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Baugruppe im Vierkanter: Alle daheim
Ein mehr als 500 Jahre alter Vierkanter wurde zur Heimstatt einer Baugruppe – und so vor dem Verfall gerettet. Das Atrium in der Mitte dient als Dorfplatz, wo sich Erwachsene zum Kaffeetrinken und Kinder zum Spielen treffen: gelungenes Gemeinschaftswohnen in Garsten bei Steyr.
5. August 2017 - Reinhard Seiß
Genau 12.976 Vierkanthöfe gibt es in Oberösterreich sowie im angrenzenden niederösterreichischen Mostviertel. Sie zeugenvon einst wohlhabenden Bauern im Flach- und Hügelland ob und unter der Enns. Heute stehen viele mehrheitlich leer und dienen ihren Eigentümern nach Aufgabe der Landwirtschaft nur noch als viel zu große Wohnhäuser. Selbst diese Funktion hatte der 1459 erstmals urkundlich erwähnte Hof „Mayr auf der Wim“ in Garsten bei Steyr vor rund 25 Jahren verloren. Der zweigeschoßige Komplex von 54 Meter Länge und 30 Meter Breite, der auf einem Hügel über dem Ortszentrum thront und in der Achse der barocken Stiftskirche steht, war fortan dem Verfall preisgegeben – zum Missfallen des Bürgermeisters wie auch des Bistums Linz, dem der Gutshof gehört, den kein Landwirt mehr pachten wollte. Alternative Nutzungskonzepte scheiterten an mangelnder Wirtschaftlichkeit, an der Baubehörde oder am Denkmalamt, das die älteren Gebäudeteile mit ihren Spitzkappengewölben und böhmischen Platzlgewölben, den Stuckaturen, Sgraffiti und Wandmalereien aus dem 16. Jahrhundert unter Schutz gestellt hatte.
Eher zufällig fragte die Diözese 2012 den Linzer Architekten Fritz Matzinger, ob nicht er eine Nutzungsidee hätte. Der heute 76-Jährige Wohnbaupionier brauchte nicht lange zu überlegen, zumal die historische Hofform ziemlich genau jenem Typus entspricht, den er schon drei Dutzend Male neu errichtet hat. Für sein Modell des nachbarschaftlichen Wohnens hatte Matzinger in den frühen 1970er-Jahren das sogenannte Atriumhaus entwickelt. Dabei bilden üblicherweise acht zweigeschoßige Reihenhäuser in geschlossener Bauweise einen Innenhof, das Atrium, das bei Schönwetter offen bleibt und sonst durch ein Glasdach geschützt wird. Dieser Gemeinschaftsbereich funktioniert wie ein Dorfplatz, auf dem die Bewohner einander tagtäglich begegnen. Denn die Reihenhäuser sind über das Atrium erschlossen, sodass man sich über den Weg läuft, wann immer man die eigenen vier Wände verlässt. Ohne vorherige Verabredung spielen Kinder hier miteinander, kommen Erwachsene ins Gespräch oder trinken gemeinsam Kaffee. Sobald sich daraus Freundschaften entwickelt haben, trifft man sich im Atrium, um zu grillen, Geburtstage zu feiern, Konzert- und Filmabende zu veranstalten, gemeinsam zu turnen oder zu tanzen.
Der Vierkanter in Garsten, stand für Fritz Matzinger rasch fest, bot genügend Potenzial, um darin in ausreichender Menge Wohnungen sowie die für sein Konzept wichtigen Gemeinschafträume zu realisieren. Der Innenhof wiederum war für ein attraktives Atrium wie geschaffen. Und da der Architekt seit Langem eine Warteliste mit Interessenten an seinen Projekten führt, war auch die Baugruppe bald gefunden. Als deutlich komplizierter erwies es sich, all die statischen, baurechtlichen oder auch finanziellen Fragen zu klären, die sich beim Umbau historischer Substanz jedes Mal neu stellen – und den Planungsaufwand massiv erhöhen. Zudem war eine Umwidmung der Liegenschaft durch die Gemeinde erforderlich, da in einem landwirtschaftlichen Objekt nur bis zu vier Wohnungen möglich gewesen wären. Und es galt, die Planungen mit dem Denkmalamt abzustimmen, was langwierige Verhandlungen und so manchen Kompromiss bedeutete. Nach Anschluss des Baurechtsvertrags mit dem Bistum, das der Gruppe für die nächsten 96 Jahre die Nutzung des Hofs samt umliegenden Grünflächen gewährte, konnten die Bauarbeiten im Herbst 2015 beginnen.
