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Ende gut, alles gut?
Spectrum

Die neue Thalia in Graz. Von Hotelplänen zum Fitnessclub. Eine Verbesserung oder nur das kleinere Übel eines innerstädtischen Umbaus?

2. November 2013 - Karin Tschavgova
Die Stadt „fortschreiben“ – was so poetisch umschrieben wird, findet nun allgemein Zustimmung. Gerade historische Stadtkerne müssen sich entwickeln können, um nicht zum Museum oder toten Gewebe der Stadt zu werden. Raum als Potenzial für Veränderung ist vorhanden, Stadtverdichtung ist angesagt. Neues dort zu bauen, wo die städtische Infrastruktur seit Langem vorhanden, wo der Umstieg auf den öffentlichen Verkehr möglich ist, scheint sinnvoll.

Ungewöhnlich viele Kräne, Gerüste und Baugruben signalisieren derzeit im Zentrum von Graz rege Bautätigkeit. Daraus lässt sich schließen, dass Dachausbauten, Aufstockungen, Umbauten von innerstädtischen Immobilien und der Neubau als Lückenschluss als attraktives Investment gesehen werden.

Ende September wurde die Neue Thalia fertiggestellt, genau genommen die Überbauung einer Ansammlung mehrerer Bauten, die zwischen der Oper und der Girardigasse auf einer Liegenschaft der Stadt Graz in unterschiedlichen Epochen errichtet wurden. 1956 transformierte der Wiener Architekt Rudolf Vorderegger als Spezialist für Lichtspieltheater-Umbauten Reste des ehemaligen Thalia-Theaters in ein Kino und fügte ihm ein Tanzcafé mit Gastgarten hinzu, das an Eleganz und großstädtischem Flair in Graz nichts Vergleichbares fand. Mit einem Bestandsvertrag über 60 Jahre und einem Baurecht hatte der damalige Betreiber die Thalia privat finanziert, und als er 1997 Konkurs anmeldete, drohte das Etablissement zu verfallen. Etwa zeitgleich wurde der Ruf nach einer Probebühne für die benachbarte Oper laut, und so entstand der Plan, diese anstelle des ehemaligen Kinosaals, in Nachbarschaft zu einem Erweiterungsbau der Oper von Gunther Wawrik, zu errichten.

Die Stadt war zwar bereit, die Probebühne gemeinsam mit dem Land Steiermark zu finanzieren, vergab jedoch 2001 erneut ein Baurecht mit der Auflage, das Bühnengebäude zu bauen. Bauträger Acoton wollte naturgemäß mehr und lud erst einmal drei Architekten zu einem von der Kammer nicht unterstützten Gutachterverfahren, das Heiner Hirzegger mit einem Projekt für sich entschied, das für Entsetzen unter der Grazer Architektenschaft sorgte. Über das 1991 unter Denkmalschutz gestellte Tanzcafé sollte ein vier Geschoße hoher, massiver Block für ein Hotel gesetzt werden, dahinter der ebenso voluminöse Aufbau für die Probebühne und davor, anstelle des stadträumlich ideal situierten, charmanten Gastgartens, eine Geschäftspassage als Sockel.

