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Belvederestöckl: Fair Play?
Auf der Suche nach dem Kern des Skandals rund um das geplante Bierlokal im historischen Schwarzenberggarten stößt man auf allerlei Merkwürdigkeiten – am Ende findet man einen Tiger. Eine Bestandsaufnahme.
2. Dezember 2017 - Stephanie Drlik
Wer jemals versucht hat, in Wien ein Bauvorhaben mit heiklen Rahmenbedingungen umzusetzen, der weiß: Möchte man reibungslos und unbeschadet zu einem gebauten Ergebnis gelangen, gilt es, einige Spielregeln einzuhalten. Das Wiener Prozedere ist leicht zu verstehen: Neben der Berücksichtigung der Bauordnung und rechtlich bindender Regelungen werden inhaltliche Leitlinien der Stadt und jene, die das Projektumfeld vorgibt, abgefragt. Hierzu bedarf es eines umsichtig, inklusiv und interdisziplinär gestalteten Planungsprozesses, bei dem Stadtverantwortliche und magistratszuständige Abteilungen ebenso wie Kommunalpolitiker, Anrainer und fachrelevante Planungspartner in den Prozess eingebunden werden. Ganz im Sinne einer transparenten und sauberen Baukultur wird Betroffenen das Vorhaben zu einem Zeitpunkt offengelegt, da es noch eine realistische Chance zur Berücksichtigung vonVerbesserungsvorschlägen gibt.
Trotz des akzeptanzsteigernden Effektes partizipativer Verfahren kommt es immer wieder zu bauherrischen Alleingängen. Gerade einflussreiche Bauwerber oder Berater versuchen gerne, den Weg im Vorfeld der Umsetzung des Projektes politisch zu ebnen, um später auf Umsichtigkeiten verzichten zu können. Solch ignorante Projektabwicklungen haben jedoch einen fauligen Bei-, allenfalls aber einen bitteren Nachgeschmack. Die Projekte leiden nämlich durch das Fehlen wertvoller Fachbeteiligungen unter Qualitätsverlusten und bewirken, angesichts der Machtlosigkeit gegenüber intransparenten Machenschaften, Frustration und Verärgerung.
Vor einigen Monaten wurde ein Bauvorhaben öffentlich, bei dem man sich offensichtlich gegen das Wiener Prozedere und für die schlankere Alleingangtaktik entschied. Es handelt sich um die Planungen zur Revitalisierung des Gastronomiebetriebes im ehemaligen „Belvederestöckl“, einem einstmals kleinen, allerdings feinen Lokal an der Wiener Prinz-Eugen-Straße. Das Stöckl im Besitz der Fürstlich Schwarzenberg'schen Familienstiftung liegt im Park zum Palais Schwarzenberg, einem bedeutenden Barockgarten, errichtet im italienisch-französischen Stil. Auf den Gartenterrassen verzichtete man ab 1783 auf intensive Pflegeschnitte, wodurch sich ein landschaftlicher Park mit wunderbarem Altbaumbestand entwickeln konnte, der auch das 1928 errichtete Stöckl beherbergt. Und dieses seit Jahren leer stehende Gebäude soll nun von der Salm Bräu GmbH gepachtet und zu einer Brauerei mit beachtlicher Gästekapazität erweitert werden.
Die Parameter zur Realisierung sind denkbar schwierig: ein altes Bestandsgebäude in einem historischen Park, geschützt durch die Flächenwidmung Parkschutzgebiet, situiert zwischen dem touristisch hochfrequentierten Belvedere und einem gut-bürgerlichen Wohnviertel, inmitten der Kernzone Weltkulturerbe Wien–Innere Stadtund einer Schutzzone im Rahmen der Wiener Altstadterhaltungsnovelle. Der Park als Gesamtanlage und seine baulichen Gartenelemente stehen unter Denkmalschutz. So manch fachkundiger Immobilienentwickler hätte angesichts dieser Voraussetzungen warnend abgewunken.
Doch scheinbar war sich der Bauwerber seines Vorhabens sicher. Wie anders ließe sich erklären, dass man sich weder die Mühe machte, ein denkmalpflegerisches Fachgutachten einzuholen, noch ein begleitendes Verkehrs- oder Parkierungskonzept für die ursprünglich 880 Sitzplätze umfassen sollende Gastronomiestätte vorzulegen? Auch die Anrainer scheinen von den Plänen weithin überrascht worden zu sein. Diesem Agieren und allen Schutzvorkehrungen zum Trotz: Der Erweiterungsbau des neuen „Stöckl im Park“ wurde ohne Einwände des Denkmalschutzes, des Naturschutzes oder der Baubehörde bewilligt. Jetzt wartet man auf die Betriebsanlagengenehmigung.
