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Reinhard Seiß: „Das ist zu wenig!“
Stadtplaner Reinhard Seiß kritisiert die mangelnde Planungskultur im Land. Die Hochhauspolitik in Linz hält der Oberösterreicher für verantwortungslos
25. November 2017 - Tobias Hagleitner
OÖNachrichten: Der geplante Bruckner-Tower oder das Weinturm-Hochhaus werden in Linz derzeit heiß diskutiert. Hochhäuser polarisieren. Sind Sie pro oder contra?
Reinhard Seiß: Das Problem sind nicht Hochhäuser an sich, sondern ihr unreflektierter Einsatz. Es ist erschütternd, mit welcher Oberflächlichkeit Projekte oft argumentiert, ja schöngeredet werden. Gebäude mit 80, 100, 120 Metern haben einen großen Wirkungsradius. Da wäre ein vertiefter Diskussionsprozess vonnöten. Doch wird so getan, als gingen Hochhäuser nur jene etwas an, die sie planen, bauen und genehmigen. Das mag bei Projekten von ortsüblicher Dimension funktionieren, aber nicht bei Höhen, die den bestehenden Bebauungsplan um ein Vielfaches sprengen.
Die genannten Projekte zeigen immerhin architektonischen Anspruch…
Nur, weil etwas in zeitgenössischem Gewand daherkommt, heißt das nicht, dass es gut ist. Architektur muss mehr sein als Form und Oberfläche. Zu sagen, ein Gebäude sei schön, ist bei Hochhäusern zu wenig, vor allem wenn diese Behauptung von den Planern und Betreibern selbst stammt. Die meisten Türme in Österreich sind architektonisch banal und zeigen bloß die serielle Vervielfältigung ein und desselben Geschoßes. Da bieten historische Bauten auf vier Geschoßen mehr Differenziertheit. Aber es geht um mehr: Wie nachhaltig sind diese Hochhäuser beispielsweise? Wie teuer kommt ihre Sanierung oder Umnutzung? Es ist sicher zu wenig, das geforderte Raumprogramm des Investors zu erfüllen, insbesondere, wenn Architektur gesellschaftspolitische Verantwortung für sich reklamiert.
Da ist auch die Verantwortung der Stadt angesprochen, der Politik, die solche Projekte genehmigt?
Natürlich! Vor allem die Planungspolitik ist in der Pflicht. Ein Hochhaus hat vielfältige Auswirkungen auf das Umfeld. Da geht es um die Struktur des Viertels, um Verkehrsfragen, um Beschattung, um Windturbulenzen und nicht zuletzt um das Stadtbild, die Silhouette. Jahrhundertelang war Städtebau auch akribische Stadtkomposition. Heute meinen Kommunalpolitiker selbstüberschätzend, über Stadtgestalt autonom entscheiden zu können.
Als Raumplaner kritisieren Sie Bodenverbrauch und Zersiedelung. Hochhäuser wären doch ein Gegenmittel?
Als Stadtregion betrachtet – und so müssen wir Städte heute betrachten – braucht Linz für sein Wachstum keine Hochhäuser. Linz leidet nicht unter Baulandknappheit wie etwa Innsbruck, sondern unter fehlender Flächeneffizienz. Was wir in Gewerbegebieten, Fachmarktzentren und bei Supermärkten allein für Parkplätze an Boden vergeuden oder für freistehende Einfamilienhäuser verbrauchen. Das Argument des Wachstumsdrucks ist unzulässig, solange im Umkreis von 15 Kilometer um den Linzer Dom auch nur eine einzige Einfamilienhausparzelle zur Bebauung ansteht und verdichtete Flachbauten weiterhin bloß Ausnahmeerscheinungen sind.
Können Hochhäuser als private Investments nicht auch Impulsgeber für die Stadtentwicklung sein?
Immobilienprojekte sind keine Gefälligkeit von Investoren, sondern eine attraktive Anlageform. Und Hochhäuser sind nur eine sehr eitle Spielart davon. Dabei vergisst die Politik: Jede Hochhauswidmung widerspricht dem Gleichheitsprinzip. Ein einzelner Grundeigentümer wird mit einer Vervielfachung des Grundstückswerts gegenüber allen anderen, die dieses Recht nicht bekommen, begünstigt. Bei frei finanzierten Wohn- oder Bürobauten müsste dieser Mehrwert adäquat abgegolten werden. In München oder in Basel und anderen Schweizer Städten wird das bei Großprojekten konsequent betrieben. Selbst in US-Städten zahlen Begünstigte sowohl an die Anrainer als auch an die Allgemeinheit. Dass man sich hierzulande wehrt, auf diese Weise Gerechtigkeit zu schaffen, sagt viel über unsere Politik.
