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Wohnen am Rand des Dschungels
Das urbane Wachstum kratzt zusehends an den letzten Flecken Wildnis am Rande der Großstadt. Patricia Zacek-Stadler gelingt es, Nachverdichtung und den Charme der Au in Einklang zu bringen. Besuch in Wien-Donaustadt.
27. Mai 2017 - Franziska Leeb
Um zu erkennen, dass ein beachtlicher Anteil des Wiener Stadtwachstums im flächenmäßig größten Bezirk, der Donaustadt, stattfindet, muss man nicht die Statistiken studieren. Ab und zu eine Fahrt mit der U2 reicht, um die Dynamik des Wandels, der hier von einem besonderen Tempo ist, zu spüren. Ein Teil der Nachverdichtung findet auch dort statt, wo es noch versteckte Wildnisse entlang der Altarme der Donau gibt. Hier zu bauen ist verlockend, Ruhe und Naturnähe lassen sich vorzüglich vermarkten, und so knabbert die bebaute Stadt oft recht unsensibel an den Rändern des Landschaftsschutzgebietes.
Gelungen ist die Gratwanderung zwischen Verdichtung und Landschaftsgerechtigkeit am Otterweg, wo Patricia Zacek-Stadler für den Bauträger BUWOG eine Siedlung aus Reihenhäusern und Geschoßwohnungen geplant hat, die im vergangenen Jahr bezogen wurde und so schon Zeit hatte, sich zu bewähren. Es ist ja so, dass unsereins meist zu einem Zeitpunkt zur Besichtigung gebeten wird, wenn man die frische Wandfarbe noch riecht und die neuen Mieter und Eigentümer noch keine Zeit hatten, Spuren ihres Alltagslebens zu hinterlassen. Wie tatsächlich alles funktioniert, wieweit das Neue mit dem Bestehenden zusammengewachsen ist, und wie die Stimmung in der Anlage ist, erspürt man aber erst, wenn sie eingewohnt ist. Gut also, dass wir den Lokalaugenschein zu einem Zeitpunkt vornehmen, da Terrassen möbliert, Gärten bepflanzt unddie Menschen bereits im Siedlungsalltag angekommen sind.
Patricia Zacek-Stadler war schon in einer frühen Phase der Flächenwidmung an Bord und konnte Einfluss nehmen, dass die Neubebauung auf dem stark segmentierten, an den Rändern gezackten und stellenweise sehr schmalen Baufeld eine verträgliche Koexistenz mit dem Vorhandenen eingeht und die Dimensionen der einzelnen Bauvolumenebenso moderat bleiben wie die für den Pkw-Verkehr erschlossenen Flächen. Vorgefunden hat sie hier das Dickicht des Donau-Dschungels an der Uferzone des Schillochs, ein paar verstreute Einfamilienhäuser und Keuschen – ein Szenario, angesiedelt irgendwo zwischen romantischer Idylle und dem leichten Schauder der Abgelegenheit, wie man es inmitten der Großstadt kaum noch vermuten würde.
120 Wohneinheiten fanden Platz. Davon wurden 24 als frei finanzierte Reihenhäuser, acht als frei finanzierte Dachgeschoßwohnungen errichtet. Alle anderen sind Mietwohnungen nach den Konditionen der „Wiener Wohnbauinitiative“, die eine spezielle Variante des frei finanzierten Wohnbaus ist, bei der die Stadt günstige Darlehen an Bieterkonsortien vergibt, die sich im Gegenzug zu zehn Jahre gültigen Mietobergrenzen verpflichten, die unter den Marktpreisen im frei finanzierten Wohnbau und etwas höher als im geförderten Wohnbau liegen. Im konkreten Fall bedeutet dies eine Bruttomiete inklusive Betriebskosten von 8,50 Euro. Die Reihenhäuser fügte Zacek-Stadler in die kleinen engen Flecken im Norden des Bauplatzes und auf einer kleinen Fläche an der Kanalstraße im Süden. Sie flankieren den zentralen, weitläufigeren Bereich im Herzen der Anlage. Hier fanden acht Punkthäuser Platz, deren Baukörper auf unregelmäßigen kristallinen Grundrissen wie große Kreisel wirken, die sich maßgeschneidert auf die Gegebenheiten in das Grundstück hineindrehen. Durch dieses Vermeiden von geradlinigen Fassadenfluchten gelang es, jeder der über Eck gehenden Wohnungen und den ebenso wenig orthogonal geformten Balkonen mehrere Aussichten ins Grüne und in verschiedene Himmelsrichtungen freizuspielen.
