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Wenn die letzten Wiesen weichen
Täglich werden österreichweit Flächen in der Größe von 16 Fußballfeldern verbaut – und das auch noch an den falschen Orten. Höchste Zeit für ein Umdenken, meint der Raumplaner Gernot Stöglehner.
28. Juni 2019 - Stephanie Drlik
Weltweit verliert die Menschheit jährlich mehrere Millionen Hektar an fruchtbarem Boden. Österreich, das Land das so stolz auf seine schöne, gesunde Landschaft und die verträgliche Landwirtschaft ist, trägt im Schnitt der vergangenen drei Jahre jeden Tag rund zwölf Hektar an neu genutzter Fläche für Bauland und Infrastruktur bei. Das entspricht 16 Fußballfeldern – täglich. Dabei hatte sich die damalige österreichische Bundesregierung bereits 2002 das Ziel gesetzt, den täglichen Flächenverbrauch auf 2,5 Hektar zu reduzieren. Ein Ziel, zu dem sich auch die letzte Regierung bekannt, die jedoch keine wahrnehmbaren Maßnahmen zur Erreichung beigetragen hat. Gernot Stöglehner, Professor am Institut für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung an der Universität für Bodenkultur Wien, kennt viele sinnvolle Planungsinstrumente zur Steuerung – doch Raumplanung allein kann ohne politischen und gesellschaftlichen Wertewandel keine Trendwende herbeiführen.
Herr Stöglehner, Experten warnen schon lange, dass der hohe Flächenverbrauch in Österreich schwerwiegende Folgen haben wird. Warum ist gerade in einem kleinen Land wie Österreich, mit enden wollenden Bodenressourcen, der Flächenverbrauch so hoch?
In Österreich wird tatsächlich überdurchschnittlich viel Fläche für Bauland und Infrastruktur in Anspruch genommen. Problematisch ist dabei nicht nur der Flächenverbrauch, sondern auch, dass die Flächen an falschen Orten verbraucht werden. Wir planen Städte und Siedlungen immer noch so, dass weite Wege und Distanzen zwischen den verschiedenen Nutzungen mit dem Auto zurückgelegt werden müssen. Dadurch ist in Österreich die durchschnittliche Straßenlänge pro Kopf extrem hoch. Diese Situation wirkt sich nicht nur negativ auf die Lebensqualität aus, sie führt auch zu massiven Verkehrs- und Treibhausgasbelastungen und zu dem angesprochenen hohen Flächenverbrauch. Zusammen treibt das die Klimakatastrophe und den zunehmenden Biodiversitätsverlust voran.
Ich sehe eine der grundlegenden Lösungen der Treibhausproblematik in der Entwicklung kompakter, funktionsgemischter und energieeffizienter Raum- und Siedlungsstrukturen. Doch die Situation in Österreich stellt sich heute anders dar: Statt kompakter Innenentwicklung, die CO2 produzierenden Autoverkehr vermeidet und nachhaltige, gesunde Lebensstile fördert, werden immer noch neu ausgewiesene Bauflächen an Randzonen bevorzugt und daher politisch gefördert. Das ist zu kurz gedacht, nicht nur was den Klima- oder Artenschutz betrifft. Umweltschäden führen langfristig auch zu einem Verlust der wirtschaftlichen Wertschöpfung, etwa im Bereich der Landwirtschaft. Schließlich geht die Flächeninanspruchnahme für peripheren Wohnbau, Gewerbe, Industrie und für Einkaufszentren oftmals auf Kosten hochwertiger, landwirtschaftlich genutzter Flächen.
Wir diskutieren die Probleme der Zersiedelung bereits seit Jahrzehnten, und trotzdem ist Österreich heute Europameister im Flächenverbrauch. Fehlen der Planung die richtigen Steuerungsinstrumente, oder ist die Politik schuld, dass sich nichts ändert?
Die Schuldfrage lässt sich so nicht beantworten. Raumentwicklung ist ein dynamisches System, auf das Planer, Entscheidungsträger, Grundeigentümer, die Öffentlichkeit und verschiedene andere Stakeholder einwirken. In diesem System hat die Planung die Verpflichtung, Entwicklungen aufzuzeigen und Wege und Instrumente vorzuschlagen. Die Politik muss auf Basis dieser Grundlagen Entscheidungen treffen. Derzeit führt diese Interessensabstimmung zu einem hohen Flächenverbrauch. Doch eine flächeneffiziente räumliche Entwicklung ist genauso möglich, Planungsinstrumente gibt es ausreichend. Einzig die Verfügbarmachung von ungenutztem Bauland und Leerständen ist ein Problem – hier brauchen wir neue Herangehensweisen.
