Artikel
Janusgesicht in Stein
Wer sich einmal mit dem gesamtösterreichischen Denkmalelend befaßt hat, wird Hrdlickas Monument durchaus etwas abgewinnen.
14. August 1990 - Otto Kapfinger
1. Ich halte den Platz vor der Albertina nach wie vor als Denkmalareal ungeeignet, besonders für eine Inszenierung mit konventionellen bildhauerischen Mitteln.
2. In dem Maße, wie sich Hrdlickas Mahnmal als außerordentlicher Indikator der kulturellen und politischen Verfassung unserer Gesellschaft erweist, befürworte ich unbedingt seine Errichtung.
3. Jede städtebauliche oder künstlerische Kritik an Hrdlikkas Monument wird natürlich von den Gegnern für sich vereinnahmt werden.
Trotzdem: Unabhängig von partei- und machtpolitischem Gezänk um die Skulptur muß die Fachkritik geäußert wer den. Als Kunstwerk halte ich Hrdlickas Entwurf - soweit man ihn aufgrund der spärlichen Informationen beurteilen kann - für unbedeutend. Die Kunst des 20. Jahrhunderts hat intelligentere, weniger schwerfällige, weniger historisch belastete Mittel entwickelt, um den kritischen Blick des Rezipienten auf die Wirklichkeit von Gegenwart und Vergangenheit zu stimulieren.
Über diese Kritik hinaus muß aber vor allem analysiert werden, warum, dieses Denkmal von der konservativen Politik und der veröffentlichten Volksmeinung so vehement abgelehnt wird, warum also ein diktatorisch verordnetes, wenig überlegt gesetztes Kunstwerk zum Anstoß einer allgemeinen öffentlichen Selbstentlarvung wurde, warum also ein kitschträchtiges Monument wegen seiner inhaltlichen Brisanz zum unverzichtbaren Bestand in dieser Stadt werden muß.
Für die künstlerische Qualität von Skulpturen und Monumenten im öffentlichen Raum war Wien in jüngster Zeit kein guter Boden. Ob Julius Raab oder Karl Renner, Robert Stolz oder Sigmund Freud - das Niveau ist durchwegs peinlich. Der Stadtpark beispielsweise ist gleichsam eine Müllhalde der bürgerlichen Denkmalsucht und jener ignoranten Beflissenheit, mit der diese und jene Geistesgrößen nachträglich auf das Podest der sentimentalen vereinnahmenden Verehrung gezerrt werden.
Im Vergleich mit den nach 1945 entstandenen einschlägigen Monumenten muß sich Hrdlickas antifaschistisches Mal freilich von nichts und niemandem etwas vorwerfen lassen. Ob nun Leopold Grausams Steine am Morzinplatz oder das internationale Panorama der Monumente in Mauthausen - das bildhauerische Pathos, fast ausnahmslos von wenig begabten Händen beschworen, fällt da wie dort in beschämender Weise hinter die Fakten des Dargestellten zurück.
Was bedeuten die tonnenschweren Aufhäufungen aus Stahl und Granit - etwa in Mauthausen - im Vergleich zur Atmosphäre der leeren Baracken, der Todeskammer und der Todesstiege, im Vergleich zu den lakonisch eingefriedeten Rasenflächen über den Massengräbern?
Was mag nun Hrdlickas Marmor und Bronze bedeuten im Vergleich zu der einfachen Tafel mit dem immer wieder erneuerten Blumenkranz am Karl-Marx-Hof, im Vergleich zu der regelmäßig nachgezogenen Ritz-Zeichnung 05 am Westportal des Stephansdomes, im Vergleich zu der den Wienern offenbar nicht mehr oder auch nie noch bewußten Präsenz der sechs Flaktürme im Stadtgebiet? Wie präzise mag die Aussage dieses Denkmals sein, gemessen an jeder der drei Dutzend biographischen Stelen der Ausstellung „Wien 1945 - davor/danach“ (die überraschend um eine Woche gekürzt wurde und deren Material dann trotz guter Vorschläge und prominenter Zusagen eben nicht als permanente Schau eines zeitgeschichtlichen Museums beisammenblieb)?
