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Jedes Ding hat seine Zeit
Zum Schauspielhaus Linz
Nach seiner Umwandlung in ein Sprechtheater heißt das ehemals „Große Haus“ an der Linzer Promenade „Schauspielhaus Linz“. Technisch ertüchtigt, bewahrt das Haus seinen Charakter – mit verbessertem Komfort für die Zuschauer.
20. Mai 2017 - Romana Ring
Häuser sind gebauter Alltag. Jede Generation fügt etwas hinzu oder wirft etwas hinaus. Im Grunde haben wir es überall mit immerwährenden Baustellen zu tun, Fertigstellungstermine ermöglichen nur Momentaufnahmen. Mit dem ehemals „Großen Haus“ des Landestheaters an der Linzer Promenade verhält es sich nicht anders. An seiner Größe hat sich nichts verändert. Doch das nach seiner Generalsanierung seit einigen Wochen wieder bespielte Haus heißt nun „Schauspielhaus Linz“, und sein Auftritt ist gelungen wie schon lange nicht.
Das Wiener Architekturbüro Jabornegg & Palffy hat in Arbeitsgemeinschaft mit dem ebenfalls in Wien ansässigen Büro Vasko und Partner jene Verwandlung des ehemaligen Mehrspartengebäudes geplant, die der 2013 eröffnete Neubau des Musiktheaters am Linzer Volksgarten ermöglicht hat. Die Wahl der Planer erweist sich als Glücksfall, den sich das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, vertreten durch Richard Deinhammer und die Oberösterreichische Theater und Orchester GmbH unter der kaufmännischen Leitung von Uwe Schmitz-Gielsdorf, jedoch redlich verdient haben. Ein auf Architektur und Denkmalpflege spezialisiertes Büro, Pitz & Hoh aus Berlin, erstellte zunächst eine umfassende Studie zu der über mehr als 200 Jahre gewachsenen Anlage als tragfähige Grundlage zur Diskussion der weiteren Vorgangsweise mit dem Bundesdenkmalamt. Als der Erhalt des Hauses in seiner Grundstruktur und in seinem Erscheinungsbild nach außen feststand, beauftragte man weder mit dem so häufig vorgeschobenen „Bleibt eh alles, wie es war!“ einender üblichen Verdächtigen, noch entschied man das Verhandlungsverfahren für die Generalplanerleistungen über den Angebotspreis. Es war vielmehr der sensible Umgang mit historischer Bausubstanz, der den Ausschlag für Jabornegg & Palffy gab.
Für sie galt es nun, die gesamte Anlage technisch zu ertüchtigen, den Zuschauerraum räumlich und akustisch den Bedingungen eines reinen Sprechtheaters anzupassen und bei dieser Gelegenheit auch den in der Vergangenheit nicht selten schmerzlich vermissten Komfort für das Publikum zu verbessern. Gleichzeitig sollte der Charakter des Hauses bewahrt bleiben, den eine seiner zahlreichen Umformungen in besonderer Weise geprägt hatte: Von 1953 bis 1958 hatte Clemens Holzmeister das Landestheater um die im Norden angrenzenden Kammerspiele erweitert, dem Bestand Pausen- sowie bühnentechnisch genutzte Räume hinzugefügt und ihn von einem Logen- in ein Rangtheater verwandelt.
Diese im Laufe der Jahrzehnte mehrfach überformte Bauphase des Theaters erwies sich angesichts der ebenso gern gestellten wie schwer zu beantwortenden Frage „Was genau ist hier das Denkmal?“ als hilfreicher Anker. Die mit dem Bundesdenkmalamt gefundene Einigung, Holzmeisters einstigen Interventionen das größte Gewicht beizumessen, schuf den soliden Grund, auf den Jabornegg & Palffy ihre Neugestaltung des Schauspielhauses stellen konnten. Denn Holzmeisters kluges, wenngleich durch spätere Entwicklungen stark verstümmeltes städtebauliches Konzept erweist sich als genauso wertbeständig wie die von ihm unter Mitwirkung von regional verwurzelten Künstlerinnen und Künstlern in kräftiger Farbigkeit gestalteten Raumfolgen.
So hat man im Laufe des Planungs- und Bauprozesses vieles weggeräumt, was im Strom der Jahrzehnte an den Rändern der Räume gelandet ist, und vieles ausgegraben, das unter Farbschichten, Wandverkleidungen und in Rumpelkammern die Zeit überdauert hat. Ein neues, schlichtes Vordach beschirmt die Haupteingangszone an der Promenade. Das dahinter liegende Foyer mit dem von Gudrun Baudisch geschaffenen keramischen Deckenornament hat nach dem Entfernen nachträglicher Einbauten ebenso seine Großzügigkeit wiedergewonnen wie die Pausenräume im ersten und im zweiten Stock. Dort bereiten das zweifarbige Parkett, eine ockergelbe und eine pompejanisch-rote Decke, wiedergefundene Beleuchtungskörper, feingliedriges Mobiliar von Anna-Lülja Praun, in Wandnischen gestellte Terrakotta-Figuren von Walter Ritter und die auf Goldgrund gemalten Bilder von Rudolph Kolbitsch die Besucher auf das Erlebnis des Zuschauerraumes vor: roter Boden, zartblaue Wände, Verkleidungen aus Birnenholz, grau tapezierte Stuhlreihen und das in Gold gefasste Deckenfresko von Fritz Fröhlich, in dem sich die Farbigkeit der Räume wiederfindet.
