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Francis, Joseph und Sophie für den Julius
Der Julius-Tandler-Platz vor dem Franz-Josefs-Bahnhof am Alsergrund wird neu gestaltet, denn das Projekt Althanquartier wird demnächst umgesetzt – allerdings nicht so, wie es sich Stadt und Bezirk eigentlich gewünscht hätten.
14. August 2020 - Martin Putschögl
Ein modernes Bürogebäude mit 38.000 Quadratmeter Nutzfläche, zwei Wohnbauten mit 250 Eigentumswohnungen, ein Hotel, Gastronomie und Geschäfte: So lautet das aktuelle Nutzungskonzept für das Althanquartier. Dabei handelt es sich um die Neugestaltung der Überbauung des Franz-Josefs-Bahnhofs im neunten Bezirk (Alsergrund). Entwickler 6B47 ist in der „finalen Planungsphase“, sagt eine Sprecherin. Man erhofft die Baugenehmigung im Herbst. Baubeginn könnte dann noch dieses Jahr sein.
Dann werden am Ende eines zehnjährigen Nachdenkprozesses am vielfrequentierten Julius-Tandler-Platz Fakten geschaffen, mit denen die Stadt Wien einmal mehr nicht wirklich zufrieden sein kann. Doch der Reihe nach: Der unter anderem von Karl Schwanzer und Harry Glück entworfene Glaspalast wurde 2015 von 6B47 erworben. Die Bank Austria hatte das markante Gebäude zehn Jahre zuvor an ein deutsches Fondshaus veräußert, blieb bis 2018 als Mieter. 6B47 hatte sich davor auch schon das Objekt Nordbergstraße 15 (UZA 4, Universitätszentrum Althanstraße) nordöstlich des Bahnhofs gesichert und strebte eine Gesamtentwicklung an.
Bis März 2017 wurde an einem städtebaulichen Leitbild gearbeitet. Es sah eine Hochhausentwicklung mit Höhen bis 126 Meter im Nordteil vor, außerdem die Schaffung eines Hochparks auf der Überplattung der ÖBB-Gleise.
Gegen die Hochhäuser formierte sich Widerstand unter Anrainern, aber auch im Bezirk. Die Bezirksvertretung lehnte die von der MA 21 vorgeschlagene Flächenwidmung, die zuvor von der Stadtentwicklungskommission einstimmig angenommen worden war, im Frühjahr 2018 ebenso einstimmig ab.
Terrassenhaus als Sieger
Entwickler 6B47 lobte einen Realisierungswettbewerb aus, dessen Sieger im Juni 2018 präsentiert wurde. Fast alle der insgesamt 30 teilnehmenden Architekturbüros hatten die 126 Meter Höhe ausgenutzt; nicht so die siegreichen Artec Architekten, die ein Terrassenhaus vorschlugen, mit Maximalhöhen von 46 Metern an der Althanstraße und 55 Metern an der Nordbergstraße. Die höheren Gebäudeteile sollten durch die zurückspringenden Terrassen von der Straße aus nicht sichtbar sein. Das Projekt wurde einstimmig zum Sieger erkoren – und wird nun doch so nicht gebaut.
Denn selbst dafür wäre eine Umwidmung nötig gewesen. Und dafür sollte der Entwickler etwas „hergeben“: Stadt und Bezirk bestanden auf leistbarem Wohnbau, und zwar im Ausmaß der Hälfte des gesamten neu entstehenden Wohnraums von rund 60.000 m² Nutzfläche.
Im Dezember 2019 sprang der Entwickler ab, gab eine Bebauung innerhalb der bestehenden Widmung bekannt – ohne Sozialwohnungen, ohne Hochpark und mit nur 44 Meter Höhe am höchsten Punkt.
Der Kopfbau am Julius-Tandler-Platz wird nun bloß „entfrachtet“, also bis auf das Stahlbetonskelett zurückgebaut, und dann innerhalb der bestehenden Kubatur zum Bürogebäude namens „Francis“ umgestaltet. Der Bürotrakt an der Nordbergstraße 13, in dem einst die IT der Bank Austria residierte, wird abgerissen, ebenso das Gebäude an der Nordbergstraße 9. Dort werden zwei Wohnhäuser mit insgesamt rund 250 Eigentumswohnungen errichtet. Diese Projekte heißen „Joseph“ und „Sophie“. Und an der Althanstraße wird ein Vier-Sterne-Hotel als Konferenz- und Businesshotel errichtet.
„Entwickler eingebunden“
Also nix mit leistbarem Wohnen, was Bezirksvorsteherin Saya Ahmad (SPÖ) sehr bedauert. Das Leitbild sei gemeinsam mit dem Entwickler erarbeitet worden, also schon ein Kompromiss gewesen, sagt sie heute kopfschüttelnd dazu. „Unser Zugang war: Wenn die Vorgaben dieses Leitbilds eingehalten werden, dann gibt es die höhere Widmung.“
Immerhin darf sie nun bald mit einem neuen, größeren Bahnhofsvorplatz rechnen, denn die derzeit abgesperrte Freitreppe wird abgerissen. „Aufenthaltsqualität schaffen für die Menschen, die hier leben, mit Beschattung und Begrünung“, wünscht sich Ahmad hier nun.
