Artikel
Siedlungs- und Freiflächenentwicklung im Rheintal -
(k)ein Thema für die Regionalplanung in Vorarlberg?
30. Juni 1997 - Rudolf Alge
Für die Ballungsräume Rheintal und Walgau sind nach heutigem Kenntnisstand neue siedlungs- und freiraumplanerische Leitbilder gefragt: Braucht nicht die langfristige Sicherung der Landwirtschafts-, Natur- und Erholungsflächen in einem sich großstädtisch verdichtenden Talraum einen stärkeren Rückhalt, eine aktivere planerische Auseinandersetzung auf überörtlicher Ebene?
Die Festlegung überörtlicher Grünzonen in den Talsohlen des Rheintals und des Walgaus per Verordnung nach dem Vorarlberger Raumplanungsgesetz, LGBl. 8,9/1977, war - ähnlich der Einrichtung eines landesweiten Landschaftspflegefonds 1973 - zweifellos eine Pionierleistung für Österreich. Die Grünzonen in den beiden Agglomerationsräumen Rheintal und Walgau, in denen heute auf etwa 11 % der Landesfläche annähernd 300.000 Menschen oder 80 % der Vorarlberger Landesbevölkerung leben (KOPF, 1995), wurden gleichsam als letzter Damm gegen die ausufernde Siedlungstätigkeit errichtet, die mit anderen raumplanerischen Instrumenten, namentlich der ersten Generation der Flächenwidmungspläne, nur unzureichend in geordnete Bahnen gelenkt werden konnte.
Heuer kann die „Landesgrünzone“ auf ihr zwanzigjähriges, weitgehend unversehrtes Bestehen zurückblicken. Einige „kleine“ Wermutstropfen in der Siedlungsentwicklung sind allerdings geeignet, die Erfolgsbilanz merklich zu trüben: Zersplitterte Wohngebiete, ausgefranste Siedlungsränder, ausufernde Bebauung in der unteren Hangzone, unternutzte Betriebsgebiete und Funktionsverluste von Ortskernen sind nur einige Schlaglichter auf räumliche Fehlentwicklungen im Vorarlberger Talraum.
Bodenverbrauch und Baulandreserven
Trotz der Landesgrünzone ist der Vorarlberger Talraum zersiedelt wie kaum eine andere Ballungsregion Österreichs. Eine kaum noch nach einzelnen Orten unterscheidbare Bandstadt am Rheintalrand zwischen Bregenz und Feldkirch - wie schon im Zeitalter des ungebremsten Wachstumsglaubens im ersten und bislang einzigen Landesentwicklungsprogramm von Prof. Wurzer Ende der sechziger Jahre entworfen (WURZER, 1971) - ist innerhalb einer Generation beinahe Wirklichkeit geworden.
Dazu trug einerseits ein Bevölkerungswachstum um mehr als 70 % (!) zwischen 1951 und 1991 (Gesamtösterreich + 12 %) und andererseits eine äußerst flächenaufwendige Siedlungstätigkeit bei.
Die meisten Gemeinden verfügen trotz des überhitzten (Wohn-)Baubooms der letzten Jahre noch über sehr große Baulandreserven. Bei den knapp 700 ha gewidmeten und zu rund 50 % noch unbebauten Betriebsgebieten im Rheintal (AMT DER VBG. LANDESREGIERUNG, 1991) bestehen zudem erhebliche Disparitäten zwischen den einzelnen Kommunen: Offenbar fehlten regionalplanerische Vorgaben, welche Fehlentwicklungen hintanhielten. Es ist daher nicht verwunderlich, daß in letzter Zeit mit den durch den EU-Beitritt erweckten Hoffnungen auf Betriebsansiedlungen verschiedentlich der Ruf nach neuen Gewerbe- und Industriezonen am Siedlungsrand laut wurde.
Wie soll man nun mit den Freiflächen am Rand oder gar mit Widmungswünschen in der Grünzone selbst umgehen? Wie ist - in Anbetracht der kaum noch finanzierbaren Erschließungsaufwendungen - das bereits großzügig gewidmete Bauland zu mobilisieren? Welche regionalplanerischen Strategien werden für den interkommunalen Interessensausgleich zwischen gut und weniger gut mit Betriebsgebieten bedachten Gemeinden entwickelt?