Reinhard Seiß: Das Problem sind nicht Hochhäuser an sich, sondern ihr unreflektierter Einsatz. Es ist erschütternd, mit welcher Oberflächlichkeit Projekte oft argumentiert, ja schöngeredet werden. Gebäude mit 80, 100, 120 Metern haben einen großen Wirkungsradius. Da wäre ein vertiefter Diskussionsprozess vonnöten. Doch wird so getan, als gingen Hochhäuser nur jene etwas an, die sie planen, bauen und genehmigen. Das mag bei Projekten von ortsüblicher Dimension funktionieren, aber nicht bei Höhen, die den bestehenden Bebauungsplan um ein Vielfaches sprengen.
Die genannten Projekte zeigen immerhin architektonischen Anspruch…
Nur, weil etwas in zeitgenössischem Gewand daherkommt, heißt das nicht, dass es gut ist. Architektur muss mehr sein als Form und Oberfläche. Zu sagen, ein Gebäude sei schön, ist bei Hochhäusern zu wenig, vor allem wenn diese Behauptung von den Planern und Betreibern selbst stammt. Die meisten Türme in Österreich sind architektonisch banal und zeigen bloß die serielle Vervielfältigung ein und desselben Geschoßes. Da bieten historische Bauten auf vier Geschoßen mehr Differenziertheit. Aber es geht um mehr: Wie nachhaltig sind diese Hochhäuser beispielsweise? Wie teuer kommt ihre Sanierung oder Umnutzung? Es ist sicher zu wenig, das geforderte Raumprogramm des Investors zu erfüllen, insbesondere, wenn Architektur gesellschaftspolitische Verantwortung für sich reklamiert.
Da ist auch die Verantwortung der Stadt angesprochen, der Politik, die solche Projekte genehmigt?
Natürlich! Vor allem die Planungspolitik ist in der Pflicht. Ein Hochhaus hat vielfältige Auswirkungen auf das Umfeld. Da geht es um die Struktur des Viertels, um Verkehrsfragen, um Beschattung, um Windturbulenzen und nicht zuletzt um das Stadtbild, die Silhouette. Jahrhundertelang war Städtebau auch akribische Stadtkomposition. Heute meinen Kommunalpolitiker selbstüberschätzend, über Stadtgestalt autonom entscheiden zu können.
Als Raumplaner kritisieren Sie Bodenverbrauch und Zersiedelung. Hochhäuser wären doch ein Gegenmittel?
Als Stadtregion betrachtet – und so müssen wir Städte heute betrachten – braucht Linz für sein Wachstum keine Hochhäuser. Linz leidet nicht unter Baulandknappheit wie etwa Innsbruck, sondern unter fehlender Flächeneffizienz. Was wir in Gewerbegebieten, Fachmarktzentren und bei Supermärkten allein für Parkplätze an Boden vergeuden oder für freistehende Einfamilienhäuser verbrauchen. Das Argument des Wachstumsdrucks ist unzulässig, solange im Umkreis von 15 Kilometer um den Linzer Dom auch nur eine einzige Einfamilienhausparzelle zur Bebauung ansteht und verdichtete Flachbauten weiterhin bloß Ausnahmeerscheinungen sind.
Können Hochhäuser als private Investments nicht auch Impulsgeber für die Stadtentwicklung sein?
Immobilienprojekte sind keine Gefälligkeit von Investoren, sondern eine attraktive Anlageform. Und Hochhäuser sind nur eine sehr eitle Spielart davon. Dabei vergisst die Politik: Jede Hochhauswidmung widerspricht dem Gleichheitsprinzip. Ein einzelner Grundeigentümer wird mit einer Vervielfachung des Grundstückswerts gegenüber allen anderen, die dieses Recht nicht bekommen, begünstigt. Bei frei finanzierten Wohn- oder Bürobauten müsste dieser Mehrwert adäquat abgegolten werden. In München oder in Basel und anderen Schweizer Städten wird das bei Großprojekten konsequent betrieben. Selbst in US-Städten zahlen Begünstigte sowohl an die Anrainer als auch an die Allgemeinheit. Dass man sich hierzulande wehrt, auf diese Weise Gerechtigkeit zu schaffen, sagt viel über unsere Politik.
Zur Person
Reinhard Seiß (47) stammt aus Oberösterreich. Für das Studium der Raumplanung zog er nach Wien, wo er bis heute als freier Planer, Publizist und Filmemacher lebt. Artikel von ihm erscheinen u. a. in „FAZ“, „Neue Zürcher Zeitung“ oder „Die Presse“. Seiß ist Mitglied des Beirats für Baukultur im Bundeskanzleramt und der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung.
Reinhard Seiß (47) stammt aus Oberösterreich. Für das Studium der Raumplanung zog er nach Wien, wo er bis heute als freier Planer, Publizist und Filmemacher lebt. Artikel von ihm erscheinen u. a. in „FAZ“, „Neue Zürcher Zeitung“ oder „Die Presse“. Seiß ist Mitglied des Beirats für Baukultur im Bundeskanzleramt und der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung.
Für den Beitrag verantwortlich: Oberösterreichische Nachrichten
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