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Die Wohnung im Hochbunker
Neuerdings werden in Deutschland Hochbunker in guter Innenstadtlage zu wahren Spitzenpreisen verkauft. Das Ziel der Käufer: den grauen Betonklötzen neues und auch hochpreisiges Leben einzuhauchen. Die moderne Technik macht’s möglich. Nur wohin mit dem Beton?
21. Oktober 2017 - Franziska Zoidl
Zu haben: Ein 1943 erbauter, fünfgeschoßiger Bunker in Bremen mit 1,10 Meter dicken Stahlbetonwänden und einer Bruttogeschoßfläche von knapp 1000 m². Er hat kein einziges Fenster – und auch die Wasserversorgung ist laut Immobilieninserat „nicht mehr vorhanden“. Oder: Ein Hochbunker in Duisburg, der zwar über einige Fensteröffnungen im Obergeschoß verfügt, die aber alle zugemauert wurden.
Die für die Vermarktung dieser Hochbunker zuständige deutsche Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) hat aktuell zwölf Hochbunker im Angebot, für die auch auf der Immobilienmesse Expo Real in München vor kurzem die Werbetrommel gerührt wurde. „Diese Immobilien wurden 70 Jahre lang nicht angegriffen“, erklärte dort Jörg Musial von der BIMA. „Durch den technischen Fortschritt kann man den Bunker aber heute knacken.“
Immer häufiger werden diese Spezialimmobilien, die aus strategischen Gründen oft in heute begehrter Innenstadtlage gebaut wurden, in Wohnobjekte umgewandelt. Zuletzt sei sogar ein regelrechter Boom ausgebrochen, hieß es vonseiten der BIMA: 250 Bunker wurden in den letzten zehn Jahren bundesweit verkauft, 101 davon in Nordrhein-Westfalen, in der Regel mittels öffentlichen Bieterverfahrens. 70,5 Millionen Euro wurden damit lukriert. Die bezahlten Preise können durchaus beachtlich sein: Jüngst wechselte in Aachen ein denkmalgeschützter Bunker um 480.000 Euro den Besitzer.
Was möglich ist, zeigt ein aktuelles Projekt in Kassel: Der Bunker liegt gleich in der Nähe vom Büro der Architekten Groger Grund Schmidt und weckte daher deren Interesse. „Was man aus diesem Betonklotz machen könnte, hat uns fasziniert“, erklärt der Architekt Matthias Fronius. 2015 war Baustart, kürzlich wurden die zwölf Wohnungen mit 1400 m² Wohnfläche übergeben. „Von innen wurde der Bunker komplett entkernt“, erklärt Fronius. Auch das marode Dach wurde entfernt und dem Gebäude ein zweigeschoßiger Mansardenbau aufgesetzt. Zudem wurde ins Gebäude ein neues Treppenhaus hineingeschnitten.
Die Architekten Rainer Mielke und Claus Freudenberg haben das Potenzial der Bunker schon früh entdeckt. 1999 bauten sie ihren ersten Bunker um, Rainer Mielke residiert seither in einem Penthouse auf dem Dach. Zehn Bunker haben sie in Eigenregie, aber auch für private Auftraggeber transformiert, nicht alle wurden zu Wohnobjekten.
Fenster ausschneiden
Eine anfängliche Herausforderung sei das Ausschneiden der Fenster gewesen, erzählt Mielke. Heute wird mit Seilsägen gearbeitet, die zwei bis drei Tage für das Ausschneiden eines Fensters aus der zwischen 1,10 und zwei Meter dicken Stahlbetonwand brauchen. „Dann fängt das Problem aber erst an“, so Mielke. Denn die bis zu 25 Tonnen schweren Betonblöcke müssen irgendwie aus dem Gebäude geschafft werden.
Ein Problem, vor dem auch Architekt Fronius beim Bunker in Kassel stand, nachdem in sechsmonatiger Arbeit die Fenster ausgeschnitten worden waren. Die Lösung wurde in einem Autokran gefunden, der die Blöcke Stück für Stück aus dem Gebäude zog.
In den Gemäuern finden sich natürlich auch Überraschungen: So konnte beispielsweise bis heute niemand eine Erklärung für einen 70 Kubikmeter großen ausbetonierten Block auf dem Dach des Bunkers in Kassel finden. „Und im zweiten und dritten Obergeschoß waren Räume bis unter die Decke mit Sand gefüllt, da konnten wir natürlich im Vorhinein auch nicht hineinschauen“, so Fronius.