Ein Merkmal aller Wohnanlagen von Patricia Zacek-Stadler sind attraktive, einladende Entrées. So auch hier. Durch die vom Untergeschoß bis oben offenen Stiegenhäuser wird die gesamte Haushöhe erfassbar und erhält selbst der Zugang zu den Lagerräumen im Untergeschoß noch Tageslicht. Das Verschwenken der oberen Stiegenläufe gegenüber dem im Erdgeschoß setzt die außen angekündigte Bewegung im Inneren fort, und dank breiter Verglasungen ist die Atmosphäre nicht nur lichtdurchflutet luftig, sondern stets auch der Blickbezug zur Nachbarschaft da. Die jeweilige Außenwandfarbe zieht sich an einer Stiegenhauswand ins Innere, ansonsten sind hier die Wände in einem hellen, warmen Grau gehalten. Das sind keine Spielereien, die unnötige Kosten verursachen, sondern wohlüberlegte Details, die das Ankommen und Verweilen in den gemeinschaftlichen Zonen angenehm machen. Es sei leider nicht alltäglich, so die Architektin, dass Bauträger derartige Farbkonzepte zulassen, selbst wennsie nur einen geringen Mehraufwand bedeuten, aber ganz wesentlich zur guten Atmosphäre beitragen.
In einem hellen Beige, akzentuiert von vertieft liegenden dunkleren Flächen, sind die Reihenhäuser gehalten. Drei verschiedene Typen hat Patricia Zacek-Stadler entwickelt und stets die Zeilen so gestaltet, dass auf den ersten Blick das Additive der einzelnen Häuser sich nicht abzeichnet, sondern sie eine Gesamtkomposition ergeben. Eine dem Eingang vorgelagerte Loggia schafft jeweils einen gedeckten Schwellenraum zum öffentlichen Raum, der Platz genug bietet, um ein Tischchen mit Stühlen zu platzieren oder Fahrräder nah am Eingang abzustellen. Manche Häuser haben zusätzlich einen ebenerdigen, von außen begehbaren Abstellraum und wie kleine Penthäuser wirkende Zimmer mit Bad mit Zutritt auf Terrassen im Dachgeschoß.
Auch im Freiraum finden sich etliche an sich unaufwendige, nur Denkarbeit in der Planung und Empathie für die künftigen Bewohner bedingende Elemente, die Freude machen. Dazu zählen die beiden runden, mit einem Baum bepflanzten Öffnungen in die Tiefgarage, die Frischluft und Tageslicht in die Tiefgarage bringen. Einige der üblichen Garagenlüftungsschächte erhielten einen Zusatznutzen als Sitzbank. Der große Spielplatz wurde in einer Mulde zur Au eingebettet und so ausgestattet, dass Kinder verschiedenen Alters animiert sind, Bewegungsfreude und Entdeckergeist zu entwickeln; nächst dem Kleinkinderspielplatz im Süden eine Art Gartenhaus mit Pergola-überdecktem befestigtem Vorplatz für Grillfeste und andere Aktivitäten.
Von hoher Alltagstauglichkeit und schön mit dem Umfeld verwoben, entstand ein Ensemble mit hübschen Plätzen und Wegen, das einem gar nicht mehr das Gefühl gibt, in einer entlegenen Gegend zu sein.
Gelungen ist die Gratwanderung zwischen Verdichtung und Landschaftsgerechtigkeit am Otterweg, wo Patricia Zacek-Stadler für den Bauträger BUWOG eine Siedlung aus Reihenhäusern und Geschoßwohnungen geplant hat, die im vergangenen Jahr bezogen wurde und so schon Zeit hatte, sich zu bewähren. Es ist ja so, dass unsereins meist zu einem Zeitpunkt zur Besichtigung gebeten wird, wenn man die frische Wandfarbe noch riecht und die neuen Mieter und Eigentümer noch keine Zeit hatten, Spuren ihres Alltagslebens zu hinterlassen. Wie tatsächlich alles funktioniert, wieweit das Neue mit dem Bestehenden zusammengewachsen ist, und wie die Stimmung in der Anlage ist, erspürt man aber erst, wenn sie eingewohnt ist. Gut also, dass wir den Lokalaugenschein zu einem Zeitpunkt vornehmen, da Terrassen möbliert, Gärten bepflanzt unddie Menschen bereits im Siedlungsalltag angekommen sind.
Patricia Zacek-Stadler war schon in einer frühen Phase der Flächenwidmung an Bord und konnte Einfluss nehmen, dass die Neubebauung auf dem stark segmentierten, an den Rändern gezackten und stellenweise sehr schmalen Baufeld eine verträgliche Koexistenz mit dem Vorhandenen eingeht und die Dimensionen der einzelnen Bauvolumenebenso moderat bleiben wie die für den Pkw-Verkehr erschlossenen Flächen. Vorgefunden hat sie hier das Dickicht des Donau-Dschungels an der Uferzone des Schillochs, ein paar verstreute Einfamilienhäuser und Keuschen – ein Szenario, angesiedelt irgendwo zwischen romantischer Idylle und dem leichten Schauder der Abgelegenheit, wie man es inmitten der Großstadt kaum noch vermuten würde.
