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Klassiker, Stahlrohrmöbel und Leuchten
Neue Zürcher Zeitung

Eindrücke von der Internationalen Möbelmesse Köln

An der Internationalen Möbelmesse Köln, die dieses Jahr in der zweiten Januarhälfte stattfand, wurde der Blick vorwärts und rückwärts gewandt. Eine Rückbesinnung auf die Klassiker stand bei einigen Firmen im Zentrum. Erstmals mit dabei waren dieses Jahr die Leuchtenfirmen, von denen einige mit interessanten Neuentwicklungen überraschten.

5. Februar 1999 - Irene Meier
Zum Ende des Jahrhunderts haben sich Traditionsfirmen wie Thonet Frankenberg, «wb form» Zürich sowie Horgen-Glarus auf ihre Geschichte besonnen und sind in Köln mit Klassikern des Möbeldesigns aufgetreten. Die Möbel aus verchromtem Stahlrohr von Mies van der Rohe, Mart Stam und Marcel Breuer sind eng mit dem Namen der Firma Thonet Frankenberg verbunden. Stahlrohrmöbel waren in den späten zwanziger und den frühen dreissiger Jahren die logische Weiterführung der Bugholzmöbel, für die Thonet namengebend war. Dieses Jahr präsentierte die Firma aus Deutschland in Köln rund 40 Möbel aus verchromtem Stahlrohr nun erstmals als attraktives Gesamtensemble, einige davon in Reeditionen. Nahtlos reihen sich ein Regal und eine Garderobe der beiden jungen Schweizer Gestalter Alfredo Häberli und Christophe Marchand in den Reigen der historischen Stühle und Sessel ein. Gebogenes Stahlrohr war letztes Jahr auch bei italienischen Firmen wiederaufgetaucht, so in einem Sessel von Antonio Citterio, der als ein Trendsetter der Branche gilt. Wer sich schon immer an Klassiker mit klarer Form gehalten hat, ist mit seinem angestammten Mobiliar nun plötzlich topaktuell: Die Chromstahlmöbel entsprechen dem Trend zur kühlen Eleganz und Sachlichkeit und fügen sich zudem im modischen Stilmix gut ein.

Spezialitäten für Designliebhaber

Auf Tradition setzt auch die «wb form», eine Partnerin von Wohnbedarf Zürich. In einer Sonderschau präsentierte sie zusammen mit der Firma Horgen-Glarus in der Agrippina-Werft im Rheinauhafen eine Hommage an Max Bill als Werkschau von Tischen, Hockern und Stühlen aus den fünfziger Jahren, der Zeit von Bills Tätigkeit an der Hochschule für Gestaltung in Ulm. Die Möbel werden von Horgen-Glarus, einer der ältesten Möbelfabriken der Schweiz (seit 1882), hergestellt. Zu ihrem Sortiment gehören auch die sogenannten Typenmöbel von Werner Max Moser und Max Ernst Häfeli aus den zwanziger und dreissiger Jahren, die bei Liebhabern von klarem Design wieder beliebt sind. Erstmals trat die traditionsreiche Firma aus Glarus mit ihren Klassikern, aber auch Neuentwürfen von Hannes Wettstein und Urs Esposito in Köln auf, und das gleich doppelt, neben der Sonderschau mit «wb form», war sie auch mit einem eigenen Stand in den Messehallen präsent. Offenbar rechnet man für hochpreisliche Designklassik durchaus mit einem internationalen Absatzmarkt.

Selbstverständlich erfreuen aber Neuentdeckungen beim Messerundgang mehr als die - noch so raffiniert präsentierte - Wiederbegegnung mit alten Bekannten. Gerne schaut man sich auch an, was kleine Firmen sich übers Jahr so ausgedacht haben. Da begegnet man bei Nils Holger Moormann einem Regal von Konstantin Grcic, das seine Standfestigkeit auch nicht verliert, wenn daran gerüttelt wird.

Experimente mit Sperrholz

Naturfarbenes Birkensperrholz, ein Material aus dem Flugzeugbau, hat sich zu einem Lieblingsmaterial experimenteller Designer gemausert. Entgegen einer verbreiteten Meinung ist es allerdings nicht billig. Finnisches Flugzeugsperrholz verwendet der Schweizer Designer Ubald Klug schon längere Zeit. Für seinen Kofferschrank «Shell» (für Röthlisberger-Kollektion), dessen Innenleben aus Behälterschalen besteht, die aus extragrossen Birkensperrholzplatten zum Hohlkörper gebogen wurden, hat er eben den begehrten internationalen Designpreis Baden-Württemberg bekommen. Dasselbe hochwertige Material - Birkensperrholz nature, in fünf Schichten zu einer 3 mm starken Platte verleimt - hat er nun zum Garderobenständer in Ährenform namens «Spiga» gebogen. Röthlisberger-Kollektion hat ihn in Köln im Rahmen des Forums 8 auf dem Rheinauhafen-Gelände erstmals gezeigt.

