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Das alte Autohaus auf dem Wienerberg
Spectrum

Eine alte Werkstatt zeigt vor, wie wohltuend der Gestaltungswille guter Architekten auf Industriegebäude wirken kann – und das sogar über Jahrzehnte. Ein Besuch in der Werkhalle des Autohauses Liewers auf dem Wienerberg.

7. Dezember 2018 - Ute Woltron
Der Wienerberg ist eines der mächtigen Portale, mit denen die Bundeshauptstadt einen bedeutenden Teil ihrer motorisierten Pendler begrüßt. Allmorgendlich brandet hier ein Blechstrom aus dem Süden an, teilt sich an der Stadtgrenze in die Charybdis Südosttangente und die Skylla Triester Straße, und egal welchen der beiden Nebenarme man wählt, findet man sich verlässlich im Stau wieder. Zumindest die im Schritttempo den Wienerberg via Triester Straße überwindende Pendlerschar hat demzufolge reichlich Zeit, das dortige Baugeschehen zu verfolgen. Kräne und Baugruben allerorten, der Stadtteil entwickelt sich rasant. Bis 2028 wird die U-Bahnlinie 2 bis hierher ausgebaut, was den Standort mächtig aufwerten wird.

Noch ist es aber nicht so weit, und so bietet sich, auf dem Gipfel angekommen, die Gelegenheit, zur Linken das eben restaurierte und mit neuem Inhalt gefüllte Philips Gebäude von Karl Schwanzer zu bewundern. Der kühne und allgemein bekannte Stahlbetonbau aus den 1950er-Jahren ist jedoch nicht das einzige fast schon historische Architekturjuwel inmitten zeitgenössischer Architektur. Gleich gegenüber zur Rechten liegt, wie eine prächtige glasflügelige Libelle, ein ebenfalls in dieser Zeit entstandenes Gebäude. Im Gegensatz zu den neuen Türmen und dem renommierten „Schwanzer“ findet es jedoch kaum Beachtung.

Es handelt sich um die Werkhalle des Autohauses Liewers, und die ist ein echtes Prachtstück alter Industriearchitektur. Sie ist eine der letzten jener schönen Gebrauchsarchitekturen, die zwischenzeitlich landauf, landab großteils missachtet, abgerissen und durch vergleichsweise schäbige Blechboxen ersetzt wurden. Ausnahmen bestätigen die Regel. Wenn die Grundstückspreise steigen, wenn rundherum die Hochhäuser in den Himmel wachsen und die Rendite die Stadtkonturen formt, stellt sich unweigerlich die bange Frage: Wie lange darf sie hier noch stehen, die elegante, zweiflügelige Libelle, und wird einmal jener traurige Tag kommen, an dem an ihrer statt eine neue Baugrube klafft?

Erfreulicherweise ist dieser Tag nicht in Sicht, denn sowohl die Geschäftsleitung als auch die Mitarbeiter des Unternehmens wissen sehr genau, was sie an dieser Perle haben. Die Doppelhalle präsentiert sich innen wie außen in wohlpoliertem, geradezu perfektem Zustand. So sieht ein geliebtes altes Haus im Idealfall aus. Geputzt und sauber und dennoch behutsam mit den modernen Errungenschaften der Haustechnik ausgestattet, ohne maßgebliche Eingriffe in die Bausubstanz. Zart dimensionierte, geschwungene Stahlbetonträger fassen jeweils die beiden hohen Räume. In den aus Beton gegossenen, betont feingliedrigen Kassettendecken zersplittert der Schall und verliert sich. Nicht nur an den Fassadenfronten, auch in den Übergängen zwischen niedrigem Mittelteil und den beiden höheren Gebäudeteilen links und rechts lassen Verglasungen viel Licht herein. Tatsächlich gibt es Glas wo immer möglich und nötig in Form von Lichtbändern und Oberlichten.

Die miteinander verbundenen Hallen dienen als Werkstatt und Spenglerei, und sie sind seit den 1950er-Jahren unverändert in vollem Betrieb. Keine moderne Halle, sagt Geschäftsführer Michael Zinniel, könne dieser hier das Wasser reichen. Ideales Raumklima, gute Akustik, sehr viel Tageslicht und darüber hinaus diese raue Schönheit einer ihrem Zweck vollständig entsprechenden Architektur, wobei als Zweck offensichtlich nicht nur die Unterbringung von zu reparierenden Autos im Vordergrund stand, sondern auch ein angenehmes Ambiente für diejenigen, die hier tagaus, tagein arbeiten.