In eineinhalb Jahren Bauzeit wurden alle denkmalgeschützten Trakte saniert und zahlreiche überformte Architekturdetails freigelegt. Einen jüngeren, baulich minderwertigen Trakt musste Fritz Matzinger indes komplett ersetzen. Veränderungen aus dem 20. Jahrhundert wurden entfernt oder pragmatisch umgenutzt: So dient der vor wenigen Jahrzehnten betonierte Kuhstall nun als Garage. Von den 20 ein- und zweigeschoßigen Wohnungen gleicht keine der anderen, und das nicht nur der individuellen Bewohnerwünsche wegen. Während im Wohnungsneubau mitunter krampfhaft versucht wird, mit exaltierten Kunstgriffen gegen die Belanglosigkeit der Architektur anzukämpfen, führen bei einem Umbau die Charakteristika des Bestands oft zwangsläufig zu originellen Lösungen – die den Nutzern etwas Einzigartiges bescheren und die Geschichte des Hauses am Leben erhalten. So stützte Matzinger ein eingeknicktes Barockgewölbe mit vier restaurierten gusseisernen Säulen aus dem abgetragenen Pferdestall ab – und gab dem Wohnraum damit eine ganz spezielle Erscheinung.
Besondere Hinwendung erfuhr der Freiraum, dessen Begrünung wenige Wochen nach Bezug des Hauses freilich erst am Beginn steht: Jede Wohnung verfügt über eine eigene Terrasse vor dem Haus, zu der man aus dem Obergeschoß direkt über Laubengänge und Außentreppen gelangt. Eine Ausnahme bilden die Maisonetten auf der Nordseite: Für sie schnitt der Architekt hofseitig Terrassen aus dem Dach aus, wodurch auch diese Wohnungen zumindest im Dachgeschoß Sonne von Süden erhalten. Im Atrium erschließt eine beinah umlaufende Galerie das obere Stockwerk und stellt nicht nur einen Zugang, sondern eine Erweiterung des Wohnraums dar. Hier finden sich Zimmerpflanzen, Bücherregale, ein Schaukelstuhl oder ein Heimtrainer.
Das Herz der Anlage ist aber das 30 mal 15 Meter große Atrium, das in seiner gesamten Länge von einem Schwimmkanal durchzogen wird. Der Pool ist für Fritz Matzinger ein zentraler Bestandteil seines Konzepts, da auch er die Menschen zusammenbringt und in entspannter Atmosphäre miteinander kommunizieren lässt. Des Weiteren finden sich im Hof eine Gemeinschaftsküche mit einem großen Tisch und am anderen Ende eine Art Café für kleinere Runden. Dazwischen ist viel Platz für Pflanzen, die noch aus Töpfen wachsen, bald aber schon aus der Erde sprießen werden und das Atrium in einen üppigen Wintergarten verwandeln sollen. Bereits jetzt offenbart die intensive Nutzung des gemeinsamen Freiraums die soziale Dimension von Matzingers Modell, die für den Architekten im Vordergrund steht: Eine Vereinsamung oder gar Isolierung – ob von Kindern und Jugendlichen, alleinstehenden, alten oder behinderten Menschen – ist bei dieser Wohnform so gut wie ausgeschlossen.
Eher zufällig fragte die Diözese 2012 den Linzer Architekten Fritz Matzinger, ob nicht er eine Nutzungsidee hätte. Der heute 76-Jährige Wohnbaupionier brauchte nicht lange zu überlegen, zumal die historische Hofform ziemlich genau jenem Typus entspricht, den er schon drei Dutzend Male neu errichtet hat. Für sein Modell des nachbarschaftlichen Wohnens hatte Matzinger in den frühen 1970er-Jahren das sogenannte Atriumhaus entwickelt. Dabei bilden üblicherweise acht zweigeschoßige Reihenhäuser in geschlossener Bauweise einen Innenhof, das Atrium, das bei Schönwetter offen bleibt und sonst durch ein Glasdach geschützt wird. Dieser Gemeinschaftsbereich funktioniert wie ein Dorfplatz, auf dem die Bewohner einander tagtäglich begegnen. Denn die Reihenhäuser sind über das Atrium erschlossen, sodass man sich über den Weg läuft, wann immer man die eigenen vier Wände verlässt. Ohne vorherige Verabredung spielen Kinder hier miteinander, kommen Erwachsene ins Gespräch oder trinken gemeinsam Kaffee. Sobald sich daraus Freundschaften entwickelt haben, trifft man sich im Atrium, um zu grillen, Geburtstage zu feiern, Konzert- und Filmabende zu veranstalten, gemeinsam zu turnen oder zu tanzen.