Neue Betriebsgebiete
als wirtschaftliche Impulsgeber?
Wäre es nach den Betriebsansiedlungseuphorikern hierzulande gegangen, dann müßten in den letzten Jahren vor allem durch ausländische (besonders Schweizer) Investoren neue Betriebe und Betriebsgebiete fast wie die sprichwörtlichen Schwammerln aus dem Boden geschossen sein. Daß dem (leider) nicht so war und ist, kann in der regionalen Tagespresse nachgelesen werden: „Die Erwartungen in Richtung Betriebsansiedelungen, die vor und mit dem Beitritt zur EU gehegt wurden, waren auf jeden Fall zu hoch gesteckt.“ (VN, 10. 2. 1997). Bei den siebzig Firmenneugründungen mit ausländischer Beteiligung im Jahr 1996 handelt es sich großteils um Gastronomie- oder Handelsbetriebe. Dementsprechend gehen Arbeitsplatzimpulse derzeit weniger von Betriebsansiedlungen an der Peripherie - wenn man von den raumplanerisch nicht gerade erwünschten Bau- und Möbelmärkten, Einkaufszentren und Fast-food Drive-Ins einmal absieht - als vielmehr von Gewerbeparks mit vielseitigem Branchenmix aus, wie sie mehrfach erfolgreich in frei werdenden Betriebsimmobilien als sinnvolle Nachnutzung angesiedelt werden konnten.
Freiflächensicherung durch Betriebsflächenmanagement
Aus regional- und landschaftsplanerischer Sicht stellt sich die Frage, ob die wenigen noch vorhandenen, landschaftlich und ökologisch unersetzlichen „Grünbrücken“ zwischen Tal und Hangzone im Vorarlberger Zentralraum (Bereich Dornbirn, Hohenems und Götzis), die als letzte Zäsuren das Siedlungsband der „Rheintalstadt“ noch unterbrechen, betriebsbaulich verwendet werden sollen oder ob es nicht sinnvoller ist, beispielsweise im Nahbereich des regionalen Abfallwirtschaftszentrums für das Unterland ein interkommunales Betriebsgebiet zu errichten, das auch das Wärmepotential aus dem dort reichlich anfallenden Deponiegas sinnvoll nützen könnte.
Für die Ballungsräume Rheintal und Walgau sind nach heutigem Kenntnisstand neue siedlungs- und freiraumplanerische Leitbilder gefragt: Braucht nicht die langfristige Sicherung der Landwirtschafts-, Natur- und Erholungsflächen in einem sich großstädtisch verdichtenden Talraum einen stärkeren Rückhalt, eine aktivere planerische Auseinandersetzung auf überörtlicher Ebene? Ist es nicht eine ordnungsplanerische Herausforderung, hier lenkend einzugreifen, übergeordnete Interessen aufzuzeigen und Fehler aus den Anfängen der Flächenwidmungsplanung abzuschwächen, wenn sie schon nicht mehr grundlegend beseitigt werden können?
Ansätze zu einer Regionalplanung
für den Vorarlberger Talraum
„Während es für die Dorf- und Stadtentwicklung Leitbilder, Konzeptionen, Maßnahmenkataloge und nicht zuletzt Finanzmittel gibt, wird die Region von den Verantwortlichen nicht wahrgenommen, weil sie als politische Dimension nicht existiert“ (OPITZ, 1995). Gemeinde- und Regionalentwicklung sind heute vor allem siedlungs- und wirtschaftspolitische Aufgaben: Wie mache ich die Gemeinde oder die Region für die dort lebenden Menschen so attraktiv, daß sie und auch die Folgegenerationen gerne hier leben.
Die nicht selten zu hörende Aussage „Vorarlberg ist so klein und überschaubar, da brauchen wir keine eigene Regionalplanung“ ist daher nicht sehr stichhaltig. Wohl wird namentlich in den strukturschwachen (Berg-)Gebieten regionale Wirtschaftsförderung betrieben und es wurden einzelne Sachprogramme ausgearbeitet (AMT DER VBG. LANDESREGIERUNG, 1996); in den stark wachsenden Verdichtungsräumen fehlt hingegen eine regional abgestimmte Siedlungs- und Freiflächenplanung weitestgehend.
