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Schienen zum Himmel
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Der neu gefasste Teil des denkmalgeschützten Winklerbaus in Linz konnte gerade noch vor der großen Sperrstunde eröffnet werden. Der kulturelle Wert der historischen Konstruktion wurde gewahrt, eingezogen ist der Auftraggeber – ein Geldinstitut.

8. August 2020 - Romana Ring
Was erwarten wir von einer Stadt? Dichte, Vielfalt, Innovation, Wirtschaft, Kultur . . . Die Idee der Stadt ist jahrtausendealt. Dementsprechend lang wäre eine Liste der Begriffe, die man mit ihr in Verbindung bringt. Mindestens so ergiebig ist die Frage, wie man Städte richtig baut. Die täglichen Staumeldungen aus den Einfallstraßen, Leerstände in ehemals besten Lagen oder Viertel, in die sich die Polizei nicht mehr hineinwagt, legen nahe, dass wir zuletzt nicht immer die richtigen Antworten gefunden haben. Stadt ist Veränderung. Wir bauen weiter, was im Lauf der Jahrhunderte entstanden ist. Wenn wir klug sind, gelingt es uns dabei, einmal geschaffene Qualität nicht zu zerstören.

Der Linzer Architekt Hans Feichtlbauer hat in den Jahren 1931/32 in der Linzer Landstraße Nummer 15 ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet, das mit kraftvoller Plastizität die Flucht der Nachbarhäuser fortsetzt und der Stadt gleichzeitig eine über den Straßenraum hinausreichende Tiefe verleiht. Somit gehört der nach seinen Bauherren benannte Winklerbau zu jenen städtebaulichen Glücksfällen, die eine durchaus intensive Nutzung ihres Bauplatzes mit der gestalterischen Bereicherung des Stadtraumes verbinden. Seine südwestliche Stirnseite hält der Winklerbau mit einem nur dreigeschoßig ausgebildeten Baukörper besetzt, der durch über Eck geführte Fensterbänder in den beiden Obergeschoßen der Einmündung der Bethlehemstraße in die Landstraße Raum und Ansehen gibt.

Dieses Kopfgebäude des Winklerbaus hat nun die Raiffeisen Landesbank Oberösterreich zu ihrem baulichen Flaggschiff gemacht. Hertl.Architekten aus Steyr haben als Gewinner eines geladenen Architekturwettbewerbes den Umbau des Gebäudes geplant, der im März, gerade noch vor der großen Sperrstunde, eröffnet werden konnte. Dem Straßenraum wendet der denkmalgeschützte Winklerbau nach der Reparatur einiger früherer Eingriffe ein vertrautes Antlitz zu. Die Kastenfenster der Obergeschoße wurden unter Wahrung ihrer ursprünglichen Erscheinung bauphysikalisch an heutige Vorgaben angepasst, dem zu großflächigen Auslagen aufgerissenen Erdgeschoss sein verputztes horizontales Fassadenband zurückgegeben. Die bis zum Boden reichende Verglasung darunter wahrt nun dank ihrer den Rhythmus der historischen Fenster aufgreifenden Sprossen wieder den Charakter einer zwar durchlässigen, aber ernst zu nehmenden Gebäudehülle.

Offenheit, Transparenz und Blickbeziehung sind Begriffe, die der Bauherrschaft im Zusammenhang mit der Gestaltung ihres Hauses am Herzen lagen. Der Entwurf von Hertl.Architekten entspricht dem Wunsch nach lebendiger Kommunikation innerhalb des Gebäudes und nach Präsenz des Unternehmens im öffentlichen Raum, ohne jene Leistungen zu vernachlässigen, die man von einem Bankhaus jedenfalls erwartet: Sicherheit und Diskretion. Dabei kommt der klugen Nutzung des Bestandes besondere Bedeutung zu. Das dreigeschoßige Kopfgebäude des Winklerbaus gilt als erster Eisenbeton-Skelettbau der Stadt, seine Decken ruhen auf massiven Betonpfeilern. Durch das Öffnen der beiden mittleren der zwölf dreischiffig angeordneten, annähernd quadratischen Deckenfelder stehen nun alle Ebenen des Hauses in Verbindung zueinander. Betritt man von der Landstraße her kommend die Bank in der Mittelachse des Ecktraktes, reicht der Blick weit in die Höhe und Tiefe des Gebäudes. Die Wand linker Hand – das nördliche Drittel wird im Erdgeschoß von einem anderen Unternehmen genutzt – ist mit Moosfeldern begrünt. Im Hintergrund ragt ein massiver, an seiner Stirnseite von fließendem Wasser verkleideter Körper, der Liftschacht, in die Höhe. Aufmerksamkeit und Emotion werden somit nicht ausschließlich über Werbegrafik und Bildschirme generiert. Von oben fällt Sonnenlicht in die Halle, denn Hertl.Architekten haben im zweiten Stock, nach Westen zur Landstraße hin, ein begrüntes Atrium aus der Kubatur des Hauses geschnitten.

