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Copa Cagrana: Was nicht im Stadtplan steht
Auf dem Wiener Stadtstrand bei der Reichsbrücke – bekannt als Copa Cagrana, neuerdings CopaBeach – herrscht vordergründig Winterruhe. Im Hintergrund werden die nächsten Entwicklungsschritte in Angriff genommen. Ein Lokalaugenschein.
1. Dezember 2018 - Franziska Leeb
Während in den 2000er-Jahren der Hochhauswald der Donau City im Hinterland dichter wurde, begann es an der Uferzone zu kriseln. Der Generalpächter des Areals und die Stadt stritten vor Gericht, gleichzeitig verkam die Strandgastronomie zusehends zum Barackendorf, dessen informellem Flair man neben der blutleeren Donau City zugegebenermaßen durchaus Charme zugestehen konnte. Ein Zustand, der einer Weltstadt gut zu Gesicht stünde, war es beileibe nicht.
Um dem vorweihnachtlichen Gedränge der von Adventmärkten und Punschständen verhüttelten Stadt zu entkommen, bietet sich zum Luftschnappen als Fluchtdestination mit U-Bahn-Anschluss ein Lokalaugenschein an. Dort, wo zur warmen Jahreszeit das Großstadtvolk in Massen Erholung sucht, ist man jetzt fast allein auf weiter Flur. Eine gute Gelegenheit, jenen Inselabschnitt am linken Ufer der neuen Donau nördlich der Reichsbrücke in Augenschein zu nehmen, der sich seit den vergangenen vier Sommern im Umbruch befindet. „Copa Cagrana“ wurde das 1980 eröffnete Freizeitgelände getauft, um in Anlehnung an den berühmtesten Strand Rio de Janeiros das Urlaubsfeeling im transdanubischen Stadtbezirk Kagran auch namentlich zu manifestieren. Dass Copacabana der Name eines Stadtteils und nicht bloß des Strandes, der Praia de Copacabana, ist, so genau hat man es in Wien nicht genommen. Obwohl sie jeder kennt, ist die Wiener „Copa“ im Gegensatz zum brasilianischen Inspirator in keinem Stadtplan eingezeichnet. (Dass „Ponte Cagrana“ für die zu den Uferlokalen der „Sunken City“ am rechten Ufer führende Schwimmbrücke sehr wohl eine offizielle Bezeichnung ist, sei hiermit erstaunt festgehalten.)
Heute finden sich von der ursprünglichen, 1980 eröffneten Copa Cagrana bloß noch archäologische Spuren, wie ein paar Reste Bodenplatten einstiger Lokale oder Farbspuren auf dem Asphalt. Beim Radverleih trägt ein in die Jahre gekommener Fahrradständer noch das Logo jenes Sportgeschäfts, das in den 1980ern das größte in Wien war. Keine der Kletterwände neueren Datums vermag ästhetisch an den dort integrierten Kletterturm aus von James G. Skone entworfenen Betonelementen, einem Pionierwerk des urbanen Alpinismus, heranreichen. Alles weg, auch der Name – „CopaBeach“ heißt die Copa Cagrana mittlerweile. Steht zum Glück auch nicht im Stadtplan.
Ein Logo, das an Orangenlimo aus den 1970er-Jahren erinnert, gibt es schon, und in der U-Bahnstation empfängt eine Plakatserie in buntem Bilderbuchstil: „Willkommen am CopaBeach – Essen und Trinken – Feine Gastro“. Im Vordergrund Wassergetier, Flaschenpost, ein Cocktailglas; im Hintergrund stilisierte Hochhäuser. Soll der Uferabschnitt zum Schanigarten der Donau City werden oder auch in Zukunft ein vielfältiges Angebot für die Bevölkerung bereitstellen? Vor drei Jahren hat das Innsbrucker Architektenteam LAAC den von der WGM – Wiener Gewässermanagement GmbH ausgelobten Realisierungswettbewerb gewonnen, dem das Ziel zugrunde lag, ein Konzept zu entwickeln, das eine „ganzjährige Nutzung erlaubt und dem Bereich mit hochwertiger urbaner Gestaltung von Bauwerken und Freiraum eine neue Identität verleiht“.
