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Statt Park Parkplatz?
In Innsbruck geben die Grünen den Ton an, was nicht unweigerlich zu „grünen“ Lösungen führt. Die Hofgarten-Gärtnerei soll einem asphaltierten Busparkplatz weichen – damit schwindet die Chance auf Klimakühlung für die Innenstadt.
27. Oktober 2019 - Stephanie Drlik
In der letzten Nationalratssitzung vor der Nationalratswahl 2019 wurde die Ausrufung des Klimanotstands für Österreich beschlossen – einstimmig. Eine gute Sache, denn der Klimanotstand ist ein wichtiges politisches Statement. Es zeigt, dass die Klimakrise wahrgenommen wird und – wie in einem Notstand üblich – Maßnahmen ehestmöglich einzuleiten sind. Die Möglichkeit, eine solche Maßnahme rasch auf den Weg zu bringen, hatten die Abgeordneten gleich in ebendieser Sitzung. Es wurde ein Antrag eingebracht, der forderte, dass vor jeder geplanten Oberflächenversiegelung auf Grundstücken im Besitz oder Teilbesitz des Bundes ein Klimacheck durchzuführen wäre. Also bevor bioaktive Bodenoberfläche abgetragen und mit harten baulichen Materialien befestigt wird, wäre die Auswirkung auf das Mikroklima zu prüfen. Der Antrag wurde abgelehnt. Erstaunlich, denn steigende Temperaturen im Klimawandel machen uns zu schaffen, und ausuferndes Betonieren und Asphaltieren ist einer der erwiesenen Turbo-Temperaturkatalysatoren.
Hintergrund des abgelehnten Antrags ist ein Anlassfall, der skurrilerweise gerade in jener Stadt für Klimaalarm sorgt, die mit ihrem grünen Bürgermeister Georg Willi als erste Landeshauptstadt Österreichs den Klimanotstand ausgerufen hat. Es handelt sich um Innsbruck, Hauptstadt Tirols – eines Landes, das sogar noch weiter gegangen ist und beschlossen hat, den Klimaschutz als hoch prioritär in der Landesverfassung zu verankern. Vorausschauend, denn von nun an muss jedes Projekt in Tirol auf seine Klimabilanz geprüft werden.
Zurück zum Anlassfall. Am Rande der Innsbrucker Altstadt liegt der Hofgarten: eine historische, unter Denkmalschutz stehende Parkanlage im Besitz der Republik, verwaltet von den Österreichischen Bundesgärten. Am östlichen Rand der Anlage befindet sich die ehemalige Hofgärtnerei, die seit 2017 nur noch für den Eigenbedarf des Hofgartens produziert. So kommt es, dass Gewächshäuser leer stehen und man sich um eine sinnvolle Nachnutzung bemüht. Schließlich bietet das Areal der Hofgärtnerei die einmalige Gelegenheit, den Park als freiräumlichen Erholungsraum zu erweitern. Nicht ganz unrelevant in einer wachsenden Landeshauptstadt mit steigendem Freiraumdruck, schließlich werden in nächster Umgebung des Hofgartens durch geplante Universitätserweiterungen und das neue Sicherheitszentrum Tirol in direkter Nachbarschaft künftig einige Tausend Menschen zusätzlich arbeiten und studieren.
Sinnvolle Ideen für eine Nachnutzung der leer stehenden Glashäuser und der ungenutzten Gärtnereiflächen gibt es viele. Jedenfalls wünscht man sich, dass der Bezug zum Hofgarten erhalten bleibt. Derzeit wird ein Teil der Fläche für Urban-Gardening-Zwecke genutzt; auch diese beliebte Bespielung könnte weitergeführt werden, ganz zur Freude der Bevölkerung und – so sollte man meinen – der Grünpolitik. Doch diesmal können sich die tonangebenden Innsbrucker Grünen so gar nicht für solch „grüne“ Themen begeistern, Klimanotstand hin oder her. Stattdessen wünscht man sich einen Busparkplatz, der im Zuge der erwähnten Uni-Erweiterung des benachbarten Management Center Innsbruck (MCI) auf Teilen der alten Hofgärtnerei entstehen soll.
Das MCI-Erweiterungsprojekt war bereits knapp vor dem Baubeginn gestanden, doch das Land Tirol hat es – wegen Kostenüberschreitung um kolportierte 55 Millionen Euro – gestoppt. Nun gab es einen Neustart der Planungen, wobei Bürgermeister Willi auf der scheinbar verzweifelten Suche nach Einsparungsmöglichkeiten die großen Klimaziele von Stadt und Land aus den Augen zu verlieren scheint. Denn aus der ursprünglich geplanten Bustiefgarage unter einem auf dem Areal befindlichen Sportplatz soll nun ein investitionsextensiverer, dafür umso versiegelungsintensiverer Busparkplatz unter freiem Himmel entstehen. Und weil die erforderlichen Freiflächen im umgebenden Innenstadtgebiet mehr als rar sind, muss nun die alte Hofgärtnerei dran glauben. Tenor der Projektbefürworter ist, dass die Oberflächen der Gärtnerei ohnehin bereits versiegelt seien, womit man sich auf Glashäuser, Wege und Zufahrtsstraßen bezieht. Ein Pachtvertrag soll die benötigte Fläche für die nächsten 15 Jahre für eine Nutzung durch die Stadt zwecksichern. Was danach mit der Parkplatzfläche geschieht, hängt von der Verkehrspolitik und dem künftigen Stellflächenbedarf ab. Übrig bleibt im schlechtesten Fall ein ungenutzter Busparkplatz – neben einer denkmalgeschützten Parkanlage im Innsbrucker Innenstadtgebiet. Eines steht jedoch heute schon fest: Der Traum vom Park wäre mit der Asphaltierung der Fläche ein für alle Mal geplatzt.