Erwartungsgemäß beteuert der Betreiber, im rechtlichen Rahmen gehandelt zu haben, und – wenngleich die Vorgehensweise seltsam scheint – nichts Gegenteiliges soll hier unterstellt werden. Doch für Belange im öffentlichen Interesse hätte man umsichtigeres Handeln und mehr Gespür für den Ort erwartet.
Nun, da eine fachkundige und einflussreiche Bürgerinitiative Druck macht und sich die Österreichische Gesellschaft für historische Gärten mit dem Fall an das Unesco-Weltkulturerbezentrum in Paris gewandt hat, rudert der künftige Betreiber zurück, kündigt Maßnahmen zur Reduzierung des Lärmaufkommens und die Ausarbeitungeines Verkehrskonzeptes an. Man sei jedenfalls gesprächsbereit – nach einer derartigen Projektabwicklung ein ironisches Eingeständnis, das reichlich spät kommt.
Die gartendenkmalpflegerischen Folgen des Bierlokalprojektes wurden in der heißen Debatte der vergangenen Wochen nur am Rande angeschnitten. Dabei liefern gerade sie, in dem Dilemma rund um widersprüchliche Geschäfts- und Anrainerinteressen, die sachlichsten Argumente gegen das Projekt. Welchen Einfluss haben Schank- und Toilettenanlagen und ein Hunderte Sitzplätze umfassender Gastgarten, direkt auf der Mittelachse der denkmalgeschützten Barockanlage liegend, auf den historischen Park? Vielleicht wüssten wir es, gäbe es ein entsprechendes Fachgutachten. Und dass dieses nicht vor der behördlichen Baugenehmigung eingefordert wurde, trifft wohl den Kern des Skandals. Wie konnte ein so fragwürdiges Projekt ohne öffentlich geführte gartendenkmalpflegerische Fachdebatte, ohne Einsprüche des Denkmalamtes und ohne Auflagen im Rahmen der Schutzzonenbeschränkungen von der Baupolizei bewilligt werden?
Die Recherchen im Zuge dieses Artikels konnten diese Frage nicht beantworten. Doch eines ist schon lang bekannt: Die österreichische Gartendenkmalpflege ist seit ihrer Eingliederung in eine Unterabteilung für Spezialmaterien ein zahnloser Tiger imBundesdenkmalamt. Österreich fehlt eine weisungsbefugte, zentralzuständige Instanz, die mächtig genug ist, Belange der Gartendenkmalpflege vor wirtschaftliche Motive zu stellen. Vielleicht erkennen politische Entscheidungsträger anhand des schmerzlichen Anlassfalles den Handlungsbedarf und machen diese folgenschwere Degradierung endlich rückgängig, um beschriebene Verfahrensfehler künftig verhindern zu können.
Trotz des akzeptanzsteigernden Effektes partizipativer Verfahren kommt es immer wieder zu bauherrischen Alleingängen. Gerade einflussreiche Bauwerber oder Berater versuchen gerne, den Weg im Vorfeld der Umsetzung des Projektes politisch zu ebnen, um später auf Umsichtigkeiten verzichten zu können. Solch ignorante Projektabwicklungen haben jedoch einen fauligen Bei-, allenfalls aber einen bitteren Nachgeschmack. Die Projekte leiden nämlich durch das Fehlen wertvoller Fachbeteiligungen unter Qualitätsverlusten und bewirken, angesichts der Machtlosigkeit gegenüber intransparenten Machenschaften, Frustration und Verärgerung.
Vor einigen Monaten wurde ein Bauvorhaben öffentlich, bei dem man sich offensichtlich gegen das Wiener Prozedere und für die schlankere Alleingangtaktik entschied. Es handelt sich um die Planungen zur Revitalisierung des Gastronomiebetriebes im ehemaligen „Belvederestöckl“, einem einstmals kleinen, allerdings feinen Lokal an der Wiener Prinz-Eugen-Straße. Das Stöckl im Besitz der Fürstlich Schwarzenberg'schen Familienstiftung liegt im Park zum Palais Schwarzenberg, einem bedeutenden Barockgarten, errichtet im italienisch-französischen Stil. Auf den Gartenterrassen verzichtete man ab 1783 auf intensive Pflegeschnitte, wodurch sich ein landschaftlicher Park mit wunderbarem Altbaumbestand entwickeln konnte, der auch das 1928 errichtete Stöckl beherbergt. Und dieses seit Jahren leer stehende Gebäude soll nun von der Salm Bräu GmbH gepachtet und zu einer Brauerei mit beachtlicher Gästekapazität erweitert werden.