Der Vierkanter in Garsten, stand für Fritz Matzinger rasch fest, bot genügend Potenzial, um darin in ausreichender Menge Wohnungen sowie die für sein Konzept wichtigen Gemeinschafträume zu realisieren. Der Innenhof wiederum war für ein attraktives Atrium wie geschaffen. Und da der Architekt seit Langem eine Warteliste mit Interessenten an seinen Projekten führt, war auch die Baugruppe bald gefunden. Als deutlich komplizierter erwies es sich, all die statischen, baurechtlichen oder auch finanziellen Fragen zu klären, die sich beim Umbau historischer Substanz jedes Mal neu stellen – und den Planungsaufwand massiv erhöhen. Zudem war eine Umwidmung der Liegenschaft durch die Gemeinde erforderlich, da in einem landwirtschaftlichen Objekt nur bis zu vier Wohnungen möglich gewesen wären. Und es galt, die Planungen mit dem Denkmalamt abzustimmen, was langwierige Verhandlungen und so manchen Kompromiss bedeutete. Nach Anschluss des Baurechtsvertrags mit dem Bistum, das der Gruppe für die nächsten 96 Jahre die Nutzung des Hofs samt umliegenden Grünflächen gewährte, konnten die Bauarbeiten im Herbst 2015 beginnen.
In eineinhalb Jahren Bauzeit wurden alle denkmalgeschützten Trakte saniert und zahlreiche überformte Architekturdetails freigelegt. Einen jüngeren, baulich minderwertigen Trakt musste Fritz Matzinger indes komplett ersetzen. Veränderungen aus dem 20. Jahrhundert wurden entfernt oder pragmatisch umgenutzt: So dient der vor wenigen Jahrzehnten betonierte Kuhstall nun als Garage. Von den 20 ein- und zweigeschoßigen Wohnungen gleicht keine der anderen, und das nicht nur der individuellen Bewohnerwünsche wegen. Während im Wohnungsneubau mitunter krampfhaft versucht wird, mit exaltierten Kunstgriffen gegen die Belanglosigkeit der Architektur anzukämpfen, führen bei einem Umbau die Charakteristika des Bestands oft zwangsläufig zu originellen Lösungen – die den Nutzern etwas Einzigartiges bescheren und die Geschichte des Hauses am Leben erhalten. So stützte Matzinger ein eingeknicktes Barockgewölbe mit vier restaurierten gusseisernen Säulen aus dem abgetragenen Pferdestall ab – und gab dem Wohnraum damit eine ganz spezielle Erscheinung.
Besondere Hinwendung erfuhr der Freiraum, dessen Begrünung wenige Wochen nach Bezug des Hauses freilich erst am Beginn steht: Jede Wohnung verfügt über eine eigene Terrasse vor dem Haus, zu der man aus dem Obergeschoß direkt über Laubengänge und Außentreppen gelangt. Eine Ausnahme bilden die Maisonetten auf der Nordseite: Für sie schnitt der Architekt hofseitig Terrassen aus dem Dach aus, wodurch auch diese Wohnungen zumindest im Dachgeschoß Sonne von Süden erhalten. Im Atrium erschließt eine beinah umlaufende Galerie das obere Stockwerk und stellt nicht nur einen Zugang, sondern eine Erweiterung des Wohnraums dar. Hier finden sich Zimmerpflanzen, Bücherregale, ein Schaukelstuhl oder ein Heimtrainer.
Das Herz der Anlage ist aber das 30 mal 15 Meter große Atrium, das in seiner gesamten Länge von einem Schwimmkanal durchzogen wird. Der Pool ist für Fritz Matzinger ein zentraler Bestandteil seines Konzepts, da auch er die Menschen zusammenbringt und in entspannter Atmosphäre miteinander kommunizieren lässt. Des Weiteren finden sich im Hof eine Gemeinschaftsküche mit einem großen Tisch und am anderen Ende eine Art Café für kleinere Runden. Dazwischen ist viel Platz für Pflanzen, die noch aus Töpfen wachsen, bald aber schon aus der Erde sprießen werden und das Atrium in einen üppigen Wintergarten verwandeln sollen. Bereits jetzt offenbart die intensive Nutzung des gemeinsamen Freiraums die soziale Dimension von Matzingers Modell, die für den Architekten im Vordergrund steht: Eine Vereinsamung oder gar Isolierung – ob von Kindern und Jugendlichen, alleinstehenden, alten oder behinderten Menschen – ist bei dieser Wohnform so gut wie ausgeschlossen.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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