Um keine allzu breite Diskussion zu entfachen, wurden - wie die wenig ambitionierte Neufassung des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes, LGBL. 39/1996, zeigt - siedlungs- und regionalplanerische Überlegungen, wie die Themen
ú Überhang an gewidmeten Baulandreserven und Mobilisierung des Bodenmarktes,
ú Freiflächensicherung und -entwicklung im Talraum,
ú interkommunaler
Interessens- und Finanzausgleich bei
Betriebsgebieten, aus der Novelle weitgehend ausgeblendet.
Dabei sind in diesem Zusammenhang in den benachbarten Bundesländern in jüngster Zeit bemerkenswerte Aktivitäten festzustellen, wie z.B. das Sachprogramm „Siedlungsentwicklung und Betriebsstandorte im Salzburger Zentralraum“, das in Verbindung mit einer Novellierung der Wohnbauförderung in den Siedlungsschwerpunkten höhere Fördersätze als in sonstigen Gemeinden vorsieht (AMT DER SALZBURGER LANDESREGIERUNG, 1995), oder die erfolgreiche Arbeit des Tiroler Bodenbeschaffungsfonds zur Unterstützung der Gemeinden bei einer aktiven Bodenpolitik (RAUM 20/95). Nicht unerwähnt bleiben sollen Ansätze zur Baulandmobilisierung, wie die zeitlich befristete Widmung oder die Möglichkeit einer Rückerstattung der Aufschließungsabgaben an die Gemeinde in Niederösterreich (RAUM 19/95).
In Anbetracht der im Lande herrschenden Liberalisierungs- und Deregulierungsstimmung ist es keine leichte Aufgabe, diese drängenden Zukunftsfragen zur Landesentwicklung wirkungsvoll zu thematisieren. Vielleicht liefert ein drittes, derzeit viel strapaziertes Schlagwort den passenden Lösungsansatz: Regionalplanung als Wegbereiter einer „nachhaltigen Entwicklung“ oder, um es noch etwas trendiger zu sagen: „Regionalplanning for sustainability“!? Die Absichtserklärung des neuen Vorarlberger Landeshauptmannes Dr. Sausgruber könnte Hoffnung machen: „Umweltschutz im neuen Kleid der Nachhaltigkeit wird jetzt zur Chefsache“ (VN, 26. 3. 1997).
Rudolf Alge studierte Landschaftsökologie und -gestaltung an der Universität für Bodenkultur in Wien, war anschließend Assistent am Institut für Landschaftsplanung und Gartenkunst der TU Wien und arbeitet derzeit als selbständiger Landschaftsplaner im Planungsteam „stadtland“ sowie als Umweltbeauftragter der Marktgemeinde Lustenau.
Literatur:
AMT DER SALZBURGER LANDESREGIERUNG (1995): Sachprogramm Siedlungsentwicklung und Betriebsstandorte im Salzburger Zentralraum. Salzburg.
AMT DER VBG. LANDESREGIERUNG (1996): Raumplanung durch das Land - Grundsätze und Vorgangsweise. Bregenz.
AMT DER VBG. LANDESREGIERUNG (1996): Strukturdaten Vorarlberg. Bregenz.
AMT DER VBG. LANDESREGIERUNG (1983): Grundlagen und Probleme der Raumplanung in Vorarlberg. Bregenz.
KOPF, M. (1995): Betriebsstandortesicherung in Vorarlberg - besteht aus Sicht der überörtlichen Raumplanung ein Handlungsbedarf? Studienarbeit a.d. ETH Zürich. Bregenz.
OPITZ, A. (1995): Dorferneuerung jenseits der Idylle. In: Raum 20/95. Wien.
RAUM 19/95: Baulandmobilisierung in Niederösterreich. Wien.
RAUM 20/95: Erfolgreicher Beschaffungsfonds. Wien.
VN - Vorarlberger Nachrichten (10. 2. 1997): Flaute bei den Betriebsansiedlungen. Bregenz.
VN - Vorarlberger Nachrichten (13. 2. 1997): Betriebsansiedlungen mit und ohne EU. Bregenz.
