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Das Gefühl, daheim zu sein
Alten- und Pflegeheime sind häufig Mahnmale: Sie künden von einer Gesellschaft, die Hinfälligkeit und Tod verdrängen will. In Hartkirchen, Oberösterreich, ist das anders.
18. Juli 2015 - Romana Ring
Kunst am Bau ist keine glückliche Bezeichnung. Schreibt sie doch eine Reihung fest, die ebenso den zeitlichen Ablauf der Dinge benennt wie deren Wert. Zuerst ist der Bau. Dann kommt – vielleicht – die Kunst. Da ist viel Wahres dran. Dennoch: Den von Förderungsgebern für Kunst vorgesehenen Bruchteil der Baukosten nach Abrechnung derselben für eine ergreifende Darstellung des heiligen Florian aus der Werkstätte des ortsansässigen Holzschnitzers zu verbraten ist auch jenseits kunstaffiner Zirkel längst nicht mehr Brauch. Gerade Architekten, die ihre eigene Aufgabe nicht im bloßen Bereitstellen technisch, wirtschaftlich und rechtlich unanfechtbarer Anlagen sehen, trachten danach, bildende Kunst frühzeitig in ihre Planungskonzepte zu integrieren.
Da nicht alle Entscheidungsträger öffentlicher Bauvorhaben Erfahrung im Umgang mit zeitgenössischer Kunst haben, ist in solchen Fällen häufig ein erhebliches Maß an Überzeugungsarbeit zu leisten. Im Projekt zum Neubau des Bezirksalten- und -pflegeheims Hartkirchen ist es dem Vöcklabrucker Architekturbüro Gärtner + Neururer und der Künstlerin Martina Schürz-Neururer gemeinsam geglückt, Architektur und bildende Kunst so zu verbinden, dass der daraus erwachsende Mehrwert dem aus immerhin sechs Bürgermeistern zusammengesetzten Vorstand des Sozialhilfeverbandes Eferding ersichtlich war.
Gärtner + Neururer haben in den vergangenen Jahren einige Erfahrung im Bau von Altenheimen gesammelt, die sie in die Lage versetzt, diese durch eine Vielzahl von Vorschriften im höchsten Maß regulierte Bauaufgabe nicht nur organisatorisch zu bewältigen, sondern dem engen Rahmen auch immer wieder hohe räumliche Qualität einzuschreiben. Das Bezirksalten- und -pflegeheim liegt am Rand der etwa 4000 Seelen zählenden Gemeinde Hartkirchen im oberösterreichischen Hausruckviertel auf einem Bauplatz ohne Einschränkungen durch benachbarten Bestand.
Dieser Umstand begünstigte die Entwicklung eines höchst ökonomischen Grundrisses, der kurze Wege für das Personal mit einer klaren Struktur zur Orientierung der Bewohnerinnen und Bewohner verbindet. Das dreigeschoßige Gebäude greift mit drei Trakten nach Osten, Süden und Norden. Das Erdgeschoß fasst allgemein genutzte Räume: Veranstaltungssaal, Kapelle, die Büros der Verwaltung, Therapie- und Personalbereiche sowie die Küche mitsamt ihren Nebenräumen. Deren Versorgung erfolgt von der Nordwestseite, während der Haupteingang im Südosten des Gebäudes liegt.
Über einen Windfang gelangt man in eine von Saal und Kapelle flankierte Halle und wahlweise über eine einläufige Treppe oder mittels Aufzug hinauf in die beiden Geschoße mit den Zimmern. Diese sind in den drei Flügeln jeweils entlang eines durch Türnischen strukturierten Mittelgangs aufgereiht, der mit einem raumhohen Fensterelement an seinem Ende den Bezug zum Außenraum herstellt. An ihrem entgegengesetzten Ende weiten sich die Gänge zu Aufenthaltsbereichen, denen Loggien zugeordnet sind. In der Mitte des Baukörpers, aus der die drei Zimmertrakte ihren Ausgang nehmen, sind die Pflegestützpunkte angeordnet. Auch hier haben die Architekten den Raum als Begegnungszone gestaltet, die sich mit breiten Glaselementen im zweiten Stock auf eine Loggia, im ersten Obergeschoß auf eine Terrasse öffnet. Denn an der Nordseite des Gebäudes wurde das nur sanft gewellte Gelände zu einem kleinen Hügel angeschüttet, der von Demenz betroffenen Menschen nun den ebenerdigen Ausgang in einen kleinen Garten ermöglicht.
