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Öffentlicher Raum für alle
Der Standard

In der Nordbahnhalle wurde diskutiert, wem die Stadt gehört

2. Juni 2018 - Marietta Adenberger
Wien – Gehsteige, Schotterplätze oder Baulücken – öffentlicher Stadtraum ist so vielfältig wie dessen potenzielle Nutzer. So wie Musikerin Clara Luzia und ihr Publikum beim Baulückenkonzert im Juni eine urbane Leerstelle in der Nordwestbahnstraße im 20. Bezirk nutzen werden oder die rund 100 Teilnehmer des regelmäßig stattfindenden Geh-Cafés auf den Wiener Gehsteigen flanieren, garteln die Anrainer des Nordbahnhofgeländes in den Hochbeeten vor der Nordbahnhalle.

Auf welche Arten kann man die Stadt in Besitz nehmen? Darüber diskutierten Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Institutionen vergangene Woche zum Thema „Wem gehört die Stadt“ in der Nordbahnhalle im zweiten Bezirk.

Anstoß zur Beteiligung

„Ich bringe Menschen an Orte, wo sie sonst nicht hinkommen würden“, erklärte Konzept- und Medienkünstler Oliver Hangl, der niederschwellige Kunstprojekte im (halb-)öffentlichen Raum inszeniert. Bei seinen Baulückenkonzerten etwa, die an ungenutzten urbanen Orten wie der stillgelegten Gleislandschaft neben der Nordbahnhalle oder ähnlichen Plätzen stattfinden, will er den Fokus auf deren Geschichte und Zukunft und damit auf städtebauliche und gesellschaftliche Fragen lenken. Zur Verfügung stellen ihm den Raum etwa die Stadt oder die ÖBB.

Dass eine lebendige Stadt auch Konfliktpotenzial birgt, hat Petra Jens, Fußgängerbeauftragte der Mobilitätsagentur Wien und frühere Hundekot-Aktivistin, erfahren. Sie erläutert den klassischen urbanen Konflikt im öffentlichen Raum anhand des Beispiels Sitzbank: „Einerseits ist es eine notwendige, erwünschte Sitzgelegenheit für Passanten, andererseits herrscht die Angst, dass sich am Abend hier laute Jugendliche treffen.“

Sie ist davon überzeugt, dass sich die Mühsal lohnt, solche Konflikte auszuverhandeln, denn nur in sogenannten Gated Communities hätte man seine absolute Ruhe – bloß nehmen die Abgeschotteten dann auch keine anderen Menschen mehr wahr. Welche Impulse motivieren können, öffentlichen Raum zu erobern, wollte Ökologe und Landschaftsplaner Florian Lorenz wissen, der die Veranstaltung moderierte.

Architektur- und Stadtforscher Robert Temel sah die österreichische Zivilbevölkerung beim Sich-Einbringen in den öffentlichen Raum ein wenig in der Holschuld: „Die Hamburger sind da ganz anders“, meinte er und verwies auf das Kollektiv Planbude, dem es gemeinsam mit Beteiligung der Bürger gelungen sei, die Planung des Palomaviertels in St. Pauli stark mitzubeeinflussen – mit Druck auf Stadt und Investor. Experimentierfreudigen rät er, ähnlich wie bei den Permanent Breakfasts – Frühstücken an (schein-)öffentlichen Plätzen –, einfach die Nutzung von Raum auszuprobieren, im Zweifelsfall nicht allzu wertvolle Möbel zu verwenden und die Aktion als Kundgebung anzumelden.

In der Schaffung eines Initiativenfonds sah Sabine Gretner, verantwortlich für die Gemeinwesenarbeit der Caritas, eine mögliche Motivation: „Das könnte ein finanzieller Startbonus für die ersten drei Jahre als Anreiz für die Einreichung nachbarschaftlicher Initiativen in Stadtentwicklungsgebieten sein.“ Anders sah das Fußgängerinnenbeauftragte Jens, die sich für Engagierte mehr Beratung im Verwaltungsdschungel wünscht.

Ausstellung über Hochhauspläne

Die Bebauung des Nordbahnhofareals geht unterdessen in die nächste Phase. Drei Hochhauswettbewerbe wurden kürzlich abgeschlossen, die Auslober waren Strabag Real Estate, ÖVW und EGW Heimstätte. Letztere wollen Wohntürme für „preiswertes Wohnen“ realisieren.

Interessierte können sich in einer Ausstellung in der Nordbahnhalle ab 30. Mai über die Siegerprojekte informieren und ihre Meinung zu den Projekten einbringen. Bis 2025 sollen die Wohntürme fertiggestellt sein.

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