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Urban Gardening in Erlaa: Nicht pflanzen lassen!
Seit Herbst 2018 wurde Europas größtes Urban-Gardening-Projekt, „Erlaaer Flur“, in Wien-Liesing besiedelt. Wurden die ambitionierten Ziele erreicht? Ein Besuch im zweiten Frühling.
26. Mai 2020 - Franziska Leeb
Vor acht Jahren wurde in Liesing-Mitte Europas größtes Urban-Gardening-Projekt auf dem Areal „In der Wiesen Ost“ entlang des Helene-Thimig-Wegs südlich des Wohnparks Alt-Erlaa auf Schiene gebracht. In einer kooperativen Klausurplanung, zu der sich Magistratsvertreter, Bauträger, Architekten und weitere Experten fünf Tage lang außerhalb Wiens in Isolation begaben, wurde ein Grundkonzept für die über 1100 Wohnungen auf 7,7 Hektar umfassende Siedlung entwickelt. Als identitätsstiftendes Thema lag Urban Gardening auf der Hand, war das Areal doch seit über 100 Jahren von Gärtnereien bestimmt. Nicht bloß ein paar Pflanztröge sollten es sein, sondern ein Gesamtpaket, das die Beschäftigung mit der Natur ermöglicht und nachbarschaftliche Interaktion stimuliert.
Das Konzept bildete die Grundlage für einen Bauträgerwettbewerb, aus dem die Projekte für die fünf Bauplätze hervorgingen. Die Visualisierungen der Wettbewerbsbeiträge suggerieren, was gewünscht war: schattenspendende Bäume, wucherndes Grün auf den Balkonen und blühende Magnolien auf den Dachterrassen. Es ist das Los der Landschaftsplaner und Gärtner, dass das Resultat ihrer Bemühungen nicht unmittelbar zu sehen ist. Daher nun der Lokalaugenschein im zweiten Frühling. Es tut sich was in der mittigen Gasse. Menschen flanieren, Kinder spielen auf den Wiesen. In den Beeten an der Ostseite wird gejätet und gepflanzt. Es herrsche eine gute Stimmung, bestätigt eine Bewohnerin den Eindruck, dass hier vieles besser funktioniert als anderswo.
Am Quartierseingang empfängt der elegante Zwölfgeschoßer von Treberspurg & Partner mit einem großzügigen Foyer samt Vertikalbegrünung. Der von Weitem sichtbaren Schwarzföhre geht es im tiefen Erdkoffer auf der Dachterrasse sichtlich gut. Ein Baukasten an Pflanztrögen lässt die Balkonbänder zu Bühnen des privaten Gartelns werden. Die Rankpflanzen im Lichthof bleiben noch unter ihren Möglichkeiten. Die reflektierende Oberfläche, die das Sonnenlicht an einer Wand nach unten locken sollte, wurde eingespart. Die Architekten hoffen noch auf das Einsehen der Bauherrschaft (BWSG). Gemeinschaftsterrassen, die sich als doppelgeschoßige „Fenster“ an der Fassade abbilden, erhielten unterschiedliche Wandbegrünungen. An der einen wuchert rosa blühender Storchenschnabel, bei der anderen scheint die Bewässerung schon länger nicht zu funktionieren.
Oft sind es Lappalien, die ursprüngliche Absichten konterkarieren. Nicht auf allen Balkonen gibt es fixe Pflanztröge und Wasseranschlüsse, um die Pflege der privaten Balkongärten zu erleichtern. Die Konzepte der Landschaftsarchitekten, hier Batik, Plansinn, Carla Lo und Yewo, leiden darunter am meisten. Ja, den Errichtern wird vieles aufgebürdet. Sie müssen leistbare Mieten zustande bringen, zugleich steigen technische Anforderungen und die Ansprüche an die grüne Infrastruktur. Kathedralenartige Tiefgaragen tragen den Stellplatzwünschen der Bezirkspolitik Rechnung, obwohl die U-Bahn in Sichtweite ist und viele Plätze leer bleiben. Gespart wird am Finish, wo man es sieht, nicht dort, wo die Budgets unsichtbar im Untergrund versickern.
