität und Detaillösungen.
Wenn die Bauaufgabe aber lautet, Räume für Erholungsuchende zu schaffen, dann ist kühle Erfüllung von Bedürfnissen, dann ist die reine Zweckmäßigkeit vielleicht doch zuwenig. Einen Ort zum Verkriechen braucht man möglicherweise genauso wie einen, an dem man sich in Pose werfen kann. Wo man beobachten kann und selber gesehen werden kann. Dunklere Zonen sind also vonnöten, lichtdurchflutete ebenso.
Ein klar definiertes Zentrum, das eine gewisse Großzügigkeit verlangt, ist nicht nur im Hinblick auf die funktionellen Erfordernisse wichtig. Und der Gast wünscht sich, schon wenn er sich ans Rezeptionspult lehnt, ein Mobiliar, das sich angenehm anfühlt. Für die stark beanspruchten Räume gilt es, strapazfähige Oberflächen zu schaffen, damit sie nicht rasch unappetitlich wirken. Bei der Gestaltung der Oberflächen muß aber das Raumklima im Auge behalten werden. Um eine angenehme Raumstimmung zu erzeugen, bedarf es des sensiblen Umgangs mit Material, Oberfläche, Farbe und Licht. Es wird für den Gast gebaut, er soll sich schließlich wohl fühlen. In einem Dienstleistungsbetrieb gehört auch die freundliche Bedienung zum Wohlfühlen – die Architektur kann nur trachten, auch für die Arbeitenden beste räumliche Voraussetzungen zu schaffen. Freundlich müssen sie dann aber schon selber sein.
Was kann des Reisens Ziel nur sein? Quartier beziehen in einer fremden Welt – deren Fremdheit ich respektiere, vielleicht gerade suche und die mich in meinem Anderssein nur soweit „erschüttert“, daß ich sie als positive Erweiterung meines Erfahrungsschatzes erleben kann.
Touristen sind wir alle. Piraten somit, Schatzräuber. Die dabei den Schatz, von dem sie träumen, gleichzeitig zerstören. Was ist Erholung? Re-lax: re = wieder; lax = nachlässig, schlaff, locker. Re-creation = Wieder-Errichtung, Wieder-Aufbau. So lebt der Tourismus von Zerstörung. Nicht nur von der der Landschaft; er lebt auch von den „Zerstörten“, die da kommen.
Von den „Gästen“. Die „Gäste“: ein temporäre Gemeinschaft unter gemeinsamem Dach. Würde nun dieses Dach auch den Besitzer beherbergen, hätte es vielleicht auch individuelle Züge. Ist es aber ein zu einer großen Maschinerie angewachsener Betrieb, läuft die Betreuung des Gastes fließbandmäßig ab. Und neutral eben.
A uf der Suche nach Glück. Leben wie Gott in Frankreich. Bleibt die Frage, ob der Tourist im Urlaub „lebt“ oder Funktionen erfüllt. Bleibt die Frage, ob Animation, welcher Art auch immer, nicht nur ein Ziel verfolgt: die Urlaubstage zu füllen. Damit man dann erstaunt feststellen kann, daß es Zeit ist, zurückzukehren. Alle sind froh: die Animatoren über den Gästewechsel – neues Publikum, alte Späße, neuer Applaus; die Heimkehrer, weil der Urlaub „ausgefüllt“ war – erholt, zurück-geholt ins alte Sein. Erinnerungen auf Endlosvideos. Das sind Beweise, Belege, Dokumente, die bleiben.
Und sonst? Die Bleibe am Urlaubsort. Sie bleibt, wo sie ist. Bestätigungen (die Eintrittskarten von Museen etwa) – Erinnerungen? Die Nostalgie? („Heimweh“ bedeutet das Wort im Französischen und Italienischen). Ja, soll denn, fragt man sich, irgend etwas bleiben? Bleibende Erinnerung? Steht das nicht auf dem Grabstein? So vergilbt der Urlaub schon beim Verlassen des Hotels. Schemen bleiben.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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