Artikel

Die Vision des Paters
Spectrum

Zum Abschluss erhielt der langjährige, lange fällige Umbau von Basilika und Geistlichem Haus in Mariazell durch Feyferlik/Fritzer einen würdigen Preis. Die Kirche erneuert damit ihren Ruf als Ermöglicherin von Baukultur.

9. Dezember 2017 - Karin Tschavgova
Bauherrenpreise würdigen ein in hoher Qualität gelungenes Bauvorhaben und seine Auftraggeber unter dem Aspekt, dass es zwischen den Beteiligten, vor allem zwischen Bauherren und Architekten, ein gutes Einvernehmen gab. Der Zeitfaktor, die Dauer des Planungs- und Bauprozesses, spielt für die Verleihung des Preises in der Regel kaum eine Rolle, und doch scheinen Zeit und Kontinuität, die man dem Werden von Bauprojekten gewährt, wesentlich zu sein für ihr Gelingen. Tatsächlich machen es Wettbewerbs- und Vergaberichtlinien für öffentliche Bauten heute fast unmöglich, große Bauvorhaben, die in zeitlicher Distanzund einzelnen Bauabschnitten erfolgen müssen, „aus einer Hand“ und damit „in einem Guss“ umsetzen zu lassen.

Einer der heurigen Bauherrenpreise wurde für die Erneuerung der Basilika Mariazell und des ihr zugeordneten Geistlichen Hauses vergeben – ein Umbau, der ein Vierteljahrhundert in Anspruch nahm. So lange Zeit mit einem Bauherrn an einem Projekt arbeiten zu können sei ein Geschenk im Arbeitsleben eines Architekten, stellten Wolfgang Feyferlik und Susanne Fritzer, die mit ihrem Grazer Büro alle Baumaßnahmen planten, fest. Nun, der Vorteil und Gewinn von gelingender kontinuierlicher Zusammenarbeit liegen, betrachtet man das jetzt abgeschlossene Gesamtwerk, auch aufseiten des Bauherrn. In Mariazell war dies der Superior Pater Karl Schauer, der, wie sich die Architekten erinnern, stets eine Vision für das Gesamtprojekt verfolgt habe.

„Im Anfang war Tatendrang“ nannte ich meinen Bericht über das Mammutvorhaben anlässlich der Fertigstellung des neu geordneten barocken Altarraums der Basilika einst im „Spectrum“ (27. Jänner 2001), dem noch weitere 17 Jahre folgen sollten. Aus der Historie des Bauens kennen wir solch lange währende Auftragsverhältnisse. Sinan, dem Hofarchitekten mehrerer Sultane, haben wir die schönsten Beispiele osmanischer Architektur zu verdanken; Le Nôtre, der Landschafts- und Gartenarchitekt im Dienste von Ludwig XIV, schuf nicht nur die berühmte Gartenanlage von Schloss Versailles, die zumgrößten Vorbild barocker Gartenbaukunst in ganz Europa wurde. Beide arbeiteten einzig für das Ansehen und Prestige ihrer Auftraggeber, reich ausgestattet mit Mitteln und Privilegien. Feyferliks/Fritzers Planungsaufgabe ist weder damit zu vergleichen noch mit der kontinuierlichen Tätigkeit von Architekten in der Bauabteilung von Kirchen im Deutschland und Österreich der kirchlichen Erneuerung der Nachkriegszeit. Sie wurden anfangs zur architektonischen Begleitung von aufwendigen Restaurierungsarbeiten in der Basilika gerufen.