Trotzdem: Hrdlickas Monument ist nicht als Kunstwerk wesentlich, sondern als Manifestation eines Künstlers gegen die kooperative Verdrängung und Glättung der Geschichte, die im Verbund vom Staat, Kunst und Kirche nach 1945 stattfand. Er meint mit Faschismus den von 1934 - 1945, Nationalsozialismus und Ständestaat. Am Morzinplatz, wo viele sie hinwünschen, wäre die Bedeutung der Skulptur allein durch den Ort, das ehemalige Hauptquartier der Gestapo, eindeutig auf die Nazi-Zeit eingeschränkt worden. Das ist ein latenter Grund für die vehemente Forderung der Konservativen nach diesem Standort und gegen den Albertinaplatz.
Ein zweiter Grund für die breite Ablehnung liegt darin, daß dieses Denkmal aus dem Klischee der in Österreich üblichen Kriegerdenkmäler und Mahnmale herausfällt. Mattl/ Stuhlpfarrer haben erst kürzlich dargelegt, daß die Semantik unserer WK I- und WK II- Monumente durchgängig mit der nachträglichen Sakralisierung des Krieges verbunden ist. Die Geschichte wird darin auch bildlich enthistorisiert, in eine überzeitliche, ungreifbare Aura gehoben. Faschistischer Terror und Krieg werden nicht als Verbrechen dargestellt, als Aggression eines konkreten Herrschaftsmodells und einer Ideologie, sondern ins Unkonkrete verschoben, als eine Art Strafgericht, als Katharsis, als ontologisches Ereignis sublimiert, wo auch der Einzelne nur ein Rädchen im Spiel des „blinden Schicksals“ war.
Daß HrdIicka als Person und die Drastik seiner Skulptur dieses geglättete Geschichtsbild wieder aufreißen, erklärt - zusammen mit seinen in dieselbe Kerbe schlagenden Anti-Waldheim-Aktionen - die scharfe Ablehnung des Denkmals und verleiht diesem umgekeht wieder eine singuläre kulturelle Kraft der Aussage.
Wenn auch gefordert wird, die Ruhe der Toten, der unbestatteten Bombenopfer in den Kellern des ehemaligen Philipphofes dürfe nicht gestört werden, dann ist damit natürlich auch die Ruhe der verdrängten Vergangenheit gemeint. Die Möglichkeit einer Exhumierung und der würdigen Bestattung - in anderen Fällen tausendfach vollzogen, bei jeder archäologischen Grabung als Routine gehandhabt, wird hier aus politischer, Räson zurückgewiesen. Die Kulturnationen erlaubten sich zwar, die Totenruhe der Ägypter, der Griechen, Perser, Mazedonier, Römer und Kelten zu stören und deren Grabmonumente, Grabbeigaben, Mumien und Skelette etc. in ihre Museen zu verschleppen und dort dem geschichtsgeilen Blick zur Schau zu stellen. Aber eine Ausgrabung und Neubestattung von Wiener Bürgern für eine DenkImalfundierung oder gar ein Bauwerk verstößt gegen die Pietät...
Bei allen Einschränkungen: Hrdlickas Mahnmal am Albertinaplatz ist ein wichtiger Stein des Anstoßes. Nach all dem, was dadurch ausgelöst wurde und noch werden wird, muß es dort errichtet werden.
Trotzdem sei Helmut Zilk gesagt, daß er die Sache so abgeführt hat, als könnte man antifaschistische Denkmäler in den 80er Jahren so anschaffen wie die Fernsehtürme in den 60er Jahren, und daß eine durchaus mögliche, städtebaulich sinnvollere Lösung, eine Integration von Bauwerk und Skulptur auf diesem Platz versäumt wurde.
Und Hrdlicka sei gesagt: Sein Wort, man müsse ihm die Stalinschen Terrorgreuel erst beweisen, erinnert fatal an die Behauptungen der unverbesserlichen Nazis, Judenverfolgung und Holocaust seien samt und sonders eine Ausgeburt nachträglicher Propaganda der Alliierten. Dieses Wort verlangt nach einer Entschuldigung.
