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Teures Wohnen in alten Häfen
Der Standard

Die Öresundbrücke verbindet die beiden Städte Malmö und Kopenhagen – zwei Metropolen, die stark wachsen und neue Stadtteile am Meer bauen. Leistbares Wohnen ist aber dies- und jenseits des Öresunds Mangelware.

20. Oktober 2018 - Franziska Zoidl
D ass Kopenhagen jahrzehntelang an Bevölkerungsschwund litt, kann man sich heute kaum noch vorstellen. An fast jeder Straßenecke steht ein Baugerüst oder ein Kran. 10.000 Menschen ziehen im Jahr her. Um Platz zu schaffen, werden neue Stadtquartiere gebaut.

Im früheren Industrieareal Nordhavn direkt am Wasser soll ein Referenzprojekt in puncto Nachhaltigkeit entstehen. Denn Kopenhagen hat ambitionierte Ziele. Bis 2025 will die Stadt CO2-neutral sein. Passend, dass der neue Stadtteil Ausblick auf das neue Müllheizkraftwerk bietet, in dem Fernwärme für 160.000 Haushalte erzeugt wird – und der CO2-Ausstoß um 100.000 Tonnen pro Jahr verringert wird. Nettes Extra: Auf dem Dach der Anlage, die von den dänischen Architekten der Bjarke Ingels Group entworfen wurde, befindet sich eine eineinhalb Kilometer lange Skipiste.

Spektakulär wird auch im Stadtteil Nordhavn selbst gebaut. „Design und Architektur sind bei uns nicht nur nice to have, sondern need to have“, sagt der Architekturguide Bo Christiansen.

In Nordhavn steht tatsächlich eine Landmark neben der anderen: ein früherer Silo zum Beispiel, der von den COBE-Architekten in ein 17-stöckiges Wohnhaus mit spektakulärer silbrig glänzender Fassade aus galvanisiertem Stahl verwandelt wurde. Das 380 m² große Penthouse war 2015 um vier Millionen Euro auf dem Markt – es war der höchste Angebotspreis der Stadtgeschichte.

Hier setzt eine häufig geäußerte Kritik an: Entstanden sei ein Viertel nur für Reiche, meinen viele. Seit 2010 sind die Immobilienpreise in Kopenhagen um 45 Prozent gestiegen. Und Nordhavn ist eine der teuersten Gegenden der Stadt. Zudem seien die Wohnungen, die gebaut werden, zu groß, kritisieren Wohnungssuchende.

Auch Hans Skifter Andersen, Experte für sozialen Wohnbau an der Kopenhagener Aalbourg University, meint, dass es für Immobilienentwickler schwierig wird, jene großen und teuren Wohnungen, die gerade vielerorts gebaut werden, zu verkaufen.

Denn gebraucht würden heute günstige und kompakte Wohnungen. „Die Menschen wollen sich ihre Wohnungen nicht mit anderen teilen“, sagt Andersen. Vielen bliebe angesichts der hohen Immobilienpreise aber keine andere Möglichkeit.

Darauf hat die Stadt reagiert: 25 Prozent der neu errichteten Wohnungen sollen Sozialwohnungen sein, so eine neue Vorgabe der Politik. Wie sich das auf die Immobilienpreise auswirkt, bleibt abzuwarten. Denn in Gegenden wie Nordhavn seien die hohen Grundstückskosten das Hauptproblem, sagt Andersen. Auch Non-Profit-Organisationen müssen diese Grundstücke zum Marktpreis kaufen. „Das macht es schwierig, für Menschen mit wenig Einkommen zu bauen.“

Auch bei Sozialwohnungen ist die Miete von Errichtungs- und Grundstückskosten abhängig. Die Sozialwohnungen in Nordhavn seien daher eher ein Produkt für die Mittelklasse, glaubt Andersen. Ärmere Bevölkerungsschichten würden nicht in den neuen Stadtvierteln, sondern in älteren Gegenden der Stadt wohnen.

Seit kurzem wird aber immerhin an einem ersten Projekt mit geförderten Mietwohnungen in Nordhavn gebaut. Das Grundstück war etwas günstiger, erklärt Architekturguide Christiansen, weil der Blick auf das Wasser längst durch andere Häuser verstellt ist. 98 geförderte Wohnungen, neun Starterwohnungen, 25 barrierefreie Wohnungen, ein Kindergarten und Restaurants baut der Bauträger Domea. Die Mauern stehen bereits.

Die hohen Grundstückspreise machen es dem sozialen Wohnbau in Kopenhagen auch andernorts schwer. Resultat sind Kooperationen zwischen gewerblichen Bauträgern und Non-Profit-Organisationen: Wohnungen im Erdgeschoß werden mancherorts zu Sozialwohnungen. Die Wartezeit auf leistbare Wohnungen in Kopenhagen liege derzeit bei 50 Jahren, heißt es vonseiten des dänischen Wohnungsverbands „BL – Danmarks Almene Boliger“. Nachsatz: „In den Vororten könnten Sie schon morgen einziehen.“

Jenseits der Brücke

Eine einstündige Autofahrt entfernt liegt die südschwedische Stadt Malmö, die seit 2000 mit Kopenhagen über die Öresundbrücke verbunden ist. Auch Malmö kämpfte einst mit Bevölkerungsschwund und Beinahepleite. Heute leben hier Menschen aus 125 Nationalitäten. Je nachdem, wen man fragt, wird entweder von Bandenkriegen berichtet oder von einem guten Miteinander, in dem sich jeder sicher fühlen kann.

Auch in Malmö wird in einem früheren Industriegebiet ein neuer Stadtteil entwickelt. Einst befand sich hier die größte Schiffswerft der Welt, nach der Ölkrise in den 1970er-Jahren ging es wirtschaftlich bergab. Seit 2001 wird mit dem Western Harbour ein neues Wohnviertel entwickelt. Derzeit gibt es 4500 Wohnungen, bis 2030 sollen es 11.000 sein.

Inspiration sei eine mittelalterliche Stadt gewesen, erzählt Anne Rossell vom städtischen Wohnungsunternehmen MKB. Die Straßen wurden eng und viele Plätze geplant, an denen sich Menschen treffen können. Entlang der Küste schlängelt sich eine Promenade, die im Sommer zum Sonnenbaden und Tangotanzen genutzt wird.

Schnell ist klar: Im Unterschied zu Nordhavn in Kopenhagen ist im Western Harbour Leben eingezogen. Hier ist ein bunter Mix aus Wohnungen und Reihenhäusern entstanden. Über all dem ragt der 190 Meter hohe Turning Torso, das höchste Gebäude Skandinaviens. Aber auch hier fehlt Leistbares. Die Durchschnittsmiete schätzt Rossell auf 15 Euro pro Quadratmeter. Selbst Projekte der Stadt sind nicht günstiger.

„Der Aufschwung, den diese beiden Städte gemacht haben, ist beachtlich“, fasste Markus Sturm, Obmann des Vereins für Wohnbauförderung, am Ende einer vom Verein organisierten Studienreise zusammen. Schade findet er, dass in neuen Stadtgebieten Kopenhagens sozialer Wohnbau nur in B-Lagen möglich ist. „Da muss man sozialpolitisch fragen, ob man das will.“ Manches könne man sich von den Dänen aber auch abschauen: den ganzheitlichen Ansatz bei der Stadtentwicklung zum Beispiel, bei der nicht nur jedes Grundstück für sich, sondern als Teil eines großen Ganzen gesehen wird. „In Österreich werden oft nur Siedlungen entwickelt.“

Die Reise erfolgte auf Einladung des Vereins für Wohnbauförderung.

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