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Frisch im Sommer
Spectrum

Als Sport, Körperkultur und Sonnenbräune um 1900 an Bedeutung gewannen, entstanden in Österreich die ersten Frei- und Seebäder. Einige überlebten den Konkurrenzkampf, andere sind heute Ruinen. Ein Ausflug in die Welten des Wassers.

13. August 2016 - Iris Meder
Nicht ohne ein Geschrei, nicht ohne ein wildes, teils von der Kühlung, teils von dem Behagen aufgeregtes Lustjauchzen“ warf sich einst Johann Wolfgang Goethe in die Fluten der Ilm. In Österreich dauerte es bis zum wirklichen Durchbruch des Sommerziels Freibad aber noch ein wenig länger. Schwimmen lernte man ab dem frühen 19. Jahrhundert nach der Methode von Ernst von Pfuel, preußischer Ministerpräsident und Freund Heinrich von Kleists: die Bewegungen des Frosches nachahmend – noch heute als Brustschwimmen praktiziert – und dabei an einer vom Schwimmlehrer gehaltenen angelartigen Rute hängend. Die von Pfuel entwickelten Militärschwimmschulen waren auch für Zivilisten zugänglich – darunter das als einzige Pfuel'sche Schwimmschule noch heute genutzte Seebad „Mili“ in Bregenz.

In Baden bei Wien entwarfen die Architekten der Wiener Oper, August Sicard von Sicardsburg und Eduard van der Nüll, 1848 die beiden Freibecken der Mineralschwimmschule, die der Konkurrenz des unter Moritz II. Graf von Fries ausgebauten nahen BadVöslau Paroli bieten sollten. Die Reste des Bades gingen in den 1990er-Jahren in der heutigen „Römertherme“ auf. Mit der Wandlung medizinischer Standards gewannen Sport, Körperkultur und Sonnenbräune auch für Sommerfrischler an Bedeutung. An Donau, Ybbs, Kamp und Thaya boten hölzerne Flussbäder sommerliche Kühlung – sofern nicht die Abwässer des gnadenlosen Industriezeitalters ErfrischungSuchenden das Baden vergällten. Freischwimmbecken waren – nicht zuletzt wegen der zunehmenden Verschmutzung vieler Flüsse – eine wichtige Alternative. Schon 1882 konnte die eigens gegründete „Badegesellschaft“ das Freibad in Payerbach – mit angrenzendem „Badegarten“ und bald auch einem Tennisplatz – eröffnen. Übertrumpft wurden die Payerbacher erst 1911, als das benachbarte Reichenau mit dem ersten geheizten Freibad der Monarchie konterte. Beide Bäder bestehen in veränderter Form noch immer.

Nach 1918 brachte das Wegbrechen weiter Teile ihres Publikums Österreichs Kurorten neue Herausforderungen. In Baden begegnete man ihnen 1926 mit dem Bau eines großzügigen Strandbades nach Entwürfen des lokalen Architekten Alois Bohn. Foyer und Umkleiden wurden mit Art-déco-Bleiglasfenstern aus den Werkstätten Geyling aufwendig ausgestattet. Der weiträumige Freibereich des Bades im Helenental konnte sich nicht nur mehrerer großer Thermalfreibecken, sondern auch des mit mehr als 3.700 Quadratmeter größten Sandstrandes Österreichs rühmen. Sand und Palmen evozieren bis heute die Sehnsuchtsstimmung einer mondänen Sommerfrische an der Riviera.