Den besonderen Reiz macht für Bunkerprofi Mielke aus, dass die Spezialimmobilien nur wenige tragende Wände haben, also individuelle Grundrisse möglich sind. „Wir lernen die Leute, für die wir bauen, gern kennen“, so die Architekten Mielke und Freudenberg: „Das geht im Bunker.“
Grundsätzlich seien die Interessenten heute buntgemischt. Bedenken aufgrund Geschichte der Gebäude und „der Angst, die hier erlebt worden ist“, habe es beim ersten Projekt bei einigen „esoterisch veranlagten“ Interessenten durchaus gegeben, sagt Mielke. Nach der Besichtigung einer bereits fertiggestellten Bunkerwohnung seien diese aber verflogen. Das Stichwort Bunker sorge aber natürlich immer für Interesse – auch wenn bei den fertigen Wohnungen nicht mehr viel an den Ursprungszustand erinnert.
Eine Wohnung im Bunker dürfe nämlich nie wie ein Bunker aussehen, erzählt Mielke. Gefragt seien große, lichtdurchflutete Wohnungen, keine engen Räume mit Fensterschlitzen. Außerdem habe die Oberfläche außen – wettergegerbter, mit Moos bewachsener Beton – eine unübertroffene Qualität. Bei einem aktuellen Projekt in Hamburg-Eilbek werden die Außenwände nur gereinigt.
Ein Nachteil der Substanz: „Energetisch ist so ein Bunker eine Katastrophe“, sagt Mielke. Die Stahlbetonwand biete keine Wärmedämmung, man müsse also komplett neu dämmen. Der einzige Vorteil des Stahlbetons sei, dass Temperaturextreme ausgeglichen werden.
Klar ist: Die Kosten für einen solchen Umbau sind beachtlich. In Kassel sei man im „höheren siebenstelligen Bereich“ gelegen, berichtet Fronius. „Es ist ein großes Abenteuer“, sagt der Architekt, der bereits ein weiteres, ähnliches Projekt im Auge hat: „Man sollte dieses Abenteuer aber wagen. Denn im Bunker wohnen kann nicht jeder.“
Überschaubares Angebot
Das Angebot ist tatsächlich begrenzt: 130 Bunker hat die BIMA noch im Bestand. Für eine Wohnnutzung eignet sich aber nur ein Bruchteil, etwa aufgrund der Lage, der Erfordernisse des Denkmalschutzes oder bestehender Mietverträge. Und auch die stark gestiegenen Preise machen es kleineren Bauträgern schwer, Projekte zu realisieren. Denn viel mehr als die Konkurrenz im Neubau könne man für die Wohnungen im Bunker nicht verlangen, meint Mielke. Beim Projekt in Hamburg beginnen die Quadratmeterpreise bei knapp unter 4000 Euro.
Wer nun Interesse hat: In Österreich ist das Angebot an Bunkern begrenzt. Die Sivbeg, 2005 zum Verkauf von Heeresimmobilien gegründet, hatte 2015 einen Hochsicherheits-(Erd-)Bunker im Burgenland im Angebot. Sie wurde aber 2016 aufgelöst, seither werden Verkäufe direkt vom Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport durchgeführt. Laut dessen Webseite steht derzeit jedoch kein Bunker zum Verkauf.
Die für die Vermarktung dieser Hochbunker zuständige deutsche Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) hat aktuell zwölf Hochbunker im Angebot, für die auch auf der Immobilienmesse Expo Real in München vor kurzem die Werbetrommel gerührt wurde. „Diese Immobilien wurden 70 Jahre lang nicht angegriffen“, erklärte dort Jörg Musial von der BIMA. „Durch den technischen Fortschritt kann man den Bunker aber heute knacken.“
Immer häufiger werden diese Spezialimmobilien, die aus strategischen Gründen oft in heute begehrter Innenstadtlage gebaut wurden, in Wohnobjekte umgewandelt. Zuletzt sei sogar ein regelrechter Boom ausgebrochen, hieß es vonseiten der BIMA: 250 Bunker wurden in den letzten zehn Jahren bundesweit verkauft, 101 davon in Nordrhein-Westfalen, in der Regel mittels öffentlichen Bieterverfahrens. 70,5 Millionen Euro wurden damit lukriert. Die bezahlten Preise können durchaus beachtlich sein: Jüngst wechselte in Aachen ein denkmalgeschützter Bunker um 480.000 Euro den Besitzer.
Was möglich ist, zeigt ein aktuelles Projekt in Kassel: Der Bunker liegt gleich in der Nähe vom Büro der Architekten Groger Grund Schmidt und weckte daher deren Interesse. „Was man aus diesem Betonklotz machen könnte, hat uns fasziniert“, erklärt der Architekt Matthias Fronius. 2015 war Baustart, kürzlich wurden die zwölf Wohnungen mit 1400 m² Wohnfläche übergeben. „Von innen wurde der Bunker komplett entkernt“, erklärt Fronius. Auch das marode Dach wurde entfernt und dem Gebäude ein zweigeschoßiger Mansardenbau aufgesetzt. Zudem wurde ins Gebäude ein neues Treppenhaus hineingeschnitten.