2. In dem Maße, wie sich Hrdlickas Mahnmal als außerordentlicher Indikator der kulturellen und politischen Verfassung unserer Gesellschaft erweist, befürworte ich unbedingt seine Errichtung.
3. Jede städtebauliche oder künstlerische Kritik an Hrdlikkas Monument wird natürlich von den Gegnern für sich vereinnahmt werden.
Trotzdem: Unabhängig von partei- und machtpolitischem Gezänk um die Skulptur muß die Fachkritik geäußert wer den. Als Kunstwerk halte ich Hrdlickas Entwurf - soweit man ihn aufgrund der spärlichen Informationen beurteilen kann - für unbedeutend. Die Kunst des 20. Jahrhunderts hat intelligentere, weniger schwerfällige, weniger historisch belastete Mittel entwickelt, um den kritischen Blick des Rezipienten auf die Wirklichkeit von Gegenwart und Vergangenheit zu stimulieren.
Über diese Kritik hinaus muß aber vor allem analysiert werden, warum, dieses Denkmal von der konservativen Politik und der veröffentlichten Volksmeinung so vehement abgelehnt wird, warum also ein diktatorisch verordnetes, wenig überlegt gesetztes Kunstwerk zum Anstoß einer allgemeinen öffentlichen Selbstentlarvung wurde, warum also ein kitschträchtiges Monument wegen seiner inhaltlichen Brisanz zum unverzichtbaren Bestand in dieser Stadt werden muß.
Für die künstlerische Qualität von Skulpturen und Monumenten im öffentlichen Raum war Wien in jüngster Zeit kein guter Boden. Ob Julius Raab oder Karl Renner, Robert Stolz oder Sigmund Freud - das Niveau ist durchwegs peinlich. Der Stadtpark beispielsweise ist gleichsam eine Müllhalde der bürgerlichen Denkmalsucht und jener ignoranten Beflissenheit, mit der diese und jene Geistesgrößen nachträglich auf das Podest der sentimentalen vereinnahmenden Verehrung gezerrt werden.
Im Vergleich mit den nach 1945 entstandenen einschlägigen Monumenten muß sich Hrdlickas antifaschistisches Mal freilich von nichts und niemandem etwas vorwerfen lassen. Ob nun Leopold Grausams Steine am Morzinplatz oder das internationale Panorama der Monumente in Mauthausen - das bildhauerische Pathos, fast ausnahmslos von wenig begabten Händen beschworen, fällt da wie dort in beschämender Weise hinter die Fakten des Dargestellten zurück.
Was bedeuten die tonnenschweren Aufhäufungen aus Stahl und Granit - etwa in Mauthausen - im Vergleich zur Atmosphäre der leeren Baracken, der Todeskammer und der Todesstiege, im Vergleich zu den lakonisch eingefriedeten Rasenflächen über den Massengräbern?
Was mag nun Hrdlickas Marmor und Bronze bedeuten im Vergleich zu der einfachen Tafel mit dem immer wieder erneuerten Blumenkranz am Karl-Marx-Hof, im Vergleich zu der regelmäßig nachgezogenen Ritz-Zeichnung 05 am Westportal des Stephansdomes, im Vergleich zu der den Wienern offenbar nicht mehr oder auch nie noch bewußten Präsenz der sechs Flaktürme im Stadtgebiet? Wie präzise mag die Aussage dieses Denkmals sein, gemessen an jeder der drei Dutzend biographischen Stelen der Ausstellung „Wien 1945 - davor/danach“ (die überraschend um eine Woche gekürzt wurde und deren Material dann trotz guter Vorschläge und prominenter Zusagen eben nicht als permanente Schau eines zeitgeschichtlichen Museums beisammenblieb)?