So weit, so menschenfreundlich. Gärtner + Neururer haben den – nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht – rigorosen Vorgaben mit einem hellen, freundlich wirkenden Gebäude entsprochen, in dem sich Ordnung und Kleinteiligkeit zum Nutzen von Bewohnerinnen und Beschäftigten die Waage halten. Den aus vielerlei Notwendigkeiten erwachsenen, an Krankenhausbauten gemahnenden Details wie den breiten, für Bettentransporte geeigneten Türen oder den Handläufen an den Wänden haben sie, wo immer sich die Gelegenheit bot, Situationen entgegengesetzt, die vom einst Gewohnten erzählen sollen: eine Sitzgelegenheit in einer holzverkleideten Nische hier, einen gemauerter Ofen mit umlaufender Bank dort; den Ausblick in die Landschaft, in der man einmal daheim gewesen ist.
Mit ihrer künstlerischen Intervention versucht Martina Schürz-Neururer, diesen Gedanken weiterzutragen. So hoch das Niveau der Institution Alten- und Pflegeheim in pflegetechnischer Hinsicht auch sein mag, sosehr man sich um das Wohlergehen der Bewohnerinnen und Bewohner bemüht: Sie bleiben Gefangene ihrer Gebrechlichkeit und die Heime Mahnmale, vorzugsweise an die zersiedelten Ränder einer Gesellschaft gestellt, die Hinfälligkeit und Tod nicht sexy findet.
Martina Schürz-Neururer begegnet diesem grimmigen Befund mit Lebensfreude und Humor. Sie greift auf eigene Kindheitserinnerungen im umgebenden Landschaftsraum zurück und verwandelt sein signifikantestes Kennzeichen in ein Ornament: die säuberlich gezogenen Reihen der Gemüsebeete, die auf diesen ertragreichen Böden praktisch allgegenwärtigen Krautköpfe, mit deren abstrahiertem Bild sie unter Beibehaltung geometrisch strenger Ordnung die Stirnseiten der drei Gebäudeflügel überzogen hat. Sie hat in den Vollwärmeschutz des Hauses ein Symbol für Wachstum und Fruchtbarkeit gewoben und so eine Hülle fabriziert, die in mehr als einer Hinsicht wärmt; die ein Signal der Verbundenheit mit dem Landstrich und seinen Lebensformen sendet, im Namen von Menschen, die immer noch Teil des Ganzen sind.
Im Inneren des Hauses hat Martina Schürz-Neururer das Ornament weiter zu einem Musterrapport zerlegt, der die Eingangsnischen der Zimmer ziert. Auf der Basis eines sorgfältig differenzierten Farbkonzeptes verbessern die in den verschiedenen Trakten und Stockwerken unterschiedlich ausgeformten Muster ein weiteres Mal die Möglichkeit, sich im Haus zurechtzufinden. Gleichzeitig erinnern sie an das in dieser Gegend noch gebräuchliche Weißen und anschließende Walzen der Wände und vermitteln so die Ahnung eines vielleicht schon vergessenen Gefühls: daheim zu sein.
Da nicht alle Entscheidungsträger öffentlicher Bauvorhaben Erfahrung im Umgang mit zeitgenössischer Kunst haben, ist in solchen Fällen häufig ein erhebliches Maß an Überzeugungsarbeit zu leisten. Im Projekt zum Neubau des Bezirksalten- und -pflegeheims Hartkirchen ist es dem Vöcklabrucker Architekturbüro Gärtner + Neururer und der Künstlerin Martina Schürz-Neururer gemeinsam geglückt, Architektur und bildende Kunst so zu verbinden, dass der daraus erwachsende Mehrwert dem aus immerhin sechs Bürgermeistern zusammengesetzten Vorstand des Sozialhilfeverbandes Eferding ersichtlich war.
Gärtner + Neururer haben in den vergangenen Jahren einige Erfahrung im Bau von Altenheimen gesammelt, die sie in die Lage versetzt, diese durch eine Vielzahl von Vorschriften im höchsten Maß regulierte Bauaufgabe nicht nur organisatorisch zu bewältigen, sondern dem engen Rahmen auch immer wieder hohe räumliche Qualität einzuschreiben. Das Bezirksalten- und -pflegeheim liegt am Rand der etwa 4000 Seelen zählenden Gemeinde Hartkirchen im oberösterreichischen Hausruckviertel auf einem Bauplatz ohne Einschränkungen durch benachbarten Bestand.