Wir haben es also mit einem Denkansatz zu tun, der weniger an der Maximierung der Nutzfläche denn an der optimalen Nutzung des Volumens interessiert ist. Dieses Konzept geht auf: Mögen die unterschiedlichen Funktionsbereiche hier auch dichter gepackt sein als anderswo, so erhält doch jeder Raum neben den unmittelbar auf seine Bestimmung abgestellten Eigenschaften die Qualität der Großzügigkeit. Von ihr profitieren Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen, nicht zuletzt durch den erleichterten Kontakt zwischen den beiden Gruppen, zu dem die Architektur hier animiert. Einen prominenten Platz in dem zu Geschäftszeiten um den Selbstbedienungsbereich vergrößerten Foyer nimmt ein Informationsstützpunkt ein, der die Firmenfarbe Gelb in der von Weiß und lichtem Grau geprägten Stimmung mit freundlicher Selbstverständlichkeit trägt. Daneben liegen, textil gedämpft und durch grün bedruckte Gläser vom Straßenraum abgeschirmt, Kojen zur diskreten Abwicklung von Bankgeschäften. Zum Höchstmaß gesteigert wird das Gefühl der Sicherheit in dem Raum gleich neben dem Eingang, aus dem man mit dem Banksafe im Keller in Verbindung tritt. In den Büros und Besprechungsräumen der über den Lift oder das nahezu unverändert belassene Stiegenhaus erreichbaren Obergeschoße schwingt das Pendel der Stimmung wieder in Richtung Kommunikation und Transparenz. So wird die Bankstelle als Gesamtheit zum hellen Gehäuse professioneller Geschäftigkeit, das über die Fensterbänder und das Atrium mit dem Stadtraum in Beziehung steht.

Nur wenige Schritte vom Winklerbau entfernt öffnet sich an der Adresse Promenade 14 eine schmale Passage, die wesentlich mehr Urbanität ausstrahlt, als es neuere, von poliertem Stein und buntem Licht erstrahlende Geschäftsstrecken vermögen. Schaufenster und die Öffnung in das eine oder andere kleine Lokal machen den Weg, der nach Norden bis zum Hauptplatz führt, kurzweilig und interessant. Doch auch in dieser jüngst renovierten Passage ist es der Blick nach oben, der dem Raum seine Qualität verleiht. Drei rechteckige Glasdächer geben ihm Rhythmus und erhellen ihn mit Tageslicht. Der in Wien ansässige Bauingenieur Karlheinz Wagner hat den kulturellen Wert ihrer historischen Konstruktion erkannt und sie in Zusammenarbeit mit einem von ähnlicher Liebe zur Technikgeschichte beseelten Schlosser vor der Zerstörung gerettet. Die Unterkonstruktion der Dächer besteht aus Eisenbahnschienen, die Sprossenprofile aus erfinderisch gekanteten Blechen. In akribischer Handarbeit vom Rost befreit, gereinigt und wieder zusammengebaut, hat die Konstruktion in experimentellen Lastversuchen ihre Tragfähigkeit ebenso unter Beweis gestellt wie die Haltbarkeit eines nach wie vor empfehlenswerten ästhetischen Konzepts: dem effizienten Einsatz verfügbaren Materials mit festem Blick auf seine bestmögliche Form.

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