Die Parameter zur Realisierung sind denkbar schwierig: ein altes Bestandsgebäude in einem historischen Park, geschützt durch die Flächenwidmung Parkschutzgebiet, situiert zwischen dem touristisch hochfrequentierten Belvedere und einem gut-bürgerlichen Wohnviertel, inmitten der Kernzone Weltkulturerbe Wien–Innere Stadtund einer Schutzzone im Rahmen der Wiener Altstadterhaltungsnovelle. Der Park als Gesamtanlage und seine baulichen Gartenelemente stehen unter Denkmalschutz. So manch fachkundiger Immobilienentwickler hätte angesichts dieser Voraussetzungen warnend abgewunken.
Doch scheinbar war sich der Bauwerber seines Vorhabens sicher. Wie anders ließe sich erklären, dass man sich weder die Mühe machte, ein denkmalpflegerisches Fachgutachten einzuholen, noch ein begleitendes Verkehrs- oder Parkierungskonzept für die ursprünglich 880 Sitzplätze umfassen sollende Gastronomiestätte vorzulegen? Auch die Anrainer scheinen von den Plänen weithin überrascht worden zu sein. Diesem Agieren und allen Schutzvorkehrungen zum Trotz: Der Erweiterungsbau des neuen „Stöckl im Park“ wurde ohne Einwände des Denkmalschutzes, des Naturschutzes oder der Baubehörde bewilligt. Jetzt wartet man auf die Betriebsanlagengenehmigung.
Erwartungsgemäß beteuert der Betreiber, im rechtlichen Rahmen gehandelt zu haben, und – wenngleich die Vorgehensweise seltsam scheint – nichts Gegenteiliges soll hier unterstellt werden. Doch für Belange im öffentlichen Interesse hätte man umsichtigeres Handeln und mehr Gespür für den Ort erwartet.
Nun, da eine fachkundige und einflussreiche Bürgerinitiative Druck macht und sich die Österreichische Gesellschaft für historische Gärten mit dem Fall an das Unesco-Weltkulturerbezentrum in Paris gewandt hat, rudert der künftige Betreiber zurück, kündigt Maßnahmen zur Reduzierung des Lärmaufkommens und die Ausarbeitungeines Verkehrskonzeptes an. Man sei jedenfalls gesprächsbereit – nach einer derartigen Projektabwicklung ein ironisches Eingeständnis, das reichlich spät kommt.
Die gartendenkmalpflegerischen Folgen des Bierlokalprojektes wurden in der heißen Debatte der vergangenen Wochen nur am Rande angeschnitten. Dabei liefern gerade sie, in dem Dilemma rund um widersprüchliche Geschäfts- und Anrainerinteressen, die sachlichsten Argumente gegen das Projekt. Welchen Einfluss haben Schank- und Toilettenanlagen und ein Hunderte Sitzplätze umfassender Gastgarten, direkt auf der Mittelachse der denkmalgeschützten Barockanlage liegend, auf den historischen Park? Vielleicht wüssten wir es, gäbe es ein entsprechendes Fachgutachten. Und dass dieses nicht vor der behördlichen Baugenehmigung eingefordert wurde, trifft wohl den Kern des Skandals. Wie konnte ein so fragwürdiges Projekt ohne öffentlich geführte gartendenkmalpflegerische Fachdebatte, ohne Einsprüche des Denkmalamtes und ohne Auflagen im Rahmen der Schutzzonenbeschränkungen von der Baupolizei bewilligt werden?
Die Recherchen im Zuge dieses Artikels konnten diese Frage nicht beantworten. Doch eines ist schon lang bekannt: Die österreichische Gartendenkmalpflege ist seit ihrer Eingliederung in eine Unterabteilung für Spezialmaterien ein zahnloser Tiger imBundesdenkmalamt. Österreich fehlt eine weisungsbefugte, zentralzuständige Instanz, die mächtig genug ist, Belange der Gartendenkmalpflege vor wirtschaftliche Motive zu stellen. Vielleicht erkennen politische Entscheidungsträger anhand des schmerzlichen Anlassfalles den Handlungsbedarf und machen diese folgenschwere Degradierung endlich rückgängig, um beschriebene Verfahrensfehler künftig verhindern zu können.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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