VN - Vorarlberger Nachrichten (26. 3. 1997): Strukturfonds für finanzschwache Gemeinden. Bregenz.
WURZER, R. (1971): Raumordnung Vorarlberg, Bd. 2, Entwurf eines Landesentwicklungsprogrammes. Wien.
Die Festlegung überörtlicher Grünzonen in den Talsohlen des Rheintals und des Walgaus per Verordnung nach dem Vorarlberger Raumplanungsgesetz, LGBl. 8,9/1977, war - ähnlich der Einrichtung eines landesweiten Landschaftspflegefonds 1973 - zweifellos eine Pionierleistung für Österreich. Die Grünzonen in den beiden Agglomerationsräumen Rheintal und Walgau, in denen heute auf etwa 11 % der Landesfläche annähernd 300.000 Menschen oder 80 % der Vorarlberger Landesbevölkerung leben (KOPF, 1995), wurden gleichsam als letzter Damm gegen die ausufernde Siedlungstätigkeit errichtet, die mit anderen raumplanerischen Instrumenten, namentlich der ersten Generation der Flächenwidmungspläne, nur unzureichend in geordnete Bahnen gelenkt werden konnte.
Heuer kann die „Landesgrünzone“ auf ihr zwanzigjähriges, weitgehend unversehrtes Bestehen zurückblicken. Einige „kleine“ Wermutstropfen in der Siedlungsentwicklung sind allerdings geeignet, die Erfolgsbilanz merklich zu trüben: Zersplitterte Wohngebiete, ausgefranste Siedlungsränder, ausufernde Bebauung in der unteren Hangzone, unternutzte Betriebsgebiete und Funktionsverluste von Ortskernen sind nur einige Schlaglichter auf räumliche Fehlentwicklungen im Vorarlberger Talraum.
Bodenverbrauch und Baulandreserven
Trotz der Landesgrünzone ist der Vorarlberger Talraum zersiedelt wie kaum eine andere Ballungsregion Österreichs. Eine kaum noch nach einzelnen Orten unterscheidbare Bandstadt am Rheintalrand zwischen Bregenz und Feldkirch - wie schon im Zeitalter des ungebremsten Wachstumsglaubens im ersten und bislang einzigen Landesentwicklungsprogramm von Prof. Wurzer Ende der sechziger Jahre entworfen (WURZER, 1971) - ist innerhalb einer Generation beinahe Wirklichkeit geworden.
Dazu trug einerseits ein Bevölkerungswachstum um mehr als 70 % (!) zwischen 1951 und 1991 (Gesamtösterreich + 12 %) und andererseits eine äußerst flächenaufwendige Siedlungstätigkeit bei.
Die meisten Gemeinden verfügen trotz des überhitzten (Wohn-)Baubooms der letzten Jahre noch über sehr große Baulandreserven. Bei den knapp 700 ha gewidmeten und zu rund 50 % noch unbebauten Betriebsgebieten im Rheintal (AMT DER VBG. LANDESREGIERUNG, 1991) bestehen zudem erhebliche Disparitäten zwischen den einzelnen Kommunen: Offenbar fehlten regionalplanerische Vorgaben, welche Fehlentwicklungen hintanhielten. Es ist daher nicht verwunderlich, daß in letzter Zeit mit den durch den EU-Beitritt erweckten Hoffnungen auf Betriebsansiedlungen verschiedentlich der Ruf nach neuen Gewerbe- und Industriezonen am Siedlungsrand laut wurde.
Wie soll man nun mit den Freiflächen am Rand oder gar mit Widmungswünschen in der Grünzone selbst umgehen? Wie ist - in Anbetracht der kaum noch finanzierbaren Erschließungsaufwendungen - das bereits großzügig gewidmete Bauland zu mobilisieren? Welche regionalplanerischen Strategien werden für den interkommunalen Interessensausgleich zwischen gut und weniger gut mit Betriebsgebieten bedachten Gemeinden entwickelt?
Neue Betriebsgebiete
als wirtschaftliche Impulsgeber?