Schon davor waren im Sommer 2015 bei Stromkilometer 12,5 bauliche Fakten geschaffen worden. Als Folge eines bereits 2011 ausgelobten Gutachterverfahrens ließ die WGM nach Plänen des Architekturbüros Gerner Gerner Plus ein zweigeschoßiges Gastronomiegebäude errichten, das vom Betreiber auf „griechisch“ getrimmt wurde. „Korinthische“ Säulen und Frauenstatuetten – und derzeit saisonal passend Weihnachtsbeleuchtung in Blitzblau – dekorieren unbeholfen, aber einprägsam das Entree. Des Winters dient der überdeckte Sockelbereich, wie sich durch die behelfsmäßig mit Planen verklebten Glasscheiben erkennen lässt, als Abstellraum für alles, was man erst, wenn es warm wird, wieder braucht. Das Ufer davor gestaltete die Landschaftsarchitektin Carla Lo mit einer riesigen Sandkiste und Liegeflächen als einen temporären Stadtstrand, dessen Zukunft von der weiteren Realisierung des Masterplans von LAAC abhängt.
Dieser liegt einerseits schon vor, ist allerdings weder in all seinen Details öffentlich, noch gibt es dazu ein eindeutiges politisches Commitment. Andererseits ist er bereits zu einem Teil – zwischen Reichsbrücke und Griechen – umgesetzt. Die LAAC Architekten verfolgen auf neu moduliertem Gelände die Idee einer „Dockingstation urbaner Diversität“, an die alle gesellschaftlichen Schichten und viele Interessengruppen Anschluss finden. Einzelne bauliche Akzente sind vorgesehen, weiters eine Plaza, die sich um das schon bestehende Restaurant erstreckt; am Übergang zur Donau City eine sparsame Bebauung mit öffentlichen Einrichtungen.
Wie sie die Flächen strukturieren und divers Nutzungen verorten, lässt sich am bereits umgesetzten Teilbereich gut nachvollziehen. Interventionen aus hellem Beton definieren Zonen für diverse Aktivitäten. Ebene Flächen mit Stromanschluss, die sich als Buchten in die Wiese fressen, gestatten entlang des Weges das Aufstellen diverser Kioske, die nicht zwangsläufig gastronomische Angebote bereithalten müssen. Wie Höhenlinien in das Gelände gelegte Ketten unterschiedlich großer Sitzflächen und dahinter Sitzstufen, die in eine geschwungene, geneigte Fläche übergehen, bilden das Rückgrat für die Badezone am Ufer. Die neuen Bäume müssen noch ordentlich wachsen, bis sie Schatten spenden. Doch selbst im verwaisten Zustand hat diese Neugestaltung Qualität und lässt Zuversicht keimen, dass hier aus ästhetischer Sicht Besseres entstehen kann, als der neue Name suggeriert. Vielleicht findet sich auch noch ein Ersatz für die blauen Mistkübel mit zigarettenstummelförmigen Aschenbecheraufsätzen, die alle paar Meter das neue harmonische Bild der gestalteten Landschaft empfindlich stören. Müll und Tschick lassen sich eleganter entsorgen, man blicke zum Beispiel nach Paris.
Im Jänner, so erfährt man beim Wiener Gewässermanagement, startet der zweite Bauabschnitt. Konkretes ist noch nicht herauszufinden, weder zu den geplanten Bauten noch darüber, ob es dafür weitere Architekturwettbewerbe geben wird. Wie sehr sich hier Vielfalt und ein für breite Bevölkerungsschichten attraktiver Freizeitraum ohne Konsumzwang entwickeln kann, hängt aber nur bedingt von seiner Gestaltung ab. Vieles wird der rechtliche Rahmen definieren. Mit einem Generalpächter für unbegrenzte Zeit, dessen Rechte und Pflichten nicht eindeutig geklärt sind, hat die Stadt bereits Erfahrungen gemacht. Für die vergangene Saison gab es mit dem Immobilienentwickler und Gastronomen Martin Lenikus temporär einen neuen Generalpächter, der Flächen an andere Betriebe weitervermietete; die Neuausschreibung soll demnächst folgen. Was die Planungskultur angeht, möge man sich Jahrzehnte zurück an die Entstehung des Erfolgsmodells Donauinsel erinnern und Transparenz und Bürgersinn walten lassen.