Mischeks Orangerie, ein Terrassenhauspaar mit einer Vielfalt an Wohn- und Freiraumtypen, entwarfen Vlay/Streeruwitz und Nerma Linsberger. In der von Vlay/Streeruwitz als grünes Wohnzimmer konzipierten Orangerie leisten vorerst nur wenige Pflanzen aus dem Fundus der Mieter der Erstbepflanzung mit Palmen und Orangenbaum Gesellschaft. Es scheint noch Anstöße zu brauchen, damit der Raum vom dekorativen Zwischenstück zu einem Aufenthaltsbereich wird. In der Realität viel besser als auf den Fotos kann das Gebäudepaar (Bauherr: Volksbau) von Sne Veselinović und Josef Weichenberger seine Qualitäten ausspielen. Die beiden Häuser teilen sich eine viergeschoßige Halle. Sie ist nicht nur das zentrale Erschließungsgelenk, sondern ein Durchhaus im besten Sinn, an das im Erdgeschoß ein Seminarraum, ein Spielraum und die Waschküche angelagert sind. Das Holz der Umrandung des Pflanzbeets wiederholt sich an den Brüstungsabschlüssen und trägt ebenso zum behaglichen Milieu bei wie die kleinteiligen mattgrauen Bodenfliesen mit Blumenornament. Auch an Pergolen über den Tisch-Bank-Kombinationen haben die Architekten gedacht; schade, dass Pflanztröge fehlen, aus denen sich Schattenspender an der Konstruktion hochranken könnten.
Ein Haus weiter (Architekten Superblock und M+S/Bauherren: Eisenhof/EBG) wird es formal blockhafter und höher. Superblock nehmen an den Gebäudeeinschnitten das Sonnengelb des Veselinović-Gebäudes auf, was für ein wenig gestalterische Kontinuität sorgt. Hier finden wir unter anderem eine Sporthalle und auf dem Dach richtige Gewächshäuser. Gegenüber bauten Synn mit dem Bauträger ÖVW ein sehniges Haus mit tiefen Balkonen. Die Holzverschläge unter der südlichen Auskragung harren noch ihrer Verwendung. „Marktraum/Tauschregal“ steht an der Tür, derzeit findet sich darin Gerümpel.
Von oben hübsch anzusehen ist die mittige Gasse. Im Durchgehen erweist sich das grafische Spiel aus rechteckigen Flächen eher als Versuch, die Leistungsschau der omnipräsenten Garagenentlüftungen zu entschärfen. Auf keinem der Wettbewerbsschaubilder gibt es sie, nun stehen sie da. Was nicht mehr da ist, ist der ursprünglich vorgesehene kleine Teich. Dafür gibt es ein Schwimmbad, das allen lange Zähne macht, die es nicht nutzen dürfen, denn es ist den Volksbau-Mietern vorbehalten – und das in einer Siedlung, die den Gemeinschaftssinn fördern will. Was hier fehlte, aber laut Volkmar Pamer, Zielgebietskoordinator für Liesing-Mitte und Projekt-Mastermind, helfe, die gesetzten Ziele zu erreichen, ist eine Qualitätssicherung samt Katalog, der verbindliche Ziele festhält. Wenn sich alle Involvierten regelmäßig treffen, um Probleme zu artikulieren und zu lösen, ließe sich so mancher Unsinn vermeiden – damit sich am Schluss niemand gepflanzt fühlt.
Das Konzept bildete die Grundlage für einen Bauträgerwettbewerb, aus dem die Projekte für die fünf Bauplätze hervorgingen. Die Visualisierungen der Wettbewerbsbeiträge suggerieren, was gewünscht war: schattenspendende Bäume, wucherndes Grün auf den Balkonen und blühende Magnolien auf den Dachterrassen. Es ist das Los der Landschaftsplaner und Gärtner, dass das Resultat ihrer Bemühungen nicht unmittelbar zu sehen ist. Daher nun der Lokalaugenschein im zweiten Frühling. Es tut sich was in der mittigen Gasse. Menschen flanieren, Kinder spielen auf den Wiesen. In den Beeten an der Ostseite wird gejätet und gepflanzt. Es herrsche eine gute Stimmung, bestätigt eine Bewohnerin den Eindruck, dass hier vieles besser funktioniert als anderswo.
Am Quartierseingang empfängt der elegante Zwölfgeschoßer von Treberspurg & Partner mit einem großzügigen Foyer samt Vertikalbegrünung. Der von Weitem sichtbaren Schwarzföhre geht es im tiefen Erdkoffer auf der Dachterrasse sichtlich gut. Ein Baukasten an Pflanztrögen lässt die Balkonbänder zu Bühnen des privaten Gartelns werden. Die Rankpflanzen im Lichthof bleiben noch unter ihren Möglichkeiten. Die reflektierende Oberfläche, die das Sonnenlicht an einer Wand nach unten locken sollte, wurde eingespart. Die Architekten hoffen noch auf das Einsehen der Bauherrschaft (BWSG). Gemeinschaftsterrassen, die sich als doppelgeschoßige „Fenster“ an der Fassade abbilden, erhielten unterschiedliche Wandbegrünungen. An der einen wuchert rosa blühender Storchenschnabel, bei der anderen scheint die Bewässerung schon länger nicht zu funktionieren.