Das Gesamtwerk Mariazell, hält Pater Schauer in einem Resümee anlässlich der Preisverleihung fest, „ist ein gewachsenes, immer wieder neu erdachtes, oftmals korrigiertes, von vielen Sponsoren ermöglichtes und mit Ausdauer und Zähigkeit umgesetztes Projekt“. Dies verweist auf den Ablauf und die Vorgangsweise an diesem Projekt in einem kolportierten Gesamtumfang von 34 Millionen Euro. Es setzt sich aus vielen einzelnen Bau- und Restaurierungsmaßnahmen zusammen. Geld musste aufgetrieben werden, Überlegungen zu Lösungen wurdenoft direkt am Ort getroffen, nicht nur, um auf unvorhersehbar ans Tageslicht getretene Vorgaben des historischen Gemäuers adäquat und rasch zu reagieren, sondern auch um jede Maßnahme bestmöglich in das kulturelle Erbe von Fischer von Erlach und Domenico Sciassia einzubetten.

Damit lässt sich der Architekten langjähriges Engagement am ehesten mit der kontinuierlichen Arbeit von Gion Caminada in einem kleinen, landwirtschaftlich geprägten Ort im Kanton Graubünden vergleichen. Caminada, selbst aus Vrin stammend, war dort nicht nur als Ortsplaner tätig, sondern hat auch über einen Zeitraum von Jahrzehnten viel an Bestand erhalten und behutsam erneuert, erweitert und umfunktioniert. Die Intention des Architekten und der Bewohner war nie, aus Vrin ein Gesamtkunstwerk zu machen. Es ging ganz einfach darum, die Wohnhäuser, Ställe, das Schlachthaus, das Gemeindeamt und damit das Leben im Dorf geänderten Bedingungen anzupassen – respektvoll im Umgang mit dem Vorhandenen, aber ohne Dogma und Angst vor dem Neuen.

Ähnliches lässt sich von den zahlreichen Umbauten in Mariazell sagen: Jede einzelne Baustufe wurde mit Sorgfalt und Detailgenauigkeit den Bedürfnissen angepasst, individuell geplant und ausgeführt. Gleichwohl wurde nie das große Ganze aus den Augen verloren, und so ist am Ergebnis sicher auch für Laien ein stimmiges Gesamtkonzept für die Materialwahl, die Farb- und Raumgestaltung ablesbar oder sinnlich zu erfahren. Letzteres wäre eher im Sinne der Architekten, die es nie darauf anlegen, dass ihre Eingriffe spektakulär hervorstechen, jedoch auch keine Scheu davor haben, Konventionen zu ergründen und Alternativen zu finden, die funktioneller oder kostengünstiger sind oder von ihnen einfach nur als schöner empfunden werden.

Was hier abstrakt klingt, lässt sich an vielem in der Neugestaltung der Basilika, der Turmbereiche, der Außenanlagen und dem Geistlichem Haus anschaulich zeigen. Wer Bauten dieser Architekten kennt, der weiß, dass sie gerne reduzieren, schlanker machen und aus ihrer Sicht Unnötiges weglassen. Das geschieht nie als Selbstzweck. Es soll dort den Eindruck von Leichtigkeit erzeugen, von Transparenz, Helligkeit, ästhetischer Anmutung, wo es angebracht scheint. Und an anderen Orten wiederum archaischeEinfachheit in Material und Form zeigen, wo Wirkung und Würdigung im Zusammenspiel mit dem historischen Baujuwel hervorgehoben werden sollen.

In Pater Schauer fanden die Architekten einen Partner, der diese Haltung verstehen konnte und mittrug. Ein respektvoller Umgang mit dem Kulturerbe prägt das jetzige Gesamtwerk als neue Schicht. Zugleich zeigt sich an allen Stellen des geschichtsträchtigen Ortes, dass auch an neue Eingriffe der Anspruch gestellt wurde, hochwertig, innovativ und nie gewöhnlich oder modisch zu sein. So bekam das Superiorat Mariazell, das zum Stift St. Lambrecht gehört, am Übergang ins 21. Jahrhundert für sein rundum erneuertes Baudenkmal, das der früheren Rolle der Kirche als Auftraggeberin von Außergewöhnlichem und Neuem im höchsten Maß gerecht wird, einen ebenbürtigen Preis.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: