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Reicht Grün in der Mitte?
Der erste Bauabschnitt des Wohnprojekts „Grüne Mitte“ wurde gerade fertiggestellt, die ersten Bewohner ziehen ein. Drumherum sind Kräne und Baustelle. Bis 2016 entstehen hier – auf dem Areal des ehemaligen Frachtenbahnhofs – insgesamt 800 Wohnungen.
7. Juni 2014 - Lorenz Potocnik
Rechnet man die zahlreichen Bauvorhaben auf den angrenzenden Brachen dazu, werden in den nächsten Jahren in diesem Stadtteil insgesamt rund 1500 Wohnungen geschaffen. Geschätzte 4500 Menschen werden dann hier leben.
Sicher also die größte, zusammenhängende Linzer Wohnbauentwicklung seit der Solar City. Die Lage und das Umfeld sind zwar schwierig, aber besser als es scheint. Doch schon jetzt lassen sich städtebauliche Schwächen erkennen.
Hier entsteht eine Kleinstadt
Bereits seit 2001 arbeitet die Stadt Linz gemeinsam mit den ÖBB an der Entwicklung dieses Gebiets unter dem Arbeitstitel „Trendzone Linz-Mitte“. 2005 wurde das 86.000 Quadratmeter große Areal um 7,65 Millionen Euro von der Stadt angekauft. Im darauffolgenden Jahr erfolgte ein städtebaulicher Wettbewerb, dessen Ergebnis eine ausgedehnte Blockrandbebauung vorsieht. Ein 14.000 Quadratmeter großer Park in der Mitte soll die Lage an der lauten Westbahn und Lastenstraße kompensieren.
Die Entwicklung dieses Areals ist ein wichtiger Schritt in Richtung Verdichtung und inneres Wachstum der Stadt Linz. Autos wurden konsequent aus dem Quartier rausgehalten. Große begrünte Terrassen und Balkone versprechen zwar noch keine „hängenden Gärten“, aber doch weit mehr Grün als im sozialen Wohnbau üblich. Wettbewerbe wurden ausgelobt, um zu Projekten zu kommen. Die Ausführung ist insgesamt über dem gewohnten Durchschnitt, und die Anstrengung, etwas Besonderes zu machen, ist spürbar.
Gerade wegen der Größe der Entwicklung gibt es aber deutliche Kritikpunkte: Gab es ein fundiertes Gesamtkonzept in Hinblick auf ein lebendiges und funktionierendes Quartier? Nein. Wurden die Wohnungstypen und Größen untereinander abgestimmt? Nein. Gibt es Erdgeschoßzonen für Gewerbe und Büros? Kaum. Wurde zumindest durch höhere Erdgeschoßzonen für die spätere Möglichkeit gesorgt? Nein.
Gibt es billige Starter-Wohnungen, Kleinstwohnungen oder Sonderformen im Sinne einer sofortigen und zukünftigen Durchmischung? Nein. Weil von billig die Rede ist: Ist einer der Bauten ein Experimentalbau mit dem Ziel wirklich billig zu bauen? (Beispiel Architekten Lacaton & Vassal in Mulhouse) Nein. Wird eine Schule gebaut bzw. Fläche dafür freigehalten? Nein.
Sind Miete, Mietkauf und Eigentum gut gemischt im Sinne einer sozialen Durchmischung? Leider nein. Wurden kleinere Parzellen für kleine Bauträger oder Baugruppen zur Verfügung gestellt? Nein. Wurden in Anbetracht der Größe des Vorhabens (rund 45.000 m² Wohnnutzfläche) andere Disziplinen wie Soziologen, Mobilitätsexperten oder Wohnbauforscher beigezogen? Nein. Apropos: Wurden neuere Modelle der Mobilität, des Carsharings oder Poolings bzw. der Reduktion von Stellplätzen auf zum Beispiel nur einen Platz pro 100 Quadratmeter (und nicht pro Wohneinheit) umgesetzt? Nein. Warum wurde nicht der alte Bahnhof als identitätsstiftendes Merkmal (z. B. für den Kindergarten) belassen? Zu kompliziert ...
Innovativere Prozesse
Gute Chancen bestehen, dass sich das Areal gut in die Stadtstruktur eingliedert. Das Musiktheater und die angrenzende Landstraße sind fußläufig erreichbar. Im Idealfall wird dies in Zukunft quer durch den St.-Barbara-Friedhof möglich sein. Die zweite Straßenbahnachse wird darüber hinaus den Standort immens aufwerten.
Das neue Quartier steht und fällt aber mit der eigenen grünen Mitte. Gelingt dieser Raum als städtischer Erholungsraum, ist die Architektur drumherum zweitrangig. Vergleicht man die Konzeption der „Grünen Mitte“ mit Projekten wie Tübingen Südstadt, Stockholm Hammerby oder der Entwicklung am ehemaligen Nordbahnhofgelände in Wien, wird deutlich, dass Linz dringend städtebaulich innovativere Prozesse und Entwicklungen braucht. Vor allem Tübingen zeigt, dass neue Stadtviertel lebendig, durchmischt und dicht sein können, indem ein paar einfache Spielregeln befolgt werden.
Wesentlich sind die Kleinteiligkeit, die Durchmischung (Miete, Eigentum, sozial, Baugruppe, Genossenschaft usw.) und gewerblich genutzte Erdgeschoße. Eigeninitiative Baugruppen spielen bei fast allen geglückten Neustadtvierteln in Europa eine gewichtige Rolle. Bestes aktuelles Beispiel ist „Wohnen mit Alles“ in Wien. Als Heim deklariert, in Form einer Baugruppe entstanden, setzt dieses Projekt architektonisch aber vor allem sozial und gesellschaftspolitisch Maßstäbe. Alles keine Hexerei, auch in Linz mit entsprechendem Willen leicht möglich.
