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„Kultur Quartier“: Wie Yves Klein nach Kufstein kam
Spectrum

Urbane Kultiviertheit, unkomplizierte Lässigkeit: Nur eine Handvoll Gestaltungselemente benötigte Johannes Wiesflecker, um Kufsteins neuem Theater- und Veranstaltungszentrum Atmosphäre zu verleihen.

3. Februar 2018 - Franziska Leeb
Das Zentrum von Kufstein hat in den vergangenen Jahren einen stetigen Wandel erlebt. Diewichtige größere Operation im Herzen der Altstadt war die Generalsanierung und Neukonfiguration des Rathauses durch die Architekten Rainer Köberl, Thomas Giner und Erich Wucherer in den Jahren 2009 bis 2011. Im Zuge der Integration zweier weiterer Bestandsgebäude wurde damals der Rathauseingang vom Unteren Stadtplatz auf den Oberen Stadtplatz verlegt und in der Folge auch der öffentliche Raum der unmittelbaren Umgebung neugestaltet. Während beim Rathaus Alt und Neu eng ineinander verwoben sind und die Veränderungen nicht auf den allerersten Blick lesbar sind, ist das in unmittelbarer Nähe, zwischen Marktgasse, Oberem Stadtplatz, Hans-Reisch-Straße und Inngasse gelegene und vergangenen Herbst fertiggestellte Stadtquartier eindeutig als neu erkennbar. Es entstand auf einer rund 5000 Quadratmeter umfassenden innerstädtischen Brache – zuvor teils Parkplatz, teils mit niedriger, geschlossener Bebauung, unter anderem mit dem 1870 erbauten „Laad-Haus“, um das sich im Vorfeld eine heiße Diskussion für und wider den möglichen Abbruch entsponnen hat.

Im international besetzten Architekturwettbewerb, den die Grundstücksbesitzerin und Investorin, die ortsansässige Bodner-Gruppe, im Jahr 2011 für das Areal auslobte, wurde ein Abbruch des zwar desolaten, aber im Bewusstsein der Bevölkerung verankerten Gebäudes als nur dann denkbar erklärt, wenn ein überzeugender Vorschlag eine deutliche stadträumliche Qualitätssteigerung erwarten lässt. Die ist dem Wettbewerbssieger, Architekt Johann Obermoseraus Innsbruck, gelungen. Die neuen Gebäudeblöcke, integrieren sich, am Maßstab und den Wegeführungen des Umfelds orientiert, gut in die Umgebung. Dank abwechslungsreich bespielter Erdgeschoßzonen, Fußgängerzone mit angenehm zurückhaltendem, hellem Farbasphaltbelag und angrenzenden Shared-Space-Bereichen lässt es sich dort nicht minder fein flanieren wie in den historischen Altstadtgassen.

Bereits im Architektenwettbewerb war die Integration eines Theaters vorgesehen, später wurde auch der Wunsch nach einem stadteigenen Veranstaltungssaal laut. Im Gemeinderat beschlossen wurde der Ankauf der fassadenfertigen Hülle allerdings erst nach langen Diskussionen vier Jahre später, als der Rohbau bereits fertig war und das neue Ensemble längst als „Kultur Quartier“ vermarktet wurde.

Dass es nun diesen Namen zu Recht trägt, ist nicht nur der Tatsache geschuldet, dass sich die neue Kultur- und Veranstaltungsstätte im Herzen des Quartiers als wahres Kleinod entpuppt. Auch das Gesamtpaket funktioniert mit einem Nutzungsmix aus Geschäfts- und Büroflächen, Gastronomie und Wohnungen als kultiviertes Stück Stadt. Es wurde kein Leerstand produziert, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil es keine großen Einzelhandelsflächen am Stadtrand gibt und die Innenstadt daher ein attraktiver Standort ist.

Johannes Wiesflecker verantwortet den Innenausbau und schuf einen Ort von urbaner Kultiviertheit und zugleich unkomplizierter Lässigkeit, wie man ihn in einer Kleinstadt – noch dazu in einer so mit romantisierenden Klischees behafteten – nicht vermuten würde. „Ein kleines, feines Theater sollte es werden“, so der Architekt, „kein rotziges Kellertheater.“ Sichtbeton, dunkel gebeiztes Eichenholz, leuchtendes Blau, Metallgewebe: Schon im Foyer, das ein großzügiges Entree für den multifunktionalen Veranstaltungssaal und den Theatersaal bildet, kündigt sich jenes Material- und Farbkonzept an, das die sinnliche Atmosphäre des Ortes trägt und dafür sorgt, dass man sich unmittelbar nach Eintritt in einer anderen Welt fühlt.

Die unterschiedlichen Oberflächen akzentuieren die vorgefundene Baustruktur, definieren Bereiche und fügen sich in beinahe Rietveldscher Manier zu einer geometrischen Komposition. Dem niedrigeren Raumteil entlang sind in Längsrichtung drei unterschiedlich lange Quader angeordnet, die je nach Bedarf als Kassentheke, Rezeption oder Bar fungieren; monochrom in Blau gehalten, mit einer Fuge abgesetzt leicht über dem Holzboden schwebend. Im Gegensatz zur Holzdecke im größeren und höheren Aufenthaltsbereich wurde die Betonuntersicht der Decke mit einem rauen Putz in einem satten Ultramarin versehen. Das „International Klein Blue“, jene Farbmischung, die Yves Klein in den 1950er-Jahren auf der Suche nach dem perfekten Blau entwickelte, stand dafür Pate. Durch die Putzstruktur und die Intensität der Farbe bekommt sie nahezu textile, leicht flauschige Anmutung. Ursprünglich wollte Wiesflecker die Decke sogar mit einem Teppich belegen, es ließ sich jedoch kein brandschutztaugliches Material in der gewünschten Qualität auftreiben, und so lag es an den Malern, beste Arbeit zu leisten.

An der gegenüberliegenden Längsseite öffnet sich die Holzwand in den Veranstaltungssaal, der 450 Besucher aufnimmt und mittels mobiler Wandelemente mit dem Foyer gekoppelt werden kann. Auch in seinem Inneren zieht sich das dunkle Holz über die Stirnwand bis zur Decke. Das den Seitenwänden vorgehängte Metallgewebe kaschiert dahinterliegende haustechnische Installationen, wirkt sich akustisch günstig aus und trägt auf beiläufige Weise dazu bei, dass es dem Saal in angenehmer Weise an jener unverbindlichen Fadesse fehlt, die Multifunktionssälen, die von Firmenfeiern über Kongresse bis hin zu Kulturveranstaltungen allem gerecht werden müssen, oft anhaftet. Hier braucht man keine Dekoration, damit der Raum festlich wirkt.

Ein ebensolches „Kettenhemd“, wie der Architekt den Metallvorhang nennt – in der Festungsstadt Kufstein eine zulässige Assoziation –, kündigt an der Stirnseite des Foyers den dahinterliegenden Theatersaal an. Er ist die neue Spielstätte des Kufsteiner Stadttheaters, das 1908 als „Tiroler Volkstheater Kufstein“ gegründet wurde und zu den aktivsten und mit rund 150 Mitgliedern größten Laienensembles des Bundeslandes zählt. Die 175 Sitze in Blau gepolstert, dunkel gebeizte Eiche auf Boden und Galeriebrüstung und an den Seiten wieder der Kettenvorhang, dem die eingewebten Beleuchtungskörper ein verheißungsvolles Glitzern verleihen, das den Raum mit Theaterzauber erfüllt, noch ehe sich der Bühnenvorhang öffnet.

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