Nun stellen Bürger wie oppositionelle Kommunalpolitiker die berechtigte Frage, warum in einer Stadt im Klimanotstand der touristische Busverkehr überhaupt in die Innenstadt geleitet und nicht bereits außerhalb des dicht bebauten Gebiets abgefangen wird. Es wäre nur zeitgemäß, Gäste klima- und verkehrsschonend mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Innenstadt zu leiten. Auch fragt man sich, warum gerade bei diesem Vorhaben der sonst so rigide eingehaltenen Landesvorgabe zum flächenschonenden Bauen widersprochen wird. Denn in Tirol wird Bodensparen ebenso groß geschrieben wie Klimaschutz. Bei dem projektierten Parkplatzprojekt diskutiert man immerhin über eine Fläche von mehr als 4000 Quadratmeter nutzbaren Freiraums.
Die zuständigen Vertreter der Österreichischen Bundesgärten, dem Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus unterstellt, stehen Willis fraglichen Gärtnerei-Nachnutzungsplänen erwartungsgemäß kritisch gegenüber. Doch die Entscheidung liegt nicht bei ihnen – mit der Liegenschaftsverwaltung der Hofgärtnerei ist die Burghauptmannschaft betraut. Diese ist dem Wirtschaftsressort zugeordnet, das üblicherweise eher wirtschaftliche als ökologische Interessen verfolgt. Und so schlägt Willi mit seinem Pachtangebot in die richtige Kerbe und argumentiert mit Einnahmen für die Bundesgärten, die in den Hofgarten investiert werden könnten. Ob diese ressortübergreifende Rückführung der Pachteinnahmen wahrscheinlich wäre, sei dahingestellt.
Es scheint jedenfalls, als würde sich der Innsbrucker Bürgermeister neben den groß gesteckten Zielen gerade ein wenig in der alltäglichen Kommunalpolitik verzetteln. Den Klimanotstand auszurufen reicht nicht, es müssen Maßnahmen folgen. Eine gärtnerische Nachnutzung der alten Gärtnereianlage ist eine aufgelegte Maßnahme, um zu beweisen, dass man es mit dem Klimanotstand ernst meint. Auch Innsbruck hat diesen Sommer wieder Rekordtemperaturen verzeichnet. Um das zu entschärfen, braucht es mehr Pflanzen und weniger versiegelte Oberflächen in der Stadt. Im Übrigen werden Glashäuser, die bioaktive Böden mit gewachsenem Erdkern bedecken, nicht als versiegelte Flächen gewertet – zumindest nicht in der Fachwelt.
Hintergrund des abgelehnten Antrags ist ein Anlassfall, der skurrilerweise gerade in jener Stadt für Klimaalarm sorgt, die mit ihrem grünen Bürgermeister Georg Willi als erste Landeshauptstadt Österreichs den Klimanotstand ausgerufen hat. Es handelt sich um Innsbruck, Hauptstadt Tirols – eines Landes, das sogar noch weiter gegangen ist und beschlossen hat, den Klimaschutz als hoch prioritär in der Landesverfassung zu verankern. Vorausschauend, denn von nun an muss jedes Projekt in Tirol auf seine Klimabilanz geprüft werden.
Zurück zum Anlassfall. Am Rande der Innsbrucker Altstadt liegt der Hofgarten: eine historische, unter Denkmalschutz stehende Parkanlage im Besitz der Republik, verwaltet von den Österreichischen Bundesgärten. Am östlichen Rand der Anlage befindet sich die ehemalige Hofgärtnerei, die seit 2017 nur noch für den Eigenbedarf des Hofgartens produziert. So kommt es, dass Gewächshäuser leer stehen und man sich um eine sinnvolle Nachnutzung bemüht. Schließlich bietet das Areal der Hofgärtnerei die einmalige Gelegenheit, den Park als freiräumlichen Erholungsraum zu erweitern. Nicht ganz unrelevant in einer wachsenden Landeshauptstadt mit steigendem Freiraumdruck, schließlich werden in nächster Umgebung des Hofgartens durch geplante Universitätserweiterungen und das neue Sicherheitszentrum Tirol in direkter Nachbarschaft künftig einige Tausend Menschen zusätzlich arbeiten und studieren.