120 Wohneinheiten fanden Platz. Davon wurden 24 als frei finanzierte Reihenhäuser, acht als frei finanzierte Dachgeschoßwohnungen errichtet. Alle anderen sind Mietwohnungen nach den Konditionen der „Wiener Wohnbauinitiative“, die eine spezielle Variante des frei finanzierten Wohnbaus ist, bei der die Stadt günstige Darlehen an Bieterkonsortien vergibt, die sich im Gegenzug zu zehn Jahre gültigen Mietobergrenzen verpflichten, die unter den Marktpreisen im frei finanzierten Wohnbau und etwas höher als im geförderten Wohnbau liegen. Im konkreten Fall bedeutet dies eine Bruttomiete inklusive Betriebskosten von 8,50 Euro. Die Reihenhäuser fügte Zacek-Stadler in die kleinen engen Flecken im Norden des Bauplatzes und auf einer kleinen Fläche an der Kanalstraße im Süden. Sie flankieren den zentralen, weitläufigeren Bereich im Herzen der Anlage. Hier fanden acht Punkthäuser Platz, deren Baukörper auf unregelmäßigen kristallinen Grundrissen wie große Kreisel wirken, die sich maßgeschneidert auf die Gegebenheiten in das Grundstück hineindrehen. Durch dieses Vermeiden von geradlinigen Fassadenfluchten gelang es, jeder der über Eck gehenden Wohnungen und den ebenso wenig orthogonal geformten Balkonen mehrere Aussichten ins Grüne und in verschiedene Himmelsrichtungen freizuspielen.
Ein Merkmal aller Wohnanlagen von Patricia Zacek-Stadler sind attraktive, einladende Entrées. So auch hier. Durch die vom Untergeschoß bis oben offenen Stiegenhäuser wird die gesamte Haushöhe erfassbar und erhält selbst der Zugang zu den Lagerräumen im Untergeschoß noch Tageslicht. Das Verschwenken der oberen Stiegenläufe gegenüber dem im Erdgeschoß setzt die außen angekündigte Bewegung im Inneren fort, und dank breiter Verglasungen ist die Atmosphäre nicht nur lichtdurchflutet luftig, sondern stets auch der Blickbezug zur Nachbarschaft da. Die jeweilige Außenwandfarbe zieht sich an einer Stiegenhauswand ins Innere, ansonsten sind hier die Wände in einem hellen, warmen Grau gehalten. Das sind keine Spielereien, die unnötige Kosten verursachen, sondern wohlüberlegte Details, die das Ankommen und Verweilen in den gemeinschaftlichen Zonen angenehm machen. Es sei leider nicht alltäglich, so die Architektin, dass Bauträger derartige Farbkonzepte zulassen, selbst wennsie nur einen geringen Mehraufwand bedeuten, aber ganz wesentlich zur guten Atmosphäre beitragen.
In einem hellen Beige, akzentuiert von vertieft liegenden dunkleren Flächen, sind die Reihenhäuser gehalten. Drei verschiedene Typen hat Patricia Zacek-Stadler entwickelt und stets die Zeilen so gestaltet, dass auf den ersten Blick das Additive der einzelnen Häuser sich nicht abzeichnet, sondern sie eine Gesamtkomposition ergeben. Eine dem Eingang vorgelagerte Loggia schafft jeweils einen gedeckten Schwellenraum zum öffentlichen Raum, der Platz genug bietet, um ein Tischchen mit Stühlen zu platzieren oder Fahrräder nah am Eingang abzustellen. Manche Häuser haben zusätzlich einen ebenerdigen, von außen begehbaren Abstellraum und wie kleine Penthäuser wirkende Zimmer mit Bad mit Zutritt auf Terrassen im Dachgeschoß.
Auch im Freiraum finden sich etliche an sich unaufwendige, nur Denkarbeit in der Planung und Empathie für die künftigen Bewohner bedingende Elemente, die Freude machen. Dazu zählen die beiden runden, mit einem Baum bepflanzten Öffnungen in die Tiefgarage, die Frischluft und Tageslicht in die Tiefgarage bringen. Einige der üblichen Garagenlüftungsschächte erhielten einen Zusatznutzen als Sitzbank. Der große Spielplatz wurde in einer Mulde zur Au eingebettet und so ausgestattet, dass Kinder verschiedenen Alters animiert sind, Bewegungsfreude und Entdeckergeist zu entwickeln; nächst dem Kleinkinderspielplatz im Süden eine Art Gartenhaus mit Pergola-überdecktem befestigtem Vorplatz für Grillfeste und andere Aktivitäten.
Von hoher Alltagstauglichkeit und schön mit dem Umfeld verwoben, entstand ein Ensemble mit hübschen Plätzen und Wegen, das einem gar nicht mehr das Gefühl gibt, in einer entlegenen Gegend zu sein.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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