Die Planung bereitet also nur Optionen vor. Wie ressourcenschonend sich Österreich entwickelt, scheint vom Wertekonzept einzelner Politikerinnen und Politiker abzuhängen.
Da Raumordnung und Bodenschutz in der Kompetenz der Bundesländer liegen, gibt es unterschiedliche Entwicklungsqualitäten. Hinter zukunftsweisenden Raumentwicklungen stehen Politiker, die ihre Gemeinden, Städte oder ihr Bundesland auf einen nachhaltigen Kurs bringen wollen. Dafür muss man in eine professionelle Planungsleistung und Umsetzungsbegleitung investieren, die sich rasch amortisieren.
Die Steuerreform der letzten Regierung zeigt, dass ökologische Werte derzeit nicht gerade hoch im Kurs stehen. Ein Problem, wenn es doch gerade den politischen Willen braucht, um den Flächenverbrauch zu stoppen.
Wir sind eine wachsende Gesellschaft. Stelltsich dem Wachstum etwas in den Weg, wird das Hindernis oft wegentschieden. Doch wir stehen derzeit vor einigen ganz großen gesellschaftlichen Herausforderungen: Klimakatastrophe, Digitalisierung, Verlust an Biodiversität. In unseren Lebensräumen bilden sich noch keine Lösungsansätze dafür ab, und das muss sich ändern. Denn die Ausbeutung der Ressource Boden und die Schädigung unserer Umwelt zugunsten von kurzfristigem Siedlungs- und Wirtschaftswachstum ist keine nachhaltige Strategie. Dahingehend braucht es politisches, aber auch gesellschaftliches Umdenken.
Gesellschaftliches Umdenken?
Wir haben mit 1,7 Quadratmetern pro Kopf Höchstwerte in Europa bei den Verkaufsflächen. Die Straßenlänge ist mit 16 Metern pro Kopf fast doppelt so hoch wie in der Schweiz. Knapp 20 Prozent des Dauersiedlungsraums werden bereits für Bauland und Infrastruktur in Anspruch genommen. Österreichs Naturraum weist klare Grenzen des Wachstums auf, innerhalb derer das frei stehende Einfamilienhaus, das Einkaufszentrum, der Gewerbebetrieb zu viel Fläche verbraucht. Das wird sich so künftig nicht mehr ausgehen. Es gibt Alternativen, etwa in der Innenentwicklung oder in der Nachnutzung von Leerständen, doch das muss auch gesellschaftlich akzeptiert und durch rechtliche und finanzielle Anreize gestützt werden. Schließlich sind am Ende wir alle die Leidtragenden räumlicher Fehlentwicklungen.
Herr Stöglehner, Experten warnen schon lange, dass der hohe Flächenverbrauch in Österreich schwerwiegende Folgen haben wird. Warum ist gerade in einem kleinen Land wie Österreich, mit enden wollenden Bodenressourcen, der Flächenverbrauch so hoch?
In Österreich wird tatsächlich überdurchschnittlich viel Fläche für Bauland und Infrastruktur in Anspruch genommen. Problematisch ist dabei nicht nur der Flächenverbrauch, sondern auch, dass die Flächen an falschen Orten verbraucht werden. Wir planen Städte und Siedlungen immer noch so, dass weite Wege und Distanzen zwischen den verschiedenen Nutzungen mit dem Auto zurückgelegt werden müssen. Dadurch ist in Österreich die durchschnittliche Straßenlänge pro Kopf extrem hoch. Diese Situation wirkt sich nicht nur negativ auf die Lebensqualität aus, sie führt auch zu massiven Verkehrs- und Treibhausgasbelastungen und zu dem angesprochenen hohen Flächenverbrauch. Zusammen treibt das die Klimakatastrophe und den zunehmenden Biodiversitätsverlust voran.