Trotzdem: Hrdlickas Monument ist nicht als Kunstwerk wesentlich, sondern als Manifestation eines Künstlers gegen die kooperative Verdrängung und Glättung der Geschichte, die im Verbund vom Staat, Kunst und Kirche nach 1945 stattfand. Er meint mit Faschismus den von 1934 - 1945, Nationalsozialismus und Ständestaat. Am Morzinplatz, wo viele sie hinwünschen, wäre die Bedeutung der Skulptur allein durch den Ort, das ehemalige Hauptquartier der Gestapo, eindeutig auf die Nazi-Zeit eingeschränkt worden. Das ist ein latenter Grund für die vehemente Forderung der Konservativen nach diesem Standort und gegen den Albertinaplatz.
Ein zweiter Grund für die breite Ablehnung liegt darin, daß dieses Denkmal aus dem Klischee der in Österreich üblichen Kriegerdenkmäler und Mahnmale herausfällt. Mattl/ Stuhlpfarrer haben erst kürzlich dargelegt, daß die Semantik unserer WK I- und WK II- Monumente durchgängig mit der nachträglichen Sakralisierung des Krieges verbunden ist. Die Geschichte wird darin auch bildlich enthistorisiert, in eine überzeitliche, ungreifbare Aura gehoben. Faschistischer Terror und Krieg werden nicht als Verbrechen dargestellt, als Aggression eines konkreten Herrschaftsmodells und einer Ideologie, sondern ins Unkonkrete verschoben, als eine Art Strafgericht, als Katharsis, als ontologisches Ereignis sublimiert, wo auch der Einzelne nur ein Rädchen im Spiel des „blinden Schicksals“ war.
Daß HrdIicka als Person und die Drastik seiner Skulptur dieses geglättete Geschichtsbild wieder aufreißen, erklärt - zusammen mit seinen in dieselbe Kerbe schlagenden Anti-Waldheim-Aktionen - die scharfe Ablehnung des Denkmals und verleiht diesem umgekeht wieder eine singuläre kulturelle Kraft der Aussage.
Wenn auch gefordert wird, die Ruhe der Toten, der unbestatteten Bombenopfer in den Kellern des ehemaligen Philipphofes dürfe nicht gestört werden, dann ist damit natürlich auch die Ruhe der verdrängten Vergangenheit gemeint. Die Möglichkeit einer Exhumierung und der würdigen Bestattung - in anderen Fällen tausendfach vollzogen, bei jeder archäologischen Grabung als Routine gehandhabt, wird hier aus politischer, Räson zurückgewiesen. Die Kulturnationen erlaubten sich zwar, die Totenruhe der Ägypter, der Griechen, Perser, Mazedonier, Römer und Kelten zu stören und deren Grabmonumente, Grabbeigaben, Mumien und Skelette etc. in ihre Museen zu verschleppen und dort dem geschichtsgeilen Blick zur Schau zu stellen. Aber eine Ausgrabung und Neubestattung von Wiener Bürgern für eine DenkImalfundierung oder gar ein Bauwerk verstößt gegen die Pietät...
Bei allen Einschränkungen: Hrdlickas Mahnmal am Albertinaplatz ist ein wichtiger Stein des Anstoßes. Nach all dem, was dadurch ausgelöst wurde und noch werden wird, muß es dort errichtet werden.
Trotzdem sei Helmut Zilk gesagt, daß er die Sache so abgeführt hat, als könnte man antifaschistische Denkmäler in den 80er Jahren so anschaffen wie die Fernsehtürme in den 60er Jahren, und daß eine durchaus mögliche, städtebaulich sinnvollere Lösung, eine Integration von Bauwerk und Skulptur auf diesem Platz versäumt wurde.
Und Hrdlicka sei gesagt: Sein Wort, man müsse ihm die Stalinschen Terrorgreuel erst beweisen, erinnert fatal an die Behauptungen der unverbesserlichen Nazis, Judenverfolgung und Holocaust seien samt und sonders eine Ausgeburt nachträglicher Propaganda der Alliierten. Dieses Wort verlangt nach einer Entschuldigung.
[ Erschienen im „Falter“ Nr.33 ]
Für den Beitrag verantwortlich: Falter
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