6B47 wird auch den Zugangsbereich zum Bahnhof neu gestalten. Die ÖBB werden ihrerseits die Gleishalle modernisieren und alles barrierefrei zugänglich machen, außerdem werden direkte Ausgänge zu Nordberg- und Althanstraße errichtet, womit ein öffentlicher Durchgang entsteht. Diese Arbeiten werden laut einem ÖBB-Sprecher im Herbst 2021 starten und insgesamt rund 18 Millionen Euro kosten.
Bleibt noch die Frage, wie attraktiv es überhaupt sein kann, über den Bahngleisen zu wohnen. 6B47 hat in der Nordbergstraße 15 (der ehemaligen Postdirektion) im Jahr 2018 den Althanpark mit 237 Eigentumswohnungen fertiggestellt. Ein paar davon sind noch verfügbar, ebenso Gewerbeflächen. Die Züge verkehren teilweise direkt unter den Wohnungen, was man doch einigermaßen gut hören können soll. Bezirksvorsteherin Ahmad ist das auch schon zu Ohren gekommen.
Dann werden am Ende eines zehnjährigen Nachdenkprozesses am vielfrequentierten Julius-Tandler-Platz Fakten geschaffen, mit denen die Stadt Wien einmal mehr nicht wirklich zufrieden sein kann. Doch der Reihe nach: Der unter anderem von Karl Schwanzer und Harry Glück entworfene Glaspalast wurde 2015 von 6B47 erworben. Die Bank Austria hatte das markante Gebäude zehn Jahre zuvor an ein deutsches Fondshaus veräußert, blieb bis 2018 als Mieter. 6B47 hatte sich davor auch schon das Objekt Nordbergstraße 15 (UZA 4, Universitätszentrum Althanstraße) nordöstlich des Bahnhofs gesichert und strebte eine Gesamtentwicklung an.
Bis März 2017 wurde an einem städtebaulichen Leitbild gearbeitet. Es sah eine Hochhausentwicklung mit Höhen bis 126 Meter im Nordteil vor, außerdem die Schaffung eines Hochparks auf der Überplattung der ÖBB-Gleise.
Gegen die Hochhäuser formierte sich Widerstand unter Anrainern, aber auch im Bezirk. Die Bezirksvertretung lehnte die von der MA 21 vorgeschlagene Flächenwidmung, die zuvor von der Stadtentwicklungskommission einstimmig angenommen worden war, im Frühjahr 2018 ebenso einstimmig ab.
Terrassenhaus als Sieger
Entwickler 6B47 lobte einen Realisierungswettbewerb aus, dessen Sieger im Juni 2018 präsentiert wurde. Fast alle der insgesamt 30 teilnehmenden Architekturbüros hatten die 126 Meter Höhe ausgenutzt; nicht so die siegreichen Artec Architekten, die ein Terrassenhaus vorschlugen, mit Maximalhöhen von 46 Metern an der Althanstraße und 55 Metern an der Nordbergstraße. Die höheren Gebäudeteile sollten durch die zurückspringenden Terrassen von der Straße aus nicht sichtbar sein. Das Projekt wurde einstimmig zum Sieger erkoren – und wird nun doch so nicht gebaut.
Denn selbst dafür wäre eine Umwidmung nötig gewesen. Und dafür sollte der Entwickler etwas „hergeben“: Stadt und Bezirk bestanden auf leistbarem Wohnbau, und zwar im Ausmaß der Hälfte des gesamten neu entstehenden Wohnraums von rund 60.000 m² Nutzfläche.
Im Dezember 2019 sprang der Entwickler ab, gab eine Bebauung innerhalb der bestehenden Widmung bekannt – ohne Sozialwohnungen, ohne Hochpark und mit nur 44 Meter Höhe am höchsten Punkt.
Der Kopfbau am Julius-Tandler-Platz wird nun bloß „entfrachtet“, also bis auf das Stahlbetonskelett zurückgebaut, und dann innerhalb der bestehenden Kubatur zum Bürogebäude namens „Francis“ umgestaltet. Der Bürotrakt an der Nordbergstraße 13, in dem einst die IT der Bank Austria residierte, wird abgerissen, ebenso das Gebäude an der Nordbergstraße 9. Dort werden zwei Wohnhäuser mit insgesamt rund 250 Eigentumswohnungen errichtet. Diese Projekte heißen „Joseph“ und „Sophie“. Und an der Althanstraße wird ein Vier-Sterne-Hotel als Konferenz- und Businesshotel errichtet.
„Entwickler eingebunden“
Also nix mit leistbarem Wohnen, was Bezirksvorsteherin Saya Ahmad (SPÖ) sehr bedauert. Das Leitbild sei gemeinsam mit dem Entwickler erarbeitet worden, also schon ein Kompromiss gewesen, sagt sie heute kopfschüttelnd dazu. „Unser Zugang war: Wenn die Vorgaben dieses Leitbilds eingehalten werden, dann gibt es die höhere Widmung.“
Immerhin darf sie nun bald mit einem neuen, größeren Bahnhofsvorplatz rechnen, denn die derzeit abgesperrte Freitreppe wird abgerissen. „Aufenthaltsqualität schaffen für die Menschen, die hier leben, mit Beschattung und Begrünung“, wünscht sich Ahmad hier nun.
6B47 wird auch den Zugangsbereich zum Bahnhof neu gestalten. Die ÖBB werden ihrerseits die Gleishalle modernisieren und alles barrierefrei zugänglich machen, außerdem werden direkte Ausgänge zu Nordberg- und Althanstraße errichtet, womit ein öffentlicher Durchgang entsteht. