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Wohn­bau: Bil­lig und schnell wird spä­ter teu­er
Der Standard

Die Wie­ner In­ter­na­tio­na­le Bau­aus­stel­lung star­tet bald. Aus die­sem An­lass hin­ter­fra­gen Ro­bert Te­mel, Re­na­te Ham­mer und Pa­trick Ja­ritz von der Platt­form Bau­kul­tur­po­li­tik die aus­ge­ru­fe­ne Wohn­bau­of­fen­si­ve.

Wiens Wohn­bau­stadt­rat Mi­cha­el Lud­wig prä­sen­tier­te jüngst sei­ne Plä­ne für ei­nen Um­bau des Wie­ner Wohn­bau­sys­tems, der durch ak­tu­el­le Ent­wi­cklun­gen her­aus­ge­for­dert wird: Die Be­völ­ke­rungs­zahl Wiens steigt mas­siv (2015 um plus 43.000 Men­schen), gleich­zei­tig stag­nie­ren die vom Bund über­wie­se­nen Wohn­bau­för­der­mit­tel.

Wohn­raum für Flücht­lin­ge ist ein ak­tu­el­les The­ma, al­ler­dings nur ein Spe­zi­al­fall des all­ge­mei­nen Be­darfs an „leist­ba­rem Woh­nen“. Gleich­zei­tig wird die In­ves­ti­ti­on in so­zia­le In­fras­truk­tur, die ei­ne Vor­aus­set­zung für Wohn­bau ist, durch die Sta­bi­li­täts­kri­te­rien er­schwert. Es bleibt ei­ne Her­aus­for­de­rung, wie man das nö­ti­ge Tem­po im Wohn­bau mit Qua­li­täts­si­che­rung ver­eint.

Lud­wig rea­giert da­rauf mit ei­nem „Dre­hen an Schrau­ben“ – si­cher­lich die stärk­ste Ver­än­de­rung seit der Ein­füh­rung der „so­zia­len Nach­hal­tig­keit“ als Be­ur­tei­lungs­kri­te­ri­um für Wohn­bau­pro­jek­te zwei Jah­re nach sei­nem Amt­san­tritt 2007: Er will mehr, schnel­ler, preis­wer­ter und nach­hal­ti­ger bau­en.

Dass ei­ne Of­fen­si­ve nö­tig ist, kann kaum be­strit­ten wer­den: Ei­ne Stei­ge­rung der Be­völ­ke­rung Wiens auf et­wa zwei Mil­lio­nen bis 2029 wird prog­nos­ti­ziert, da­bei geht man von ei­nem jähr­li­chen Zu­wachs um et­wa 20.000 Per­so­nen aus, der seit 2012 im­mer über­schrit­ten wur­de.

Das rot-grü­ne Re­gie­rungs­über­ein­kom­men für Wien sieht den Bau von 10.000 Woh­nun­gen pro Jahr vor. Für das ver­gan­ge­ne Jahr (mit hof­fent­lich au­ßer­ge­wöhn­lich ho­hem Zu­wachs) wä­ren dop­pelt so vie­le be­nö­tigt wor­den. In­so­fern ist es not­wen­dig und un­ter­stüt­zens­wert, dass Lud­wig ei­ne Stei­ge­rung der jähr­li­chen Neu­bau­leis­tung, mehr Ge­mein­de­woh­nun­gen und ein Pro­gramm für Woh­nun­gen in Holz­bau­wei­se vor­schlägt.

So­fort­pro­gramm mit Holz­bau

Aber der Teu­fel steckt im De­tail, des­halb ist es sinn­voll, ei­ni­ge Aspek­te noch ein­mal auf ih­re Sinn­haf­tig­keit zu prü­fen. Stich­wort So­fort­pro­gramm in Holz­bau­wei­se: Lud­wig stellt fest, dass es „kei­ne ge­son­der­te Wohn­form spe­ziell für Asyl­be­rech­tig­te“ ge­ben soll, und dem kann nur zu­ge­stimmt wer­den. Leist­ba­res Woh­nen ist ei­ne zen­tra­le Auf­ga­be der Stadt, al­ler­dings soll­te die­ses leist­ba­re Woh­nen mit an­de­ren Wohn­for­men ge­mischt wer­den, um Seg­re­ga­ti­on zu ver­mei­den. Es wä­re des­halb sinn­voll, der­ar­ti­ge Bau­ten als „Sied­lungs­ker­ne“ für grö­ße­re Wohn­bau­ge­bie­te zu ver­wen­den. Wenn die Schnell­bau­ten ei­nes Ta­ges nicht mehr be­nö­tigt wer­den, bö­te sich an ih­rer Stel­le der in vie­len Sied­lun­gen be­nö­tig­te, fle­xi­ble Raum, um er­gän­zen­de Nut­zun­gen un­ter­zu­brin­gen.

Es gibt al­ler­dings auch Punk­te, die kri­tik­wür­dig sind. Ein Spe­zi­fi­kum des Wie­ner Wohn­baus ist die Qua­li­täts­orien­tie­rung. Je­des ge­för­der­te Wohn­haus muss ent­we­der vom Grund­stü­cksbei­rat qua­li­ta­tiv be­gut­ach­tet wer­den oder sich ei­nem „Bau­trä­ger­wett­be­werb“ stel­len. Der her­aus­ra­gen­de in­ter­na­tio­na­le Ruf des Wie­ner Wohn­baus grün­det zu ei­nem gro­ßen Teil ge­nau da­rauf.

Qua­li­täts­si­che­rung ge­fähr­det

Die Of­fen­si­ve er­laubt es nun erst­mals, dass Bau­trä­ger För­de­rung er­hal­ten kön­nen, oh­ne sich die­ser Qua­li­täts­si­che­rung zu stel­len. Vor­erst nur, wenn ei­ne po­si­ti­ve Be­wer­tung durch die bun­des­ei­ge­ne Wohn­bau-In­ves­ti­ti­ons­bank (WBIB) vor­liegt. Die WBIB wird aber ga­ran­tiert nicht so stren­ge Qua­li­täts­kri­te­rien wie in Wien an­wen­den; und da­mit ist ei­ne Tür ge­öff­net, die zum ra­schen Ver­fall der Wie­ner Wohn­bau­qua­li­tät füh­ren kann. Viel Zeit wird da­durch nicht ge­won­nen, der Grund­stü­cksbei­rat war in den letz­ten Jah­ren kaum aus­ge­la­stet.

Eben­so ab­lehn­ens­wert: Die „Kos­ten der Frei­raum­ge­stal­tung“ sol­len zu­künf­tig ge­de­ckelt wer­den. Der Frei­raum im Wie­ner Wohn­bau hat bis vor kur­zem ein trau­ri­ges Da­sein ge­führt, das erst in den letz­ten Jah­ren durch brei­te An­stren­gun­gen zu ei­nem lang­sam er­blü­hen­den, zar­ten Pflänz­chen ge­wor­den ist. Ge­ra­de heu­te, in Zei­ten mas­si­ven Be­völ­ke­rungs­wachs­tums, ist die Qua­li­tät der städ­ti­schen Frei­räu­me für al­le Wie­ne­rin­nen und Wie­ner von höch­ster Be­deu­tung. Da­zu kommt, dass der An­teil der Frei­raum­ge­stal­tung an den Ge­samt­kos­ten des Wohn­baus ge­ra­de­zu un­sicht­bar ge­ring ist.

Ein wei­te­rer wich­ti­ger Punkt: Die In­fras­truk­tur­kom­mis­si­on soll zum „Len­kungs- und Steue­rungs­gre­mi­um“ wer­den – das sagt an sich noch nicht viel, der ge­lern­te Wie­ner merkt bei sol­chen For­mu­lie­run­gen aber auf: Wird da­durch et­was bes­ser? Die­se Kom­mis­si­on er­laubt grö­ße­re Wohn­bau­vor­ha­ben nur dann, wenn die da­für nö­ti­ge so­zia­le und tech­ni­sche In­fras­truk­tur ge­si­chert ist. Das kann man na­tür­lich ent­kop­peln, um den Wohn­bau zu be­schleu­ni­gen – aber das be­deu­tet, dass dann die ge­nau­so not­wen­di­ge Ver­kehrs- und Schul­in­fras­truk­tur fehlt.

Zur die Stell­platz­ver­pflich­tung: Bis vor kur­zem muss­te man in Wien für je­de neue Woh­nung ei­nen Park­platz bau­en, der­zeit 0,7 Park­plät­ze pro Woh­nung, Lud­wig will das wei­ter re­du­zie­ren. Das ist po­si­tiv – al­ler­dings nur, wenn das durch ei­ne ent­spre­chen­de Mo­bi­li­täts­po­li­tik für die Neu­bau­ge­bie­te, für de­ren Um­feld und die Stadt ins­ge­samt flan­kiert wird. Wenn statt­des­sen Pkws ein­fach im öf­fent­li­chen Raum ge­parkt wer­den, ist das kon­tra­pro­duk­tiv.

Of­fen­si­ve zur Bau­aus­stel­lung

Wien star­tet die­ser Ta­ge mit ei­ner In­ter­na­tio­na­len Bau­aus­stel­lung (IBA) zum The­ma Wohn­bau. Das ist ein klu­ges Kon­zept, al­ler­dings hat­te man bis­her den Ein­druck, dass die Wie­ner IBA vor al­lem der Prä­sen­ta­ti­on des be­reits Er­reich­ten dient, statt Neu­es zu ent­wi­ckeln. Die not­wen­di­gen Än­de­run­gen im Wie­ner Wohn­bau könn­ten An­lass sein, die­ses Neu­ent­wi­ckeln in die IBA zu in­te­grie­ren und da­durch den ak­tu­el­len Be­darf zu be­die­nen. Es darf kei­nes­falls da­zu kom­men, dass der Wie­ner Wohn­bau sei­ne Er­run­gen­schaf­ten ver­liert. Ge­ra­de jetzt, wo zeit­li­cher und fi­nanz­iel­ler Druck be­steht, muss um­so mehr auf hoch­wer­ti­ge Pla­nung und Qua­li­täts­si­che­rung ge­setzt wer­den, statt zu be­haup­ten, dass ge­spar­te Pla­nungs­kos­ten ir­gend­et­was bil­li­ger ma­chen. Bil­lig und schnell al­lein wird spä­ter teu­er.

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