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Dieses war der erste Streich . . .
Der erste von zwei Bauabschnitten des neuen Med Campus Graz ist fertig: ein Gebäude, das sich als funktions- und verbrauchsoptimierte Maschine präsentiert – verschwenderisch ist hier nichts. Von den Grazer Architekten Riegler Riewe.
28. Oktober 2017 - Karin Tschavgova
Das kommt nicht oft vor. Selbst in einer durch enorme Bautätigkeit gekennzeichneten, stetig wachsenden Stadt wie Graz entsteht ein Bauwerk solcher Größe nur im Abstand von Dezennien. 40.000 Quadratmeter an Bruttogeschoßfläche, etwa 200.000 Kubikmeter umbauter Raum wurden für den ersten von zwei Bauabschnitten des neuen Med Campus der Medizinischen Universität Graz errichtet und im Oktober den Nutzern übergeben. Annähernd gleich groß war nur der Bau für die Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Uni Graz,kurz ReSoWi genannt, der exakt 21 Jahre früher eröffnet wurde und lange als der zweitgrößte Universitätsbau der Nachkriegszeit in Österreich galt.
In dem sogenannten Modul 1 wird ein großer Teil der vorklinischen Institute nun an einem Standort vereint, der in unmittelbarer Nachbarschaft zur Universitätsklinik liegt. Die Nähe zwischen angewandter Medizin dort, auf dem Areal des 1914 erbauten ehemaligen Landeskrankenhauses, und Lehre und universitärer Forschung auf der anderen Seite der Straße ins Stiftingtal gilt als ideal.
Unter den 57 teilnehmenden Architekturbüros überzeugte im zweistufigen, EU-weit ausgeschriebenen Wettbewerb das Projekt der Grazer Architekten Riegler Riewe die Jury einstimmig. Ihr Konzept interpretiert die Idee der Universität als Campus neu, indem stadträumlich verdichtet und in die Höhe gestapelt wird. Damit gelang es den Architekten auch, der schon im Wettbewerb nachdrücklich geforderten Nachhaltigkeit des Bauens – einer ganzheitlichen Betrachtung von gebauter Ökonomie, Ökologie und Nutzerkomfort – Rechnung zu tragen.
Der traditionellen Vorstellung des Campus als weitläufiges, durchgrüntes Gelände mit thematisch verbundenen Einzelgebäuden, wie sie auf dem WU Campus in Wien umgesetzt wurde, folgen die Architekten in ihrem Projekt nicht. Ihr Campus am Fuß des Rieshangs erscheint als eine mächtige Großform – signifikant und identitätsstiftend. Erst beim Betreten identifiziert der Blick den Campus als dichtes Gefüge aus linear gestaffelten Baukörpern auf einem zweigeschoßigen Sockel. Dieser tritt selbst in der Annäherung kaum in Erscheinung, weil die Fassaden der beiden Sockelgeschoße und jene der Aufbauten so ineinandergreifen, dass keine Fuge sichtbar wird. Beide sind subtil miteinander verwoben und zugleich funktionell feinsäuberlich getrennt – unten Lehrräume und Hörsäle, darüber die Institute für Forschung und Laborarbeit.
Mit dem schon 2014 fertiggestellten Zentrum für Wissens- und Technologietransfer (ZWT) sind es sechs schlanke und deshalb hoch aufragend wirkende Doppelbaukörper (einer fehlt noch), also eigentlich zwölf lang gezogene Strukturen, die in einem reizvollen Spannungsverhältnis zu den präzise dazwischen angelegten Freiräumen stehen. Die abwechslungsreiche Abfolge von kleinenInnenhöfen, unterschiedlich breiten Wegen,Gassen und Plätzen lässt die Anlage, gewachsenem städtischen Raum gleich, zu einem dichten Gewebe aus umbautem Raum und öffentlichem Freiraum werden.
Das kennen wir schon von Riewe Riegler. Diese Struktur verpassten die Architekten in den Jahren 1997 bis 2000 einem landschaftlich öden Baufeld mit heterogener baulicher Nachbarschaft. Ihre Antwort damals für die informationstechnischen Institute der TU Graz auf den Inffeldgründen: ein dichtes orthogonales Netz aus unterschiedlich langen, parallel liegenden Baukörpern, Straßenräumen und kleinen Platzerweiterungen, die über durchlässige Erdgeschoße und Brückenmiteinander verbunden wurden.
Nun also diese gedankliche Fortführung, die sich auch in wesentlich größerem Maßstab umsetzen ließ. Ob sich die Durchwegungen und Begegnungszonen, die Querverbindungen über Brücken zwischen den Instituten wirklich als kommunikationsfördernd erweisen, wird sich zeigen. Baulich angelegt sind sie, und sie werden auch noch erweitert und zum Krankenhaus zu nützen sein, wenn erst der zweite Bauabschnitt des Med Campus auf dem Deck der vor Jahren gebauten Parkgarage für das Krankenhaus realisiert wird. Beide werden dann über eine Fußgänger- und Fahrradbrücke verbunden sein und noch stärker als derzeit die gewünschte Einbindung dieses Ortes in seine Umgebung verdeutlichen.