Um dem vorweihnachtlichen Gedränge der von Adventmärkten und Punschständen verhüttelten Stadt zu entkommen, bietet sich zum Luftschnappen als Fluchtdestination mit U-Bahn-Anschluss ein Lokalaugenschein an. Dort, wo zur warmen Jahreszeit das Großstadtvolk in Massen Erholung sucht, ist man jetzt fast allein auf weiter Flur. Eine gute Gelegenheit, jenen Inselabschnitt am linken Ufer der neuen Donau nördlich der Reichsbrücke in Augenschein zu nehmen, der sich seit den vergangenen vier Sommern im Umbruch befindet. „Copa Cagrana“ wurde das 1980 eröffnete Freizeitgelände getauft, um in Anlehnung an den berühmtesten Strand Rio de Janeiros das Urlaubsfeeling im transdanubischen Stadtbezirk Kagran auch namentlich zu manifestieren. Dass Copacabana der Name eines Stadtteils und nicht bloß des Strandes, der Praia de Copacabana, ist, so genau hat man es in Wien nicht genommen. Obwohl sie jeder kennt, ist die Wiener „Copa“ im Gegensatz zum brasilianischen Inspirator in keinem Stadtplan eingezeichnet. (Dass „Ponte Cagrana“ für die zu den Uferlokalen der „Sunken City“ am rechten Ufer führende Schwimmbrücke sehr wohl eine offizielle Bezeichnung ist, sei hiermit erstaunt festgehalten.)
Heute finden sich von der ursprünglichen, 1980 eröffneten Copa Cagrana bloß noch archäologische Spuren, wie ein paar Reste Bodenplatten einstiger Lokale oder Farbspuren auf dem Asphalt. Beim Radverleih trägt ein in die Jahre gekommener Fahrradständer noch das Logo jenes Sportgeschäfts, das in den 1980ern das größte in Wien war. Keine der Kletterwände neueren Datums vermag ästhetisch an den dort integrierten Kletterturm aus von James G. Skone entworfenen Betonelementen, einem Pionierwerk des urbanen Alpinismus, heranreichen. Alles weg, auch der Name – „CopaBeach“ heißt die Copa Cagrana mittlerweile. Steht zum Glück auch nicht im Stadtplan.
Ein Logo, das an Orangenlimo aus den 1970er-Jahren erinnert, gibt es schon, und in der U-Bahnstation empfängt eine Plakatserie in buntem Bilderbuchstil: „Willkommen am CopaBeach – Essen und Trinken – Feine Gastro“. Im Vordergrund Wassergetier, Flaschenpost, ein Cocktailglas; im Hintergrund stilisierte Hochhäuser. Soll der Uferabschnitt zum Schanigarten der Donau City werden oder auch in Zukunft ein vielfältiges Angebot für die Bevölkerung bereitstellen? Vor drei Jahren hat das Innsbrucker Architektenteam LAAC den von der WGM – Wiener Gewässermanagement GmbH ausgelobten Realisierungswettbewerb gewonnen, dem das Ziel zugrunde lag, ein Konzept zu entwickeln, das eine „ganzjährige Nutzung erlaubt und dem Bereich mit hochwertiger urbaner Gestaltung von Bauwerken und Freiraum eine neue Identität verleiht“.