Wäre es nach den Betriebsansiedlungseuphorikern hierzulande gegangen, dann müßten in den letzten Jahren vor allem durch ausländische (besonders Schweizer) Investoren neue Betriebe und Betriebsgebiete fast wie die sprichwörtlichen Schwammerln aus dem Boden geschossen sein. Daß dem (leider) nicht so war und ist, kann in der regionalen Tagespresse nachgelesen werden: „Die Erwartungen in Richtung Betriebsansiedelungen, die vor und mit dem Beitritt zur EU gehegt wurden, waren auf jeden Fall zu hoch gesteckt.“ (VN, 10. 2. 1997). Bei den siebzig Firmenneugründungen mit ausländischer Beteiligung im Jahr 1996 handelt es sich großteils um Gastronomie- oder Handelsbetriebe. Dementsprechend gehen Arbeitsplatzimpulse derzeit weniger von Betriebsansiedlungen an der Peripherie - wenn man von den raumplanerisch nicht gerade erwünschten Bau- und Möbelmärkten, Einkaufszentren und Fast-food Drive-Ins einmal absieht - als vielmehr von Gewerbeparks mit vielseitigem Branchenmix aus, wie sie mehrfach erfolgreich in frei werdenden Betriebsimmobilien als sinnvolle Nachnutzung angesiedelt werden konnten.
Freiflächensicherung durch Betriebsflächenmanagement
Aus regional- und landschaftsplanerischer Sicht stellt sich die Frage, ob die wenigen noch vorhandenen, landschaftlich und ökologisch unersetzlichen „Grünbrücken“ zwischen Tal und Hangzone im Vorarlberger Zentralraum (Bereich Dornbirn, Hohenems und Götzis), die als letzte Zäsuren das Siedlungsband der „Rheintalstadt“ noch unterbrechen, betriebsbaulich verwendet werden sollen oder ob es nicht sinnvoller ist, beispielsweise im Nahbereich des regionalen Abfallwirtschaftszentrums für das Unterland ein interkommunales Betriebsgebiet zu errichten, das auch das Wärmepotential aus dem dort reichlich anfallenden Deponiegas sinnvoll nützen könnte.
Für die Ballungsräume Rheintal und Walgau sind nach heutigem Kenntnisstand neue siedlungs- und freiraumplanerische Leitbilder gefragt: Braucht nicht die langfristige Sicherung der Landwirtschafts-, Natur- und Erholungsflächen in einem sich großstädtisch verdichtenden Talraum einen stärkeren Rückhalt, eine aktivere planerische Auseinandersetzung auf überörtlicher Ebene? Ist es nicht eine ordnungsplanerische Herausforderung, hier lenkend einzugreifen, übergeordnete Interessen aufzuzeigen und Fehler aus den Anfängen der Flächenwidmungsplanung abzuschwächen, wenn sie schon nicht mehr grundlegend beseitigt werden können?
Ansätze zu einer Regionalplanung
für den Vorarlberger Talraum
„Während es für die Dorf- und Stadtentwicklung Leitbilder, Konzeptionen, Maßnahmenkataloge und nicht zuletzt Finanzmittel gibt, wird die Region von den Verantwortlichen nicht wahrgenommen, weil sie als politische Dimension nicht existiert“ (OPITZ, 1995). Gemeinde- und Regionalentwicklung sind heute vor allem siedlungs- und wirtschaftspolitische Aufgaben: Wie mache ich die Gemeinde oder die Region für die dort lebenden Menschen so attraktiv, daß sie und auch die Folgegenerationen gerne hier leben.
Die nicht selten zu hörende Aussage „Vorarlberg ist so klein und überschaubar, da brauchen wir keine eigene Regionalplanung“ ist daher nicht sehr stichhaltig. Wohl wird namentlich in den strukturschwachen (Berg-)Gebieten regionale Wirtschaftsförderung betrieben und es wurden einzelne Sachprogramme ausgearbeitet (AMT DER VBG. LANDESREGIERUNG, 1996); in den stark wachsenden Verdichtungsräumen fehlt hingegen eine regional abgestimmte Siedlungs- und Freiflächenplanung weitestgehend.