Auch die Gestalter der Galerie Blau experimentieren mit Birkensperrholz. Das Regal «abstract plane» besteht ausschliesslich aus hauchdünnen Sperrholzteilen und vermag bei nur 3 Kilogramm Eigengewicht 80 Kilogramm zu tragen! Das aus präzisionsgefrästen Teilen bestehende Regal wird mit wenigen Handgriffen zusammengesteckt. Auch das zweite Regal des kleinen Möbelvertriebs aus Berlin überrascht wegen seiner ausgeklügelten Konstruktion: Das faltbare Regalsystem «rs folder» aus robustem Birkenmultiplex in verschiedenen Ausführungen wird als Paket vormontiert geliefert. Mit wenigen Handgriffen aufgeklappt und mit dem Rückenkreuz fixiert, ist es sofort einsatzfähig. Das Standardmodell ist in der Höhe wie in der Breite anbaubar. Und wer will, kann «Fünf Liter Licht», die Leuchte, die aus einem Sauerkraut-Topf auf eleganten Beinen besteht, dazustellen.

Innovative Leuchten

Erstmals hatten dieses Jahr auch Leuchtenfirmen Zutritt zur Internationalen Möbelmesse in Köln. Alternierend zur Euroluce in Mailand, soll sie in Zukunft alle zwei Jahre stattfinden. Diese Erweiterung des Messeangebotes ist mitverantwortlich, dass dieses Jahr der bisherige Besucherrekord mit insgesamt rund 123 000 Besuchern deutlich übertroffen wurde. Sicher ist es hilfreich und praktisch, wenn man sich an derselben Veranstaltung über Trends im Möbeldesign wie auch im Leuchtenbereich informieren kann, die sich ja ergänzen sollten. Die Schweizer Leuchtenfirma Belux hatte mit ihrer Angebotspalette an verschiedenartigen Produkten einen der überzeugendsten Auftritte im Kölner Leuchten-Center. Der Leuchtenspezialist aus Wohlen versteht es, technologische Innovation und attraktives Design beispielhaft zu vereinen. Eine typische Belux-Neuentwicklung ist die Deckenschiene, mit der sich eine Pendelleuchte jeweils auf einer Länge von 80 cm horizontal verschieben lässt. Ein patentierter Mechanismus, der für den Anwender unsichtbar bleibt, sorgt für ein müheloses Gleiten des elektrischen Anschlusses. Mehrere Belux-Schienen lassen sich zu einer Einheit von beliebig vielen Elementen aneinanderfügen und erlauben so im Heim-, Office- oder Restaurantbereich eine neue, flexible Lichtorganisation.

Futuristisch mutet die Wand- und Deckenleuchte «Surve» an. Aus saturiertem Acrylglas in verschiedenen Farben gefertigt, ist sie eine edle und energiesparend ausgerüstete Neuinterpretation der verpönten Fluoreszenzleuchte. Die Pendelleuchte «Optic» von Martin Huwiler ist in ihrer Kombination von Technik und Form ebenso ein Novum: Sie besteht aus einer Präzisions-Fresnel-Linse mit einem Durchmesser von 45 cm, die lediglich von einem dünnen Seil getragen wird. Die Lichtquelle in Form einer blendfreien 100-Watt-Niedervoltlampe an der Decke durchleuchtet die unter ihr schwebende Linse, die das Licht, über einem Esstisch etwa, gleichmässig verteilt. Durch eine einfache Berührung des Seiles lässt sich die Lampe schalten und die Helligkeit stufenlos regulieren. Auch mit «Diogenes» von King Miranda lassen sich Beleuchtungsprobleme zu Hause spielend lösen, denn sie ist zugleich Steh- und Leseleuchte. Aus Aluminium gefertigt, enthält sie in ihrem «Kopf» sowohl eine 400-Watt-Halogenlampe für die Ausleuchtung des Raumes, wie auch eine 50-Watt-Niedervolt- Halogenlampe, die als beliebig richtbares Leselicht dient. Beide Lichtquellen sind unabhängig voneinander schaltbar. Ältere Modelle aktualisierte Belux blitzschnell: Die Arbeitsleuchte «Edisson» von Urs und Carmen Greutmann ist neu auch in transparenten Farben zu haben, die auf das Computer-Erfolgsmodell iMac abgestimmt sind.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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