Primär fungiert die Campusebene als horizontale Verbindung aller Funktionen, auch jenen, die wie die Laborbereiche nicht öffentlich zugänglich sind. Sie sind den Instituten zugeordnet, die in enger Zusammenarbeit mit den Nutzern je nach Funktion in den tieferen und in schmalen, einhüftigen Baukörpern angeordnet wurden. Diese Grundrissfiguration soll optimale Tageslichtverhältnisse garantieren und auch damit Fakten für die Nachhaltigkeit der Bauten liefern.
Generell wurde strikt darauf geachtet, dass bauliche Maßnahmen die Lebenszykluskosten der Gesamtanlage deutlich mindern (errechnet wurden 29 Prozent). Als erster Erfolg gilt, dass der Med Campus als erstes österreichisches Labor- und Forschungsgebäude mit Platin, der höchsten Zertifizierungsstufe der Österreichischen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen, ausgezeichnet wurde.
All diese „Hard Facts“ zeigen einen verantwortungsvollen, in die Zukunft gerichteten Umgang mit unseren Ressourcen. Die offenen, verbindenden Strukturen des Campus stehen auch für die Förderung gedanklicher Freiräume.
Klassische architektonische Bewertungskriterien, wie die Einfügung des Baues in seine Umgebung, das Erkennen und Aufgreifen der speziellen Physis des Ortes als Bedingung für seine Form, lassen sich dabei nicht anwenden. Dieses Gebäude präsentiert sich als funktions- und verbrauchsoptimierte Maschine, und ob sie so funktioniert wie geplant, wird sich erst in Jahren zeigen. Anforderungen an einzelne Teile der Maschine, etwa an Laborräume, müssen so hohen funktionellen Auflagen genügen, dass ihre Designqualität nachrangig wird. Großzügig zeigen sich das Entree und die daran anschließende Aula mit Umgang. Schon darüber wird die Intention zur Raumeffizienz an der geringen Höhe der Erschließungsbereiche, die als Lernzonen Doppelfunktionen haben, sichtbar. Verschwenderisch ist an diesem Gebäude nichts.
Umso mehr Bedeutung gewinnt, dass die Grundzüge des städtebaulichen Wettbewerbkonzepts frei von Brüchen und schwachen Kompromissen realisiert werden konnten. Dass Grundsätze wie die Offenheit des Campus gegenüber seiner Umgebung und die gewünschte Verbindung und Kommunikation zwischen den internen Abteilungen auch im geschäftigen Betrieb erkennbar bleiben. Dass die feine Durchgestaltung der Fassaden, ihre subtil-farbige Lebendigkeit und zugleich ganzheitliche Wirkung der Großform ihre Massigkeit nimmt. So wie gutes Design von Maschinen diesen neben höchster Funktionalität auch ästhetische Anmutung und Eleganz verleiht.
In dem sogenannten Modul 1 wird ein großer Teil der vorklinischen Institute nun an einem Standort vereint, der in unmittelbarer Nachbarschaft zur Universitätsklinik liegt. Die Nähe zwischen angewandter Medizin dort, auf dem Areal des 1914 erbauten ehemaligen Landeskrankenhauses, und Lehre und universitärer Forschung auf der anderen Seite der Straße ins Stiftingtal gilt als ideal.
Unter den 57 teilnehmenden Architekturbüros überzeugte im zweistufigen, EU-weit ausgeschriebenen Wettbewerb das Projekt der Grazer Architekten Riegler Riewe die Jury einstimmig. Ihr Konzept interpretiert die Idee der Universität als Campus neu, indem stadträumlich verdichtet und in die Höhe gestapelt wird. Damit gelang es den Architekten auch, der schon im Wettbewerb nachdrücklich geforderten Nachhaltigkeit des Bauens – einer ganzheitlichen Betrachtung von gebauter Ökonomie, Ökologie und Nutzerkomfort – Rechnung zu tragen.
Der traditionellen Vorstellung des Campus als weitläufiges, durchgrüntes Gelände mit thematisch verbundenen Einzelgebäuden, wie sie auf dem WU Campus in Wien umgesetzt wurde, folgen die Architekten in ihrem Projekt nicht. Ihr Campus am Fuß des Rieshangs erscheint als eine mächtige Großform – signifikant und identitätsstiftend. Erst beim Betreten identifiziert der Blick den Campus als dichtes Gefüge aus linear gestaffelten Baukörpern auf einem zweigeschoßigen Sockel. Dieser tritt selbst in der Annäherung kaum in Erscheinung, weil die Fassaden der beiden Sockelgeschoße und jene der Aufbauten so ineinandergreifen, dass keine Fuge sichtbar wird. Beide sind subtil miteinander verwoben und zugleich funktionell feinsäuberlich getrennt – unten Lehrräume und Hörsäle, darüber die Institute für Forschung und Laborarbeit.