Das Schauspielhaus des Jahres 2017 ist dennoch keine Rekonstruktion eines Werks von Clemens Holzmeister. Vielmehr bildet es die Fähigkeit von Jabornegg & Palffy ab, die Kraft des Vorhandenen zu erkennen und ohne selbstgefällig inszenierte Brüche in neue, heute gültige Zusammenhänge zu setzen. Das gesamte Erdgeschoß des Theaters ist neu organisiert. Der Trakt nördlich des Zuschauerraumes steht nun in unmittelbarer Verbindung zu den Kammerspielen. Die diesen 2009 im Zuge des Tiefgaragenneubaus unter der Promenade zugefügten Garderoben- und WC-Anlagen können nun auch von den Besuchern des Schauspielhauses genutzt werden, so wie der Kartenverkauf mitsamt seinen Büros im nördlichen Foyer des Schauspielhauses beide Häuser bedient.
Der mit Kehlheimer Platten im historischen Format belegte Fußboden fällt, flankiert von einer gläsernen, auf einem Travertinsockel ruhenden Vitrine, vom Niveau des Vestibüls der Kammerspiele in einer flachen Rampe zum Foyer an der Promenade ab. Eine ebenfalls mit Travertin, dem Stein der vorgefundenen Türgewände, belegte Bar schließt den Raum stirnseitig zur Promenade hin ab. Davor schwingt sich die historische Stiege mit ihren roten Steinstufen in die oberen Geschoße. Da sie als Fluchtstiege nicht geeignet ist, haben Jabornegg & Palffy ein nicht minder ungeeignetes Stiegenhaus zwischen dem Schauspielhaus und den Redoutensälen im Süden abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt, der zeigt, dass Erschließungsflächen gerne auch räumliche Qualitäten haben dürfen.
Um dem Zuschauerraum diese Qualität zurückzugeben und überdies Sicht- und Hörbedingungen zu schaffen, die eines Landestheaters würdig sind, waren viele Interventionen nötig: vom Wegräumen überholter Akustikeinbauten bis zum Ordnen des Wildwuchses an Bühnentechnik, vom Einbau einer Belüftungsanlage bis zur Neuordnung der Ränge mitsamt Bestuhlung. Die Stühle mögen, unter hohem Aufwand denkmalpflegerisch korrekt restauriert, die alten sein. So bequem ist man in diesem Saal gewiss noch nie gesessen, geschweige denn konnte man dem Geschehen auf der Bühne jemals so gut folgen wie heute.
Das Wiener Architekturbüro Jabornegg & Palffy hat in Arbeitsgemeinschaft mit dem ebenfalls in Wien ansässigen Büro Vasko und Partner jene Verwandlung des ehemaligen Mehrspartengebäudes geplant, die der 2013 eröffnete Neubau des Musiktheaters am Linzer Volksgarten ermöglicht hat. Die Wahl der Planer erweist sich als Glücksfall, den sich das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, vertreten durch Richard Deinhammer und die Oberösterreichische Theater und Orchester GmbH unter der kaufmännischen Leitung von Uwe Schmitz-Gielsdorf, jedoch redlich verdient haben. Ein auf Architektur und Denkmalpflege spezialisiertes Büro, Pitz & Hoh aus Berlin, erstellte zunächst eine umfassende Studie zu der über mehr als 200 Jahre gewachsenen Anlage als tragfähige Grundlage zur Diskussion der weiteren Vorgangsweise mit dem Bundesdenkmalamt. Als der Erhalt des Hauses in seiner Grundstruktur und in seinem Erscheinungsbild nach außen feststand, beauftragte man weder mit dem so häufig vorgeschobenen „Bleibt eh alles, wie es war!“ einender üblichen Verdächtigen, noch entschied man das Verhandlungsverfahren für die Generalplanerleistungen über den Angebotspreis. Es war vielmehr der sensible Umgang mit historischer Bausubstanz, der den Ausschlag für Jabornegg & Palffy gab.
Für sie galt es nun, die gesamte Anlage technisch zu ertüchtigen, den Zuschauerraum räumlich und akustisch den Bedingungen eines reinen Sprechtheaters anzupassen und bei dieser Gelegenheit auch den in der Vergangenheit nicht selten schmerzlich vermissten Komfort für das Publikum zu verbessern. Gleichzeitig sollte der Charakter des Hauses bewahrt bleiben, den eine seiner zahlreichen Umformungen in besonderer Weise geprägt hatte: Von 1953 bis 1958 hatte Clemens Holzmeister das Landestheater um die im Norden angrenzenden Kammerspiele erweitert, dem Bestand Pausen- sowie bühnentechnisch genutzte Räume hinzugefügt und ihn von einem Logen- in ein Rangtheater verwandelt.