Sinnvolle Ideen für eine Nachnutzung der leer stehenden Glashäuser und der ungenutzten Gärtnereiflächen gibt es viele. Jedenfalls wünscht man sich, dass der Bezug zum Hofgarten erhalten bleibt. Derzeit wird ein Teil der Fläche für Urban-Gardening-Zwecke genutzt; auch diese beliebte Bespielung könnte weitergeführt werden, ganz zur Freude der Bevölkerung und – so sollte man meinen – der Grünpolitik. Doch diesmal können sich die tonangebenden Innsbrucker Grünen so gar nicht für solch „grüne“ Themen begeistern, Klimanotstand hin oder her. Stattdessen wünscht man sich einen Busparkplatz, der im Zuge der erwähnten Uni-Erweiterung des benachbarten Management Center Innsbruck (MCI) auf Teilen der alten Hofgärtnerei entstehen soll.
Das MCI-Erweiterungsprojekt war bereits knapp vor dem Baubeginn gestanden, doch das Land Tirol hat es – wegen Kostenüberschreitung um kolportierte 55 Millionen Euro – gestoppt. Nun gab es einen Neustart der Planungen, wobei Bürgermeister Willi auf der scheinbar verzweifelten Suche nach Einsparungsmöglichkeiten die großen Klimaziele von Stadt und Land aus den Augen zu verlieren scheint. Denn aus der ursprünglich geplanten Bustiefgarage unter einem auf dem Areal befindlichen Sportplatz soll nun ein investitionsextensiverer, dafür umso versiegelungsintensiverer Busparkplatz unter freiem Himmel entstehen. Und weil die erforderlichen Freiflächen im umgebenden Innenstadtgebiet mehr als rar sind, muss nun die alte Hofgärtnerei dran glauben. Tenor der Projektbefürworter ist, dass die Oberflächen der Gärtnerei ohnehin bereits versiegelt seien, womit man sich auf Glashäuser, Wege und Zufahrtsstraßen bezieht. Ein Pachtvertrag soll die benötigte Fläche für die nächsten 15 Jahre für eine Nutzung durch die Stadt zwecksichern. Was danach mit der Parkplatzfläche geschieht, hängt von der Verkehrspolitik und dem künftigen Stellflächenbedarf ab. Übrig bleibt im schlechtesten Fall ein ungenutzter Busparkplatz – neben einer denkmalgeschützten Parkanlage im Innsbrucker Innenstadtgebiet. Eines steht jedoch heute schon fest: Der Traum vom Park wäre mit der Asphaltierung der Fläche ein für alle Mal geplatzt.
Nun stellen Bürger wie oppositionelle Kommunalpolitiker die berechtigte Frage, warum in einer Stadt im Klimanotstand der touristische Busverkehr überhaupt in die Innenstadt geleitet und nicht bereits außerhalb des dicht bebauten Gebiets abgefangen wird. Es wäre nur zeitgemäß, Gäste klima- und verkehrsschonend mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Innenstadt zu leiten. Auch fragt man sich, warum gerade bei diesem Vorhaben der sonst so rigide eingehaltenen Landesvorgabe zum flächenschonenden Bauen widersprochen wird. Denn in Tirol wird Bodensparen ebenso groß geschrieben wie Klimaschutz. Bei dem projektierten Parkplatzprojekt diskutiert man immerhin über eine Fläche von mehr als 4000 Quadratmeter nutzbaren Freiraums.
Die zuständigen Vertreter der Österreichischen Bundesgärten, dem Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus unterstellt, stehen Willis fraglichen Gärtnerei-Nachnutzungsplänen erwartungsgemäß kritisch gegenüber. Doch die Entscheidung liegt nicht bei ihnen – mit der Liegenschaftsverwaltung der Hofgärtnerei ist die Burghauptmannschaft betraut. Diese ist dem Wirtschaftsressort zugeordnet, das üblicherweise eher wirtschaftliche als ökologische Interessen verfolgt. Und so schlägt Willi mit seinem Pachtangebot in die richtige Kerbe und argumentiert mit Einnahmen für die Bundesgärten, die in den Hofgarten investiert werden könnten. Ob diese ressortübergreifende Rückführung der Pachteinnahmen wahrscheinlich wäre, sei dahingestellt.
Es scheint jedenfalls, als würde sich der Innsbrucker Bürgermeister neben den groß gesteckten Zielen gerade ein wenig in der alltäglichen Kommunalpolitik verzetteln. Den Klimanotstand auszurufen reicht nicht, es müssen Maßnahmen folgen. Eine gärtnerische Nachnutzung der alten Gärtnereianlage ist eine aufgelegte Maßnahme, um zu beweisen, dass man es mit dem Klimanotstand ernst meint. Auch Innsbruck hat diesen Sommer wieder Rekordtemperaturen verzeichnet. Um das zu entschärfen, braucht es mehr Pflanzen und weniger versiegelte Oberflächen in der Stadt. Im Übrigen werden Glashäuser, die bioaktive Böden mit gewachsenem Erdkern bedecken, nicht als versiegelte Flächen gewertet – zumindest nicht in der Fachwelt.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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