Oft sind es Lappalien, die ursprüngliche Absichten konterkarieren. Nicht auf allen Balkonen gibt es fixe Pflanztröge und Wasseranschlüsse, um die Pflege der privaten Balkongärten zu erleichtern. Die Konzepte der Landschaftsarchitekten, hier Batik, Plansinn, Carla Lo und Yewo, leiden darunter am meisten. Ja, den Errichtern wird vieles aufgebürdet. Sie müssen leistbare Mieten zustande bringen, zugleich steigen technische Anforderungen und die Ansprüche an die grüne Infrastruktur. Kathedralenartige Tiefgaragen tragen den Stellplatzwünschen der Bezirkspolitik Rechnung, obwohl die U-Bahn in Sichtweite ist und viele Plätze leer bleiben. Gespart wird am Finish, wo man es sieht, nicht dort, wo die Budgets unsichtbar im Untergrund versickern.
Mischeks Orangerie, ein Terrassenhauspaar mit einer Vielfalt an Wohn- und Freiraumtypen, entwarfen Vlay/Streeruwitz und Nerma Linsberger. In der von Vlay/Streeruwitz als grünes Wohnzimmer konzipierten Orangerie leisten vorerst nur wenige Pflanzen aus dem Fundus der Mieter der Erstbepflanzung mit Palmen und Orangenbaum Gesellschaft. Es scheint noch Anstöße zu brauchen, damit der Raum vom dekorativen Zwischenstück zu einem Aufenthaltsbereich wird. In der Realität viel besser als auf den Fotos kann das Gebäudepaar (Bauherr: Volksbau) von Sne Veselinović und Josef Weichenberger seine Qualitäten ausspielen. Die beiden Häuser teilen sich eine viergeschoßige Halle. Sie ist nicht nur das zentrale Erschließungsgelenk, sondern ein Durchhaus im besten Sinn, an das im Erdgeschoß ein Seminarraum, ein Spielraum und die Waschküche angelagert sind. Das Holz der Umrandung des Pflanzbeets wiederholt sich an den Brüstungsabschlüssen und trägt ebenso zum behaglichen Milieu bei wie die kleinteiligen mattgrauen Bodenfliesen mit Blumenornament. Auch an Pergolen über den Tisch-Bank-Kombinationen haben die Architekten gedacht; schade, dass Pflanztröge fehlen, aus denen sich Schattenspender an der Konstruktion hochranken könnten.
Ein Haus weiter (Architekten Superblock und M+S/Bauherren: Eisenhof/EBG) wird es formal blockhafter und höher. Superblock nehmen an den Gebäudeeinschnitten das Sonnengelb des Veselinović-Gebäudes auf, was für ein wenig gestalterische Kontinuität sorgt. Hier finden wir unter anderem eine Sporthalle und auf dem Dach richtige Gewächshäuser. Gegenüber bauten Synn mit dem Bauträger ÖVW ein sehniges Haus mit tiefen Balkonen. Die Holzverschläge unter der südlichen Auskragung harren noch ihrer Verwendung. „Marktraum/Tauschregal“ steht an der Tür, derzeit findet sich darin Gerümpel.
Von oben hübsch anzusehen ist die mittige Gasse. Im Durchgehen erweist sich das grafische Spiel aus rechteckigen Flächen eher als Versuch, die Leistungsschau der omnipräsenten Garagenentlüftungen zu entschärfen. Auf keinem der Wettbewerbsschaubilder gibt es sie, nun stehen sie da. Was nicht mehr da ist, ist der ursprünglich vorgesehene kleine Teich. Dafür gibt es ein Schwimmbad, das allen lange Zähne macht, die es nicht nutzen dürfen, denn es ist den Volksbau-Mietern vorbehalten – und das in einer Siedlung, die den Gemeinschaftssinn fördern will. Was hier fehlte, aber laut Volkmar Pamer, Zielgebietskoordinator für Liesing-Mitte und Projekt-Mastermind, helfe, die gesetzten Ziele zu erreichen, ist eine Qualitätssicherung samt Katalog, der verbindliche Ziele festhält. Wenn sich alle Involvierten regelmäßig treffen, um Probleme zu artikulieren und zu lösen, ließe sich so mancher Unsinn vermeiden – damit sich am Schluss niemand gepflanzt fühlt.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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