Dieser Umstand begünstigte die Entwicklung eines höchst ökonomischen Grundrisses, der kurze Wege für das Personal mit einer klaren Struktur zur Orientierung der Bewohnerinnen und Bewohner verbindet. Das dreigeschoßige Gebäude greift mit drei Trakten nach Osten, Süden und Norden. Das Erdgeschoß fasst allgemein genutzte Räume: Veranstaltungssaal, Kapelle, die Büros der Verwaltung, Therapie- und Personalbereiche sowie die Küche mitsamt ihren Nebenräumen. Deren Versorgung erfolgt von der Nordwestseite, während der Haupteingang im Südosten des Gebäudes liegt.
Über einen Windfang gelangt man in eine von Saal und Kapelle flankierte Halle und wahlweise über eine einläufige Treppe oder mittels Aufzug hinauf in die beiden Geschoße mit den Zimmern. Diese sind in den drei Flügeln jeweils entlang eines durch Türnischen strukturierten Mittelgangs aufgereiht, der mit einem raumhohen Fensterelement an seinem Ende den Bezug zum Außenraum herstellt. An ihrem entgegengesetzten Ende weiten sich die Gänge zu Aufenthaltsbereichen, denen Loggien zugeordnet sind. In der Mitte des Baukörpers, aus der die drei Zimmertrakte ihren Ausgang nehmen, sind die Pflegestützpunkte angeordnet. Auch hier haben die Architekten den Raum als Begegnungszone gestaltet, die sich mit breiten Glaselementen im zweiten Stock auf eine Loggia, im ersten Obergeschoß auf eine Terrasse öffnet. Denn an der Nordseite des Gebäudes wurde das nur sanft gewellte Gelände zu einem kleinen Hügel angeschüttet, der von Demenz betroffenen Menschen nun den ebenerdigen Ausgang in einen kleinen Garten ermöglicht.
So weit, so menschenfreundlich. Gärtner + Neururer haben den – nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht – rigorosen Vorgaben mit einem hellen, freundlich wirkenden Gebäude entsprochen, in dem sich Ordnung und Kleinteiligkeit zum Nutzen von Bewohnerinnen und Beschäftigten die Waage halten. Den aus vielerlei Notwendigkeiten erwachsenen, an Krankenhausbauten gemahnenden Details wie den breiten, für Bettentransporte geeigneten Türen oder den Handläufen an den Wänden haben sie, wo immer sich die Gelegenheit bot, Situationen entgegengesetzt, die vom einst Gewohnten erzählen sollen: eine Sitzgelegenheit in einer holzverkleideten Nische hier, einen gemauerter Ofen mit umlaufender Bank dort; den Ausblick in die Landschaft, in der man einmal daheim gewesen ist.
Mit ihrer künstlerischen Intervention versucht Martina Schürz-Neururer, diesen Gedanken weiterzutragen. So hoch das Niveau der Institution Alten- und Pflegeheim in pflegetechnischer Hinsicht auch sein mag, sosehr man sich um das Wohlergehen der Bewohnerinnen und Bewohner bemüht: Sie bleiben Gefangene ihrer Gebrechlichkeit und die Heime Mahnmale, vorzugsweise an die zersiedelten Ränder einer Gesellschaft gestellt, die Hinfälligkeit und Tod nicht sexy findet.
Martina Schürz-Neururer begegnet diesem grimmigen Befund mit Lebensfreude und Humor. Sie greift auf eigene Kindheitserinnerungen im umgebenden Landschaftsraum zurück und verwandelt sein signifikantestes Kennzeichen in ein Ornament: die säuberlich gezogenen Reihen der Gemüsebeete, die auf diesen ertragreichen Böden praktisch allgegenwärtigen Krautköpfe, mit deren abstrahiertem Bild sie unter Beibehaltung geometrisch strenger Ordnung die Stirnseiten der drei Gebäudeflügel überzogen hat. Sie hat in den Vollwärmeschutz des Hauses ein Symbol für Wachstum und Fruchtbarkeit gewoben und so eine Hülle fabriziert, die in mehr als einer Hinsicht wärmt; die ein Signal der Verbundenheit mit dem Landstrich und seinen Lebensformen sendet, im Namen von Menschen, die immer noch Teil des Ganzen sind.
Im Inneren des Hauses hat Martina Schürz-Neururer das Ornament weiter zu einem Musterrapport zerlegt, der die Eingangsnischen der Zimmer ziert. Auf der Basis eines sorgfältig differenzierten Farbkonzeptes verbessern die in den verschiedenen Trakten und Stockwerken unterschiedlich ausgeformten Muster ein weiteres Mal die Möglichkeit, sich im Haus zurechtzufinden. Gleichzeitig erinnern sie an das in dieser Gegend noch gebräuchliche Weißen und anschließende Walzen der Wände und vermitteln so die Ahnung eines vielleicht schon vergessenen Gefühls: daheim zu sein.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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