Mit dem schon 2014 fertiggestellten Zentrum für Wissens- und Technologietransfer (ZWT) sind es sechs schlanke und deshalb hoch aufragend wirkende Doppelbaukörper (einer fehlt noch), also eigentlich zwölf lang gezogene Strukturen, die in einem reizvollen Spannungsverhältnis zu den präzise dazwischen angelegten Freiräumen stehen. Die abwechslungsreiche Abfolge von kleinenInnenhöfen, unterschiedlich breiten Wegen,Gassen und Plätzen lässt die Anlage, gewachsenem städtischen Raum gleich, zu einem dichten Gewebe aus umbautem Raum und öffentlichem Freiraum werden.
Das kennen wir schon von Riewe Riegler. Diese Struktur verpassten die Architekten in den Jahren 1997 bis 2000 einem landschaftlich öden Baufeld mit heterogener baulicher Nachbarschaft. Ihre Antwort damals für die informationstechnischen Institute der TU Graz auf den Inffeldgründen: ein dichtes orthogonales Netz aus unterschiedlich langen, parallel liegenden Baukörpern, Straßenräumen und kleinen Platzerweiterungen, die über durchlässige Erdgeschoße und Brückenmiteinander verbunden wurden.
Nun also diese gedankliche Fortführung, die sich auch in wesentlich größerem Maßstab umsetzen ließ. Ob sich die Durchwegungen und Begegnungszonen, die Querverbindungen über Brücken zwischen den Instituten wirklich als kommunikationsfördernd erweisen, wird sich zeigen. Baulich angelegt sind sie, und sie werden auch noch erweitert und zum Krankenhaus zu nützen sein, wenn erst der zweite Bauabschnitt des Med Campus auf dem Deck der vor Jahren gebauten Parkgarage für das Krankenhaus realisiert wird. Beide werden dann über eine Fußgänger- und Fahrradbrücke verbunden sein und noch stärker als derzeit die gewünschte Einbindung dieses Ortes in seine Umgebung verdeutlichen.
Primär fungiert die Campusebene als horizontale Verbindung aller Funktionen, auch jenen, die wie die Laborbereiche nicht öffentlich zugänglich sind. Sie sind den Instituten zugeordnet, die in enger Zusammenarbeit mit den Nutzern je nach Funktion in den tieferen und in schmalen, einhüftigen Baukörpern angeordnet wurden. Diese Grundrissfiguration soll optimale Tageslichtverhältnisse garantieren und auch damit Fakten für die Nachhaltigkeit der Bauten liefern.
Generell wurde strikt darauf geachtet, dass bauliche Maßnahmen die Lebenszykluskosten der Gesamtanlage deutlich mindern (errechnet wurden 29 Prozent). Als erster Erfolg gilt, dass der Med Campus als erstes österreichisches Labor- und Forschungsgebäude mit Platin, der höchsten Zertifizierungsstufe der Österreichischen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen, ausgezeichnet wurde.
All diese „Hard Facts“ zeigen einen verantwortungsvollen, in die Zukunft gerichteten Umgang mit unseren Ressourcen. Die offenen, verbindenden Strukturen des Campus stehen auch für die Förderung gedanklicher Freiräume.
Klassische architektonische Bewertungskriterien, wie die Einfügung des Baues in seine Umgebung, das Erkennen und Aufgreifen der speziellen Physis des Ortes als Bedingung für seine Form, lassen sich dabei nicht anwenden. Dieses Gebäude präsentiert sich als funktions- und verbrauchsoptimierte Maschine, und ob sie so funktioniert wie geplant, wird sich erst in Jahren zeigen. Anforderungen an einzelne Teile der Maschine, etwa an Laborräume, müssen so hohen funktionellen Auflagen genügen, dass ihre Designqualität nachrangig wird. Großzügig zeigen sich das Entree und die daran anschließende Aula mit Umgang. Schon darüber wird die Intention zur Raumeffizienz an der geringen Höhe der Erschließungsbereiche, die als Lernzonen Doppelfunktionen haben, sichtbar. Verschwenderisch ist an diesem Gebäude nichts.
Umso mehr Bedeutung gewinnt, dass die Grundzüge des städtebaulichen Wettbewerbkonzepts frei von Brüchen und schwachen Kompromissen realisiert werden konnten. Dass Grundsätze wie die Offenheit des Campus gegenüber seiner Umgebung und die gewünschte Verbindung und Kommunikation zwischen den internen Abteilungen auch im geschäftigen Betrieb erkennbar bleiben. Dass die feine Durchgestaltung der Fassaden, ihre subtil-farbige Lebendigkeit und zugleich ganzheitliche Wirkung der Großform ihre Massigkeit nimmt. So wie gutes Design von Maschinen diesen neben höchster Funktionalität auch ästhetische Anmutung und Eleganz verleiht.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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