Diese im Laufe der Jahrzehnte mehrfach überformte Bauphase des Theaters erwies sich angesichts der ebenso gern gestellten wie schwer zu beantwortenden Frage „Was genau ist hier das Denkmal?“ als hilfreicher Anker. Die mit dem Bundesdenkmalamt gefundene Einigung, Holzmeisters einstigen Interventionen das größte Gewicht beizumessen, schuf den soliden Grund, auf den Jabornegg & Palffy ihre Neugestaltung des Schauspielhauses stellen konnten. Denn Holzmeisters kluges, wenngleich durch spätere Entwicklungen stark verstümmeltes städtebauliches Konzept erweist sich als genauso wertbeständig wie die von ihm unter Mitwirkung von regional verwurzelten Künstlerinnen und Künstlern in kräftiger Farbigkeit gestalteten Raumfolgen.
So hat man im Laufe des Planungs- und Bauprozesses vieles weggeräumt, was im Strom der Jahrzehnte an den Rändern der Räume gelandet ist, und vieles ausgegraben, das unter Farbschichten, Wandverkleidungen und in Rumpelkammern die Zeit überdauert hat. Ein neues, schlichtes Vordach beschirmt die Haupteingangszone an der Promenade. Das dahinter liegende Foyer mit dem von Gudrun Baudisch geschaffenen keramischen Deckenornament hat nach dem Entfernen nachträglicher Einbauten ebenso seine Großzügigkeit wiedergewonnen wie die Pausenräume im ersten und im zweiten Stock. Dort bereiten das zweifarbige Parkett, eine ockergelbe und eine pompejanisch-rote Decke, wiedergefundene Beleuchtungskörper, feingliedriges Mobiliar von Anna-Lülja Praun, in Wandnischen gestellte Terrakotta-Figuren von Walter Ritter und die auf Goldgrund gemalten Bilder von Rudolph Kolbitsch die Besucher auf das Erlebnis des Zuschauerraumes vor: roter Boden, zartblaue Wände, Verkleidungen aus Birnenholz, grau tapezierte Stuhlreihen und das in Gold gefasste Deckenfresko von Fritz Fröhlich, in dem sich die Farbigkeit der Räume wiederfindet.
Das Schauspielhaus des Jahres 2017 ist dennoch keine Rekonstruktion eines Werks von Clemens Holzmeister. Vielmehr bildet es die Fähigkeit von Jabornegg & Palffy ab, die Kraft des Vorhandenen zu erkennen und ohne selbstgefällig inszenierte Brüche in neue, heute gültige Zusammenhänge zu setzen. Das gesamte Erdgeschoß des Theaters ist neu organisiert. Der Trakt nördlich des Zuschauerraumes steht nun in unmittelbarer Verbindung zu den Kammerspielen. Die diesen 2009 im Zuge des Tiefgaragenneubaus unter der Promenade zugefügten Garderoben- und WC-Anlagen können nun auch von den Besuchern des Schauspielhauses genutzt werden, so wie der Kartenverkauf mitsamt seinen Büros im nördlichen Foyer des Schauspielhauses beide Häuser bedient.
Der mit Kehlheimer Platten im historischen Format belegte Fußboden fällt, flankiert von einer gläsernen, auf einem Travertinsockel ruhenden Vitrine, vom Niveau des Vestibüls der Kammerspiele in einer flachen Rampe zum Foyer an der Promenade ab. Eine ebenfalls mit Travertin, dem Stein der vorgefundenen Türgewände, belegte Bar schließt den Raum stirnseitig zur Promenade hin ab. Davor schwingt sich die historische Stiege mit ihren roten Steinstufen in die oberen Geschoße. Da sie als Fluchtstiege nicht geeignet ist, haben Jabornegg & Palffy ein nicht minder ungeeignetes Stiegenhaus zwischen dem Schauspielhaus und den Redoutensälen im Süden abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt, der zeigt, dass Erschließungsflächen gerne auch räumliche Qualitäten haben dürfen.
Um dem Zuschauerraum diese Qualität zurückzugeben und überdies Sicht- und Hörbedingungen zu schaffen, die eines Landestheaters würdig sind, waren viele Interventionen nötig: vom Wegräumen überholter Akustikeinbauten bis zum Ordnen des Wildwuchses an Bühnentechnik, vom Einbau einer Belüftungsanlage bis zur Neuordnung der Ränge mitsamt Bestuhlung. Die Stühle mögen, unter hohem Aufwand denkmalpflegerisch korrekt restauriert, die alten sein. So bequem ist man in diesem Saal gewiss noch nie gesessen, geschweige denn konnte man dem Geschehen auf der Bühne jemals so gut folgen wie heute.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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