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Neues Kleid aus Sonne, Holz und Innovation
Der Standard

In einer Kapfenberger Arbeitersiedlung wurde ein Haus mit ökologischen Materialien thermisch so saniert, dass die Mieter künftig fast keine Strom- und Heizkosten zahlen. Ökologische Technik traf soziologischen Beistand.

23. Oktober 2013 - Colette M. Schmidt
Statt nur etwas neue Schminke aufzutragen, um ein in die Jahre gekommenes Mehrparteienhaus in der Johann-Böhm-Straße in Kapfenberg aufzumöbeln, hat man dem Gebäude ein futuristisches, maßgefertigtes Kleid aus ökologischem Material übergezogen und sein Innenleben, sprich die Haustechnik, gründlich auf Vordermann gebracht.

Das Ergebnis ist ein modernes sogenanntes Plus-Energie-Haus. Dass seine Ursubstanz aus den 1960er-Jahren stammt, kann man sich jetzt fast nicht mehr vorstellen. Der Bau, der aus zwei identischen Gebäudeteilen besteht, also eigentlich ein Doppelhaus ist, steht in einer typischen Arbeitersiedlung der obersteirischen Industriestadt.

In den vergangenen Jahren war nur mehr rund die Hälfte der teilweise sehr kleinen Wohnungen (um die 30 Quadratmeter), bewohnt. Die Mieter sind eine sehr durchmischte Gruppe von Jungfamilien bis Pensionisten, von Kindern ehemaliger Gastarbeiter bis zu „alteingesessenen“ Kapfenbergern. Sie hatten vermehrt mit den Tücken eines alten, nur mehr halb bewohnten Hauses zu kämpfen: „Schimmel, Rohrbrüche, die ganze Palette“, sagt Tobias Weiß vom Büro Nussmüller Architekten.

Daran lag es wohl auch, dass die Bewohner zu 90 Prozent sehr positiv darauf reagierten, dass hier endlich etwas unternommen wurde. Denn anders als bei Häusern, die erst saniert und dann mit einer zahlungskräftigeren Klientel völlige neu besiedelt werden, profitieren hier auch die bisherigen Mieter.

Sie zogen in einem ersten Bauabschnitt ins Nebenhaus um. „Der ganze Umsiedelungsprozess wurde von zwei Soziologen begleitet“, erzählt Architekt Weiß. Begonnen hat das Grazer Architekturbüro im Auftrag der Siedlungsgenossenschaft Ennstal mit der Sanierung im Spätsommer 2012.

Nach einigen Monaten konnten die Bewohner das sanierte Haus, in dem nachträglich Aufzüge und auch neue Badezimmer eingebaut wurden, womit es komplett barrierefrei ist, beziehen. Bis zum Frühjahr 2014 soll auch die zweite Hälfte fertig sein.

Aus den ursprünglich 40 Wohnungen wurden 32, dafür wurden die einzelnen Einheiten etwas größer. „Kleinwohnungen für Singles kriegen sie in Wien und Graz vielleicht schnell weg, aber hier in Kapfenberg ist der Bedarf an Wohnungen von 60 bis 90 Quadratmetern für Familien groß. Die Siedlung ist sehr familiär geprägt“, erklärt Nussmüller.

Bei der Vergabe der früher leerstehenden Wohnungen wurde auf eine „gute Durchmischung“ geachtete, damit kein Wohnghetto für Menschen mit geringen Einkommen entsteht.

Obwohl die Mieter in der Johann-Böhm-Straße heute plötzlich Balkone, neue Bäder ein modernes Belüftungssystem mit speziell an der TU Graz entwickelten Kastenfenstern haben, wird die Gesamtmiete in den Gemeindewohnungen nur sehr wenig erhöht. Denn das Haus wurde von einer „Energieschleuder aus den 1960er-Jahren zum Null-Energie-Haus“, erzählt Weiß. Das heißt, die Kosten für Strom und Heizung entfallen künftig fast ganz.

Forschung direkt umgesetzt

Das Büro Nussmüller Architekten war zuvor an einem Forschungsprojekt beteiligt, das sich mit dem Einsatz ökologisch nachhaltiger Materialen wie Holz bei innovativen thermischen Sanierungen befasste. In Kapfenberg, wo zwölf mal drei Meter große Holzelemente zum Einsatz kamen, brachte man unter anderem auf dem Flachdach, dem das alte Satteldach weichen musste, 1200 Quadratmeter Fotovoltaikzellen an. Zudem wird durch ein seitlich angebrachtes Sonnenkollektoren-„Segel“ das Brauchwasser erwärmt.

Das 3,4 Millionen Euro schwere Projekt wurde zum Teil vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gefördert.

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