Ich sehe eine der grundlegenden Lösungen der Treibhausproblematik in der Entwicklung kompakter, funktionsgemischter und energieeffizienter Raum- und Siedlungsstrukturen. Doch die Situation in Österreich stellt sich heute anders dar: Statt kompakter Innenentwicklung, die CO2 produzierenden Autoverkehr vermeidet und nachhaltige, gesunde Lebensstile fördert, werden immer noch neu ausgewiesene Bauflächen an Randzonen bevorzugt und daher politisch gefördert. Das ist zu kurz gedacht, nicht nur was den Klima- oder Artenschutz betrifft. Umweltschäden führen langfristig auch zu einem Verlust der wirtschaftlichen Wertschöpfung, etwa im Bereich der Landwirtschaft. Schließlich geht die Flächeninanspruchnahme für peripheren Wohnbau, Gewerbe, Industrie und für Einkaufszentren oftmals auf Kosten hochwertiger, landwirtschaftlich genutzter Flächen.
Wir diskutieren die Probleme der Zersiedelung bereits seit Jahrzehnten, und trotzdem ist Österreich heute Europameister im Flächenverbrauch. Fehlen der Planung die richtigen Steuerungsinstrumente, oder ist die Politik schuld, dass sich nichts ändert?
Die Schuldfrage lässt sich so nicht beantworten. Raumentwicklung ist ein dynamisches System, auf das Planer, Entscheidungsträger, Grundeigentümer, die Öffentlichkeit und verschiedene andere Stakeholder einwirken. In diesem System hat die Planung die Verpflichtung, Entwicklungen aufzuzeigen und Wege und Instrumente vorzuschlagen. Die Politik muss auf Basis dieser Grundlagen Entscheidungen treffen. Derzeit führt diese Interessensabstimmung zu einem hohen Flächenverbrauch. Doch eine flächeneffiziente räumliche Entwicklung ist genauso möglich, Planungsinstrumente gibt es ausreichend. Einzig die Verfügbarmachung von ungenutztem Bauland und Leerständen ist ein Problem – hier brauchen wir neue Herangehensweisen.
Die Planung bereitet also nur Optionen vor. Wie ressourcenschonend sich Österreich entwickelt, scheint vom Wertekonzept einzelner Politikerinnen und Politiker abzuhängen.
Da Raumordnung und Bodenschutz in der Kompetenz der Bundesländer liegen, gibt es unterschiedliche Entwicklungsqualitäten. Hinter zukunftsweisenden Raumentwicklungen stehen Politiker, die ihre Gemeinden, Städte oder ihr Bundesland auf einen nachhaltigen Kurs bringen wollen. Dafür muss man in eine professionelle Planungsleistung und Umsetzungsbegleitung investieren, die sich rasch amortisieren.
Die Steuerreform der letzten Regierung zeigt, dass ökologische Werte derzeit nicht gerade hoch im Kurs stehen. Ein Problem, wenn es doch gerade den politischen Willen braucht, um den Flächenverbrauch zu stoppen.
Wir sind eine wachsende Gesellschaft. Stelltsich dem Wachstum etwas in den Weg, wird das Hindernis oft wegentschieden. Doch wir stehen derzeit vor einigen ganz großen gesellschaftlichen Herausforderungen: Klimakatastrophe, Digitalisierung, Verlust an Biodiversität. In unseren Lebensräumen bilden sich noch keine Lösungsansätze dafür ab, und das muss sich ändern. Denn die Ausbeutung der Ressource Boden und die Schädigung unserer Umwelt zugunsten von kurzfristigem Siedlungs- und Wirtschaftswachstum ist keine nachhaltige Strategie. Dahingehend braucht es politisches, aber auch gesellschaftliches Umdenken.
Gesellschaftliches Umdenken?
Wir haben mit 1,7 Quadratmetern pro Kopf Höchstwerte in Europa bei den Verkaufsflächen. Die Straßenlänge ist mit 16 Metern pro Kopf fast doppelt so hoch wie in der Schweiz. Knapp 20 Prozent des Dauersiedlungsraums werden bereits für Bauland und Infrastruktur in Anspruch genommen. Österreichs Naturraum weist klare Grenzen des Wachstums auf, innerhalb derer das frei stehende Einfamilienhaus, das Einkaufszentrum, der Gewerbebetrieb zu viel Fläche verbraucht. Das wird sich so künftig nicht mehr ausgehen. Es gibt Alternativen, etwa in der Innenentwicklung oder in der Nachnutzung von Leerständen, doch das muss auch gesellschaftlich akzeptiert und durch rechtliche und finanzielle Anreize gestützt werden. Schließlich sind am Ende wir alle die Leidtragenden räumlicher Fehlentwicklungen.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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