Sicher also die größte, zusammenhängende Linzer Wohnbauentwicklung seit der Solar City. Die Lage und das Umfeld sind zwar schwierig, aber besser als es scheint. Doch schon jetzt lassen sich städtebauliche Schwächen erkennen.
Hier entsteht eine Kleinstadt
Bereits seit 2001 arbeitet die Stadt Linz gemeinsam mit den ÖBB an der Entwicklung dieses Gebiets unter dem Arbeitstitel „Trendzone Linz-Mitte“. 2005 wurde das 86.000 Quadratmeter große Areal um 7,65 Millionen Euro von der Stadt angekauft. Im darauffolgenden Jahr erfolgte ein städtebaulicher Wettbewerb, dessen Ergebnis eine ausgedehnte Blockrandbebauung vorsieht. Ein 14.000 Quadratmeter großer Park in der Mitte soll die Lage an der lauten Westbahn und Lastenstraße kompensieren.
Die Entwicklung dieses Areals ist ein wichtiger Schritt in Richtung Verdichtung und inneres Wachstum der Stadt Linz. Autos wurden konsequent aus dem Quartier rausgehalten. Große begrünte Terrassen und Balkone versprechen zwar noch keine „hängenden Gärten“, aber doch weit mehr Grün als im sozialen Wohnbau üblich. Wettbewerbe wurden ausgelobt, um zu Projekten zu kommen. Die Ausführung ist insgesamt über dem gewohnten Durchschnitt, und die Anstrengung, etwas Besonderes zu machen, ist spürbar.
Gerade wegen der Größe der Entwicklung gibt es aber deutliche Kritikpunkte: Gab es ein fundiertes Gesamtkonzept in Hinblick auf ein lebendiges und funktionierendes Quartier? Nein. Wurden die Wohnungstypen und Größen untereinander abgestimmt? Nein. Gibt es Erdgeschoßzonen für Gewerbe und Büros? Kaum. Wurde zumindest durch höhere Erdgeschoßzonen für die spätere Möglichkeit gesorgt? Nein.
Gibt es billige Starter-Wohnungen, Kleinstwohnungen oder Sonderformen im Sinne einer sofortigen und zukünftigen Durchmischung? Nein. Weil von billig die Rede ist: Ist einer der Bauten ein Experimentalbau mit dem Ziel wirklich billig zu bauen? (Beispiel Architekten Lacaton & Vassal in Mulhouse) Nein. Wird eine Schule gebaut bzw. Fläche dafür freigehalten? Nein.
Sind Miete, Mietkauf und Eigentum gut gemischt im Sinne einer sozialen Durchmischung? Leider nein. Wurden kleinere Parzellen für kleine Bauträger oder Baugruppen zur Verfügung gestellt? Nein. Wurden in Anbetracht der Größe des Vorhabens (rund 45.000 m² Wohnnutzfläche) andere Disziplinen wie Soziologen, Mobilitätsexperten oder Wohnbauforscher beigezogen? Nein. Apropos: Wurden neuere Modelle der Mobilität, des Carsharings oder Poolings bzw. der Reduktion von Stellplätzen auf zum Beispiel nur einen Platz pro 100 Quadratmeter (und nicht pro Wohneinheit) umgesetzt? Nein. Warum wurde nicht der alte Bahnhof als identitätsstiftendes Merkmal (z. B. für den Kindergarten) belassen? Zu kompliziert ...
Innovativere Prozesse
Gute Chancen bestehen, dass sich das Areal gut in die Stadtstruktur eingliedert. Das Musiktheater und die angrenzende Landstraße sind fußläufig erreichbar. Im Idealfall wird dies in Zukunft quer durch den St.-Barbara-Friedhof möglich sein. Die zweite Straßenbahnachse wird darüber hinaus den Standort immens aufwerten.
Das neue Quartier steht und fällt aber mit der eigenen grünen Mitte. Gelingt dieser Raum als städtischer Erholungsraum, ist die Architektur drumherum zweitrangig. Vergleicht man die Konzeption der „Grünen Mitte“ mit Projekten wie Tübingen Südstadt, Stockholm Hammerby oder der Entwicklung am ehemaligen Nordbahnhofgelände in Wien, wird deutlich, dass Linz dringend städtebaulich innovativere Prozesse und Entwicklungen braucht. Vor allem Tübingen zeigt, dass neue Stadtviertel lebendig, durchmischt und dicht sein können, indem ein paar einfache Spielregeln befolgt werden.
Wesentlich sind die Kleinteiligkeit, die Durchmischung (Miete, Eigentum, sozial, Baugruppe, Genossenschaft usw.) und gewerblich genutzte Erdgeschoße. Eigeninitiative Baugruppen spielen bei fast allen geglückten Neustadtvierteln in Europa eine gewichtige Rolle. Bestes aktuelles Beispiel ist „Wohnen mit Alles“ in Wien. Als Heim deklariert, in Form einer Baugruppe entstanden, setzt dieses Projekt architektonisch aber vor allem sozial und gesellschaftspolitisch Maßstäbe. Alles keine Hexerei, auch in Linz mit entsprechendem Willen leicht möglich.
Für den Beitrag verantwortlich: Oberösterreichische Nachrichten
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