Proteste von mehreren Seiten, Unterschriften von 2000 erbosten Grazer Bürgern und das negative Gutachten der Altstadtsachverständigenkommission halfen nicht. Die Stadt gab ein klares Bekenntnis zum Ausbau eines multifunktionellen Zentrums mit Hotel, Büros und Probebühne ab und erteilte eine rechtsgültige Baugenehmigung. Offensichtlich konnte man sich keine andere Lösung vorstellen, um den Verfall dieses Baujuwels in äußerst sensibler innerstädtischer Lage zu stoppen. Die Probebühne wurde, als Betonbunker hochgezogen, nun zum eigentlichen Schandfleck. Die Ausbaupläne des Bauträgers wurden erst durch eine Anzeige zu den Vergabemodalitäten der Stadt als Miteigentümerin gestoppt, die von Altstadtschützern in Brüssel eingebracht wurde, möglicherweise aber auch, weil sich für ein Luxushotel kein Betreiber fand. Was folgte, war jahrelanger Stillstand, bis Acoton, vermutlich auf Druck der Stadt, 2009 erneut einen Wettbewerb zum Ausbau der Thalia ausschrieb – diesmal für ein Fitnesscenter, dessen Mieter man schon an der Hand hatte. Gewinner dieser Neuauflage der gewerblichen Nutzung, die neben Räumlichkeiten zur umfassenden Körperertüchtigung samt Pool auch weitere 600 Quadratmeter für die Vereinigten Bühnen vorsah, waren Franz Sam und Irene Ott-Reinisch aus Wien, die den Planungsauftrag bis zur Baueinreichung erhielten (Ausführungsplanung Guido Stohecker, Graz). Ihr Konzept sah vor, den heterogenen Bestand durch ein Volumen zusammenzufassen, das sich wie ein Kragen über die Traufkanten der aneinandergereihten Bauten aus unterschiedlichen Bauphasen legt und den Bühnenturm einrahmt.

Die Außenhaut der Tragstruktur aus Stahlträgern, türkisfarbiges Lochblech, wird nur an einer Stelle bis auf Gehsteigniveau gezogen – zur Betonung des neuen Eingangs. Einen eigenständigen Baukörper zu entwickeln, der sich in Farbe und Materialität auffällig vom Bestand abhebt und diesen dennoch zusammenfasst, war wohl die einzig richtige Antwort auf die Aufgabenstellung. Dass der Innenausbau des Fitnessstudios, das durch offen geführte Leitungen und Klimakanäle ziemlich billig wirkt, kann nicht den Entwurfsarchitekten angelastet werden. Man könnte über sehr geringe Raumhöhen in einigen Bereichen des Dachaufbaus diskutieren, die vermutlich der Auflage geschuldet sind, die neue Kubatur so niedrig wie möglich zu halten, oder über die abweichend vom Wettbewerb realisierte, an manchen Stellen doch eher willkürlich wirkende Anordnung und Form der Lichtschlitze und Fensteröffnungen.

Doch halt! Ist es überhaupt angemessen, bei einem Objekt in so prominenter innerstädtischer Lage die Detailqualität der Architektur zu thematisieren? Sind es nicht ganz andere Fragen, die sich die Stadt als Initiatorin dieses Bauvorhabens nach der jahrzehntelangen unrühmlichen Planungs- und Baugeschichte stellen müsste? Erhebliche Kosten für die Miteigentumsanteile sind zu verbuchen, Einnahmen werden aufgrund einer 2010 beschlossenen Verlängerung des Baurechtsvertrags um zehn Jahre entfallen, und eine Haftungsübernahme von 18 Millionen Euro birgt ein nicht unerhebliches Risiko für die Stadt in sich. Ab einem bestimmten Punkt gab es offensichtlich kein Zurück mehr.

Zur Klarstellung: Dies ist keine Kritik am neu aufgesetzten Bauwerk, sondern eine an der Art der Nutzung bester innerstädtischer Lage. Die Räumlichkeiten des ehemaligen Tanzcafés stehen fast immer leer. Wo früher Urbanität und städtisches Ambiente herrschten, macht sich heute auf Straßen- und Flanierniveau ein massives Unding für einen „Discostadl“ breit, und in bester Aussichtslage findet sich ein Fitnessclub, der in seiner angesagten Exklusivität kein Dienst am Gemeinwohl der Stadtbewohner sein kann.

Am Beispiel Thalia ist Stadtumbau als Unfall passiert: ohne Programmatik, ohnesolides Entwicklungskonzept und Steuerung nicht im Interesse einer gedeihlichen Stadtentwicklung. Bestenfalls könnte daraus etwasgelernt werden – oder nicht?

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