Die Architekten Rainer Mielke und Claus Freudenberg haben das Potenzial der Bunker schon früh entdeckt. 1999 bauten sie ihren ersten Bunker um, Rainer Mielke residiert seither in einem Penthouse auf dem Dach. Zehn Bunker haben sie in Eigenregie, aber auch für private Auftraggeber transformiert, nicht alle wurden zu Wohnobjekten.
Fenster ausschneiden
Eine anfängliche Herausforderung sei das Ausschneiden der Fenster gewesen, erzählt Mielke. Heute wird mit Seilsägen gearbeitet, die zwei bis drei Tage für das Ausschneiden eines Fensters aus der zwischen 1,10 und zwei Meter dicken Stahlbetonwand brauchen. „Dann fängt das Problem aber erst an“, so Mielke. Denn die bis zu 25 Tonnen schweren Betonblöcke müssen irgendwie aus dem Gebäude geschafft werden.
Ein Problem, vor dem auch Architekt Fronius beim Bunker in Kassel stand, nachdem in sechsmonatiger Arbeit die Fenster ausgeschnitten worden waren. Die Lösung wurde in einem Autokran gefunden, der die Blöcke Stück für Stück aus dem Gebäude zog.
In den Gemäuern finden sich natürlich auch Überraschungen: So konnte beispielsweise bis heute niemand eine Erklärung für einen 70 Kubikmeter großen ausbetonierten Block auf dem Dach des Bunkers in Kassel finden. „Und im zweiten und dritten Obergeschoß waren Räume bis unter die Decke mit Sand gefüllt, da konnten wir natürlich im Vorhinein auch nicht hineinschauen“, so Fronius.
Den besonderen Reiz macht für Bunkerprofi Mielke aus, dass die Spezialimmobilien nur wenige tragende Wände haben, also individuelle Grundrisse möglich sind. „Wir lernen die Leute, für die wir bauen, gern kennen“, so die Architekten Mielke und Freudenberg: „Das geht im Bunker.“
Grundsätzlich seien die Interessenten heute buntgemischt. Bedenken aufgrund Geschichte der Gebäude und „der Angst, die hier erlebt worden ist“, habe es beim ersten Projekt bei einigen „esoterisch veranlagten“ Interessenten durchaus gegeben, sagt Mielke. Nach der Besichtigung einer bereits fertiggestellten Bunkerwohnung seien diese aber verflogen. Das Stichwort Bunker sorge aber natürlich immer für Interesse – auch wenn bei den fertigen Wohnungen nicht mehr viel an den Ursprungszustand erinnert.
Eine Wohnung im Bunker dürfe nämlich nie wie ein Bunker aussehen, erzählt Mielke. Gefragt seien große, lichtdurchflutete Wohnungen, keine engen Räume mit Fensterschlitzen. Außerdem habe die Oberfläche außen – wettergegerbter, mit Moos bewachsener Beton – eine unübertroffene Qualität. Bei einem aktuellen Projekt in Hamburg-Eilbek werden die Außenwände nur gereinigt.
Ein Nachteil der Substanz: „Energetisch ist so ein Bunker eine Katastrophe“, sagt Mielke. Die Stahlbetonwand biete keine Wärmedämmung, man müsse also komplett neu dämmen. Der einzige Vorteil des Stahlbetons sei, dass Temperaturextreme ausgeglichen werden.
Klar ist: Die Kosten für einen solchen Umbau sind beachtlich. In Kassel sei man im „höheren siebenstelligen Bereich“ gelegen, berichtet Fronius. „Es ist ein großes Abenteuer“, sagt der Architekt, der bereits ein weiteres, ähnliches Projekt im Auge hat: „Man sollte dieses Abenteuer aber wagen. Denn im Bunker wohnen kann nicht jeder.“
Überschaubares Angebot
Das Angebot ist tatsächlich begrenzt: 130 Bunker hat die BIMA noch im Bestand. Für eine Wohnnutzung eignet sich aber nur ein Bruchteil, etwa aufgrund der Lage, der Erfordernisse des Denkmalschutzes oder bestehender Mietverträge. Und auch die stark gestiegenen Preise machen es kleineren Bauträgern schwer, Projekte zu realisieren. Denn viel mehr als die Konkurrenz im Neubau könne man für die Wohnungen im Bunker nicht verlangen, meint Mielke. Beim Projekt in Hamburg beginnen die Quadratmeterpreise bei knapp unter 4000 Euro.
Wer nun Interesse hat: In Österreich ist das Angebot an Bunkern begrenzt. Die Sivbeg, 2005 zum Verkauf von Heeresimmobilien gegründet, hatte 2015 einen Hochsicherheits-(Erd-)Bunker im Burgenland im Angebot. Sie wurde aber 2016 aufgelöst, seither werden Verkäufe direkt vom Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport durchgeführt. Laut dessen Webseite steht derzeit jedoch kein Bunker zum Verkauf.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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