Um keine allzu breite Diskussion zu entfachen, wurden - wie die wenig ambitionierte Neufassung des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes, LGBL. 39/1996, zeigt - siedlungs- und regionalplanerische Überlegungen, wie die Themen
ú Überhang an gewidmeten Baulandreserven und Mobilisierung des Bodenmarktes,
ú Freiflächensicherung und -entwicklung im Talraum,
ú interkommunaler
Interessens- und Finanzausgleich bei
Betriebsgebieten, aus der Novelle weitgehend ausgeblendet.
Dabei sind in diesem Zusammenhang in den benachbarten Bundesländern in jüngster Zeit bemerkenswerte Aktivitäten festzustellen, wie z.B. das Sachprogramm „Siedlungsentwicklung und Betriebsstandorte im Salzburger Zentralraum“, das in Verbindung mit einer Novellierung der Wohnbauförderung in den Siedlungsschwerpunkten höhere Fördersätze als in sonstigen Gemeinden vorsieht (AMT DER SALZBURGER LANDESREGIERUNG, 1995), oder die erfolgreiche Arbeit des Tiroler Bodenbeschaffungsfonds zur Unterstützung der Gemeinden bei einer aktiven Bodenpolitik (RAUM 20/95). Nicht unerwähnt bleiben sollen Ansätze zur Baulandmobilisierung, wie die zeitlich befristete Widmung oder die Möglichkeit einer Rückerstattung der Aufschließungsabgaben an die Gemeinde in Niederösterreich (RAUM 19/95).
In Anbetracht der im Lande herrschenden Liberalisierungs- und Deregulierungsstimmung ist es keine leichte Aufgabe, diese drängenden Zukunftsfragen zur Landesentwicklung wirkungsvoll zu thematisieren. Vielleicht liefert ein drittes, derzeit viel strapaziertes Schlagwort den passenden Lösungsansatz: Regionalplanung als Wegbereiter einer „nachhaltigen Entwicklung“ oder, um es noch etwas trendiger zu sagen: „Regionalplanning for sustainability“!? Die Absichtserklärung des neuen Vorarlberger Landeshauptmannes Dr. Sausgruber könnte Hoffnung machen: „Umweltschutz im neuen Kleid der Nachhaltigkeit wird jetzt zur Chefsache“ (VN, 26. 3. 1997).
Rudolf Alge studierte Landschaftsökologie und -gestaltung an der Universität für Bodenkultur in Wien, war anschließend Assistent am Institut für Landschaftsplanung und Gartenkunst der TU Wien und arbeitet derzeit als selbständiger Landschaftsplaner im Planungsteam „stadtland“ sowie als Umweltbeauftragter der Marktgemeinde Lustenau.
Literatur:
AMT DER SALZBURGER LANDESREGIERUNG (1995): Sachprogramm Siedlungsentwicklung und Betriebsstandorte im Salzburger Zentralraum. Salzburg.
AMT DER VBG. LANDESREGIERUNG (1996): Raumplanung durch das Land - Grundsätze und Vorgangsweise. Bregenz.
AMT DER VBG. LANDESREGIERUNG (1996): Strukturdaten Vorarlberg. Bregenz.
AMT DER VBG. LANDESREGIERUNG (1983): Grundlagen und Probleme der Raumplanung in Vorarlberg. Bregenz.
KOPF, M. (1995): Betriebsstandortesicherung in Vorarlberg - besteht aus Sicht der überörtlichen Raumplanung ein Handlungsbedarf? Studienarbeit a.d. ETH Zürich. Bregenz.
OPITZ, A. (1995): Dorferneuerung jenseits der Idylle. In: Raum 20/95. Wien.
RAUM 19/95: Baulandmobilisierung in Niederösterreich. Wien.
RAUM 20/95: Erfolgreicher Beschaffungsfonds. Wien.
VN - Vorarlberger Nachrichten (10. 2. 1997): Flaute bei den Betriebsansiedlungen. Bregenz.
VN - Vorarlberger Nachrichten (13. 2. 1997): Betriebsansiedlungen mit und ohne EU. Bregenz.
VN - Vorarlberger Nachrichten (26. 3. 1997): Strukturfonds für finanzschwache Gemeinden. Bregenz.
WURZER, R. (1971): Raumordnung Vorarlberg, Bd. 2, Entwurf eines Landesentwicklungsprogrammes. Wien.
Für den Beitrag verantwortlich: zolltexte
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