Schon davor waren im Sommer 2015 bei Stromkilometer 12,5 bauliche Fakten geschaffen worden. Als Folge eines bereits 2011 ausgelobten Gutachterverfahrens ließ die WGM nach Plänen des Architekturbüros Gerner Gerner Plus ein zweigeschoßiges Gastronomiegebäude errichten, das vom Betreiber auf „griechisch“ getrimmt wurde. „Korinthische“ Säulen und Frauenstatuetten – und derzeit saisonal passend Weihnachtsbeleuchtung in Blitzblau – dekorieren unbeholfen, aber einprägsam das Entree. Des Winters dient der überdeckte Sockelbereich, wie sich durch die behelfsmäßig mit Planen verklebten Glasscheiben erkennen lässt, als Abstellraum für alles, was man erst, wenn es warm wird, wieder braucht. Das Ufer davor gestaltete die Landschaftsarchitektin Carla Lo mit einer riesigen Sandkiste und Liegeflächen als einen temporären Stadtstrand, dessen Zukunft von der weiteren Realisierung des Masterplans von LAAC abhängt.
Dieser liegt einerseits schon vor, ist allerdings weder in all seinen Details öffentlich, noch gibt es dazu ein eindeutiges politisches Commitment. Andererseits ist er bereits zu einem Teil – zwischen Reichsbrücke und Griechen – umgesetzt. Die LAAC Architekten verfolgen auf neu moduliertem Gelände die Idee einer „Dockingstation urbaner Diversität“, an die alle gesellschaftlichen Schichten und viele Interessengruppen Anschluss finden. Einzelne bauliche Akzente sind vorgesehen, weiters eine Plaza, die sich um das schon bestehende Restaurant erstreckt; am Übergang zur Donau City eine sparsame Bebauung mit öffentlichen Einrichtungen.
Wie sie die Flächen strukturieren und divers Nutzungen verorten, lässt sich am bereits umgesetzten Teilbereich gut nachvollziehen. Interventionen aus hellem Beton definieren Zonen für diverse Aktivitäten. Ebene Flächen mit Stromanschluss, die sich als Buchten in die Wiese fressen, gestatten entlang des Weges das Aufstellen diverser Kioske, die nicht zwangsläufig gastronomische Angebote bereithalten müssen. Wie Höhenlinien in das Gelände gelegte Ketten unterschiedlich großer Sitzflächen und dahinter Sitzstufen, die in eine geschwungene, geneigte Fläche übergehen, bilden das Rückgrat für die Badezone am Ufer. Die neuen Bäume müssen noch ordentlich wachsen, bis sie Schatten spenden. Doch selbst im verwaisten Zustand hat diese Neugestaltung Qualität und lässt Zuversicht keimen, dass hier aus ästhetischer Sicht Besseres entstehen kann, als der neue Name suggeriert. Vielleicht findet sich auch noch ein Ersatz für die blauen Mistkübel mit zigarettenstummelförmigen Aschenbecheraufsätzen, die alle paar Meter das neue harmonische Bild der gestalteten Landschaft empfindlich stören. Müll und Tschick lassen sich eleganter entsorgen, man blicke zum Beispiel nach Paris.
Im Jänner, so erfährt man beim Wiener Gewässermanagement, startet der zweite Bauabschnitt. Konkretes ist noch nicht herauszufinden, weder zu den geplanten Bauten noch darüber, ob es dafür weitere Architekturwettbewerbe geben wird. Wie sehr sich hier Vielfalt und ein für breite Bevölkerungsschichten attraktiver Freizeitraum ohne Konsumzwang entwickeln kann, hängt aber nur bedingt von seiner Gestaltung ab. Vieles wird der rechtliche Rahmen definieren. Mit einem Generalpächter für unbegrenzte Zeit, dessen Rechte und Pflichten nicht eindeutig geklärt sind, hat die Stadt bereits Erfahrungen gemacht. Für die vergangene Saison gab es mit dem Immobilienentwickler und Gastronomen Martin Lenikus temporär einen neuen Generalpächter, der Flächen an andere Betriebe weitervermietete; die Neuausschreibung soll demnächst folgen. Was die Planungskultur angeht, möge man sich Jahrzehnte zurück an die Entstehung des Erfolgsmodells Donauinsel erinnern und Transparenz und Bürgersinn walten lassen.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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