Im konkurrierenden Bad Vöslau konnte man Baden gegenüber mit dem von keinem Geringeren als dem Ringstraßenarchitekten Theophil Hansen zwischen 1863 und 1873 gebauten Mineralbad punkten. Nach dem Ersten Weltkrieg demolierte man die nun aus der Mode gekommene Anlage, in der Größen wie Arthur Schnitzler schwimmen gelernt hatten. Allzu modern wollte man es allerdings auch nicht haben. Den bis heute bestehenden neobarocken Komplex mit der markant geschwungenen Eingangskolonnade realisierte 1925/26 der ortsansässige Architekt Wilhelm Luksch. Durch die Eröffnung des Badener Strandbades in derselben Saison untermassiven Erfolgsdruck gesetzt, beauftragte man den Vöslauer Baumeister Louis Breyer zusätzlich mit einer umfangreichenNeugestaltung des oberen Teils des Bades als „Thermal-Parkstrandbad“, in das der angrenzende Marienpark integriert wurde. Noch heute schwimmt man je nach Plaisir im von schönbrunnergelben Kabinenflügeln gesäumten geheizten „blauen Becken“ im vorderen Teil des Bades, an das sich die den Geländesprung ausnutzenden „Schwedenduschen“ unter einer überlebensgroßen Frauenstatue anschließen, oder mit hartgesottenen Stammgästen im rückwärtigen Teil unter Platanen im kalten „grünen Becken“, dem Quellteich des Vöslauer Mineralwassers. Hangaufwärts verstecken sich zwischen den hohen Kiefern des Parks weitere kleinere Becken, Tennisplätze und die Milchbar. Der schon bei seiner Erbauung nicht gerade avantgardistische Charme des Bades trägt heute nicht wenig zur Beliebtheit des aus der Zeit gefallenen Ortes bei.

Auch das unweit gelegene, kleinere Bad Fischau-Brunn konnte da nicht zurückstehen: Gleichzeitig mit Baden und Vöslau baute der Ort sein zwischen 1872 und 1899 entstandenes Mineralschwimmbad mit zwei ovalen Quellteichen mit Kiesboden als kleinere Version von Vöslau aus. Die noch heute bestehenden gelb-grün gestrichenen Holzkabinen plante der Architekt Hans Goldschmied. Nicht lumpen lassen wollte man sich angesichts der neu ausgebauten Bäder der Gegend auch am Fuße der Rax. Im Kurort Edlach legte man im Sommer 1928 ein geheiztes Strandbad mit Holzkabinen des Klosterneuburger FertighausproduzentenKawafag, Strandkörben und echtem importiertem Adriasand aus Grado an. Dem liebevoll gepflegten Bad ähnelt auch die in maritimem Blau-Weiß gestrichene Holzkonstruktion des 1929 eröffneten Schwimm-, Luft- und Sonnenbades im nahen nordburgenländischen Bad Sauerbrunn.

Was dem müßigen Kurgast recht war, sollte ebenso dem Werktätigen frommen: Auch das Rote Wien baute in diesen Jahren moderne Freibäder, etwa das Kongressbad. Mit seinem innovativ mittels Nachtstrom erwärmten und mit einer Flutlichtanlage beleuchteten 100-Meter-Becken und einemZehn-Meter-Sprungturm war das Kongressbad Schauplatz der Ausscheidungskämpfe zur Arbeiterolympiade von 1931. Unter dem starken Eindruck des Roten Wien entstand in Mödling 1927/28 nach Entwürfen des ortsansässigen Architekten Hermann Tamussino das städtische Frei- und Hallenbad. Per Autobus direkt von Wien erreichbar, musste sich das Bad mit seinem ambitionierten Programm mit Modeschauen und Schwimmrevuen auch gegen die Konkurrenz des Badener Strandbades behaupten.

Im ganzen Land ging es nun mit den neuen Seebädern in Mattsee, Gmunden, Klagenfurt, Velden, Faak und Millstatt Schlag auf Schlag. 1931 bis 1933 zogen die Semmering-Grandhotels nach: das Panhans mit dem „Alpenstrandbad“ mit Liegewiese und seitlich öffenbarer Glaswand, das Südbahnhotel mit einem kleineren, aber mit orange lackierten Stahlrohrstühlen und Art-déco-Lüstern weit luxuriöseren Frei- und Hallenbad nach Entwürfen der Otto-Wagner-Schüler Emil Hoppe und Otto Schönthal. Beide Bäder sind heute nur noch Ruinen. Die Mineral-Freibäder in Baden, Vöslau und Fischau und ihre Geschwister hingegen sind geliebte Orte der ultimativen Entschleunigung geblieben, in denen zum „Erlebnis“ nicht mehr als das Glitzern der Sonne im Becken, die Kiesel unter den Füßen und vielleicht ein paar badende Enten notwendig sind.

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