Geplant hatte die Liewers-Hallen mit angeschlossenem, ebenfalls gut erhaltenem Büro- und Verwaltungstrakt seinerzeit der damals noch junge Architekt Rudolf Vorderegger. Ursprünglich aus Linz stammend, hatte er bei Oswald Haerdtl an der Hochschule für angewandte Kunst studiert, wo zur selben Zeit Karl Schwanzer als Assistent wirkte. Warum Vorderegger so in Vergessenheit geraten konnte, wird ein Rätsel bleiben. Immerhin zeichnete er 1951 für das erste italienische Espresso Wiens verantwortlich, das mittlerweile völlig umgebaute und letztlich damit in seinem Flair vernichtete Café de l' Europe. Außerdem setzte er sich wenig später beim kleinen Wettbewerb zur Gestaltung der Aida-Filiale am Opernring gegen seinen renommierten Kollegen Karl Schwanzer durch und wurde in Folge der Hausarchitekt des Wiener Konditorimperiums. Zumindest die Aida-Filialen sind heute legendär, wenn auch nicht ihr Architekt.

Die alte Liewers-Werkstatt zeigt jedenfalls vor, wie wohltuend der Gestaltungswille guter Architekten insbesondere auch auf Gebäude für Industrie und Gewerbe wirken kann, und das gegebenenfalls über viele Jahrzehnte hinweg. Im Vergleich dazu können die abscheulichen zeitgenössischen Speckgürtelzonen rund um die Städte, die mit ihren hässlichen, genormten und überall das gleiche schäbige und verwechselbare Bild zeichnenden Billighallen vormals schöne Landschaften verschandeln, sowohl städtebaulich als auch formal nur als Niederlage bezeichnet werden. Sie sind lediglich eines: mit dem Auto gut erreichbar.

Das Automobil, das natürlich auch in den Liewers-Hallen im Mittelpunkt steht, hat Städte und Landschaft erobert und geprägt wie kaum eine andere Erfindung der Moderne, sieht man vom Stahlseil ab. Diese nur scheinbar unwesentliche Schöpfung war wiederum die Voraussetzung für Transport und Geschwindigkeit in die Vertikale. Denn erst das Stahlseil ermöglichte es der Architektur, mittels Aufzügen größere Höhen zu überwinden und Gebäude in den Himmel schießen zu lassen.

Der anfängliche Enthusiasmus der Architekturwelt für das Auto hat sich indes aus den bekannten Gründen abgekühlt, denn wer heute bei Verstand ist, staut nicht mit Gestank und Abgas nach Wien, sondern fährt mit der Bahn. Größen wie Le Corbusier in Europa und Frank Lloyd Wright in den USA ließen ihre Begeisterung für das Automobil seinerzeit jedoch noch ungebremst in unterschiedlicher Weise in ihre städtebaulichen Überlegungen einfließen. Zudem entstanden ab den 1920er-Jahren teils großartige Autoarchitekturen in Form von ausgeklügelten und sich elegant in städtische Ensembles einfügenden Garagen sowie avantgardistischen Tankstellen mit fliegenden Dächern.

Heutige Tankstationen unterscheiden sich nicht in ihrer Gestaltung, sondern nur durch das Logo auf dem Dach voneinander. Auch hier bestätigen wenige Ausnahmen die Regel. So knüpft, um nur ein Beispiel zu nennen, die Tankstelle von Atelier SAD, Adam Jirkal und Jerry Koza, aus dem Jahr 2011 im slowakischen Matúškovo mit modernem Pep und traditioneller Pilzüberdachung an historische Vorbilder an. Architektur leisten sich Autoproduzenten wie Porsche, BMW & Co. dort, wo es darum geht, ihre Produkte in den diversen Autowelten und Automuseen ins Rampenlicht zu rücken. Möge die schlichte, wunderbare Halle von Rudolf Vorderegger sie alle überleben.

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