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Gartenkunst im Dialog mit der Architektur
Neue Zürcher Zeitung

Landschaftsarchitekt Dieter Kienast gestorben

28. Dezember 1998 - Suzanne Kappeler
S. K. Seit den späten siebziger Jahren entwickelte der Zürcher Landschaftsgestalter Dieter Kienast in seinen Gärten eine eigene, streng formale, aber auch verspielt artifizielle Formensprache. Der Garten als Thema war ihm im kleinsten Innenhof ebenso wichtig wie im grossen Park; der Massstabwechsel setzte lediglich ein Umgewöhnen voraus, nicht ein Umdenken. Die «Unverwechselbarkeit des Ortes», ein Schlüsselbegriff für Kienasts Gestaltungsansätze, liess ihn für jeden Garten eine Geschichte erfinden, einen Ablauf darstellen. Neben zahlreichen, wegweisenden Privatgärten hat er in den vergangenen zwanzig Jahren in der Schweiz und in Deutschland auch einige aufsehenerregende öffentliche Parkanlagen geschaffen – wie etwa den Garten der psychiatrischen Klinik in Chur (1993) – und wurde so zum Vorbild für eine ganze Generation junger Gartengestalter in der Schweiz. Nun ist Dieter Kienast, auf dem Höhepunkt seines Schaffens, in der Nacht auf den 24. Dezember im Alter von 53 Jahren einer schweren Krebskrankheit erlegen.

Als Gärtnersohn absolvierte er eine Gärtnerlehre, bevor er sich an der Gesamthochschule Kassel dem Studium der Landschaftsplanung zuwandte und 1978 mit einer Arbeit über Pflanzensoziologie doktorierte. Als Partner im Büro Stöckli, Kienast und Koeppel gestaltete er ab 1979 Privatgärten und erneuerte bestehende Parkanlagen wie den Wettinger Brühlpark oder den Garten des Berner Lory-Spitals. In seinem eigenen Garten an der Zürcher Thujastrasse experimentierte Dieter Kienast seit 1978 zusammen mit seiner Frau Erika und machte ihn bis heute zu einer Art Gesamtkunstwerk aus geschnittenen Buchshecken, grotesken, aus meterhohen Hainbuchen geformten Tierfiguren, Mosaikeinlagen, einem formalen, als Spiegel dienenden Wasserbecken und einer anarchischen Pflanzenwildnis. Die geschnittenen Baumtiere, die alle anderen Elemente des Gartens überragen, erinnern an Traumgebilde aus der Kindheit, formen diese gleichsam plastisch um.

Neben seiner Arbeit als Gartenarchitekt war Dieter Kienast seit 1980 auch mit grossem Engagement in der Lehre tätig, zuerst am Interkantonalen Technikum Rapperswil, dann als Leiter des Instituts für Landschaft und Garten an der Universität Karlsruhe und seit 1997 am Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur an der ETH Zürich, wo ihm aber seine Krankheit die Ausübung des Mandats erschwerte.

1995 löste sich der Landschaftsarchitekt aus seiner ursprünglichen Bürogemeinschaft und arbeitete mit Günther Vogt und weiteren Partnern zusammen. In seinen Gärten und Parks findet man sowohl Wildnis als auch streng geformte Partien. Die Spannung entsteht aus der Vielfalt. Wichtig war ihm, eine innere Ordnung zwischen den einzelnen Elementen und Gartenräumen herzustellen. Die Natur wollte er nicht sklavisch nachahmen, sondern setzte ihr eigene Linien entgegen.
Neben den Schriftzügen aus Beton, welche die Gartenkunst von Dieter Kienast in einen Dialog mit anderen Künsten stellte, griff er in jüngster Zeit wieder auf ganz ursprüngliche Gestaltungsmittel wie Mauern aus gestampftem Lehm, grossformatige Platten und Stelen zurück. Das Archaische wird darin erlebbar und öffnet den Weg zu Gärten mit sehr sparsam eingesetztem Grün, wie sie Dieter Kienast in Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Architektur gestaltete. In Zürich kann man solche Gärten etwa im Hof des Bürohauses der Schweizer Rück an der Genferstrasse oder auf dem Vorplatz und im Innenhof des Gebäudes von Basler & Hofmann an der Mühlebachstrasse erleben, in Basel beim Suva-Gebäude von Herzog & de Meron.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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