Artikel

Einfamilienhaus war einmal
Oberösterreichische Nachrichten

Neuhofen: Qualitäten erkennen, erhalten und attraktiv nachverdichten - das wäre ein wirksames Gegengift zum Ideal vom Eigenheim. Im Kremstal steht ein Beispiel.

30. Januar 2016 - Tobias Hagleitner
Noch immer wird vom Häuschen im Grünen geträumt, wird es öffentlich beworben und gefördert, obwohl es durch Flächenfraß und Zersiedelung längst zur Bedrohung für die heimische Landschaft geworden ist. Wer allerdings wünscht sich nicht ein Leben mit Naturbezug, mit etwas Grün rundum, mit Individualität und Charakter? Das sind legitime Erwartungen an gutes Wohnen, die viele teilen. Dass das Einfamilienhaus allerdings die einzige Bauform wäre, die das leisten kann, ist ein schreckliches Missverständnis, das in Oberösterreich vor allem am Mangel an geglückten und zugleich leistbaren Alternativen im Bereich Wohnungsbau liegt.

Ensemble statt Solist

Architekt Reinhard Platzl hat in Neuhofen ein Wohnprojekt umgesetzt, das die Idee vom ländlichen Dasein mit städtischer Klarheit und reduziertem Raumverbrauch verbindet. Der Bestand, ein sechzig Jahre altes Wohnhaus, wurde saniert und bildet nun mit dem Neubau auf der Nordseite des Grundstücks ein Ensemble um den gemeinsamen Garten.

Das Alt-Haus wurde in der Struktur kaum verändert, lediglich die äußere Erscheinung wurde minimalistisch reduziert. Das marode Dach kam weg, der ehemalige Balkon war als Wärmebrücke stets Ursache für Schimmelbildung und wurde abgeschnitten. Weißer Kalkputz unterstreicht die Aufgeräumtheit, ohne steril zu wirken. Ein stehender Betonwinkel ergänzt das Haus im Osten um ein Stiegenhaus. So ist die getrennte Erschließung und Vermietung der Etagen möglich.

Der Neubau ist wie der Bestand zweigeschoßig: „Hier im Kerngebiet wäre sicher mehr Höhe möglich gewesen, aber ich wollte das auf die umgebende Bebauung abstimmen“, erklärt Platzl. Die Organisation in zwei getrennten, zueinander leicht versetzten Baukörpern ist von derselben Überlegung angeleitet. So wird die kleinteilige Struktur der Nachbarschaft stimmig fortgesetzt. Das offene Stiegenhaus fasst je zwei und zwei Wohneinheiten mit Leichtigkeit in ein zusammenhängendes Ganzes, ohne dem Garten die nachbarschaftlichen Sichtbeziehungen und damit die wohnliche Leichtigkeit zu nehmen. Eine Besonderheit in diesen Breiten ist das Fassadenmaterial: Obwohl es wie beim Kalkputz lokale Traditionen und Vorbilder gäbe, wird blanker Backstein selten hergezeigt. Beim Projekt „BR14“ gibt es das. Auch wenn es nur eine aufgeklebte Haut aus dünnen Klinkerriemchen ist – für einen gedämmten Ziegelmassivbau ist das mindestens so folgerichtig wie der leblose Kunstharzputz, der im Normalfall aufgekleistert wird. Klinker altert hingegen in Würde, gibt Tiefe und Lebendigkeit. Im Zusammenspiel mit der homogen weißen Fassade gegenüber macht das einen feinen Kontrast, unterstreicht das natürliche Ambiente in dem Garten mit alten Bäumen.

Halb dörflich, halb urban

Neuhofen hat alle Voraussetzungen für einen beliebten Wohnstandort, der weiter wachsen kann. Es liegt gut angebunden mitten im Zentralraum, bietet zugleich Freiraumqualitäten einer ländlichen Gemeinde.

Das private Investitionsobjekt des Architekten kann für künftige Bauvorhaben hier und anderswo in mancher Hinsicht Vorbild sein: Durch Schließen von Lücken nachverdichten und damit den Ortskern stärken, durch passende Dimensionierung und sensiblen Umgang mit dem Vorhandenen Durchlässigkeit und Natürlichkeit bieten.

Für Reinhard Platzl, der aus der Nachbargemeinde stammt, war das Projekt auf dem Grundstück seines Großvaters eins der ersten in Oberösterreich. Bis 2012 war er sieben Jahre lang in China, arbeitete als Projekt- bzw. Geschäftsleiter für namhafte Büros wie Coop Himmelb(l)au oder Baumschlager Eberle. In seinem Atelier im ersten Stock des renovierten Bestandshauses hängen Bilder von Großprojekten in Shenzhen und Beijing. Die Erfahrungen im boomenden Land der Morgenröte prägen die Sichtweise des Architekten: „In Oberösterreich gibt es noch viel Potenzial“, meint Platzl, „es wird viel gebaut, aber die Qualität leidet, weil das Bewusstsein für Architektur noch weitgehend fehlt.“

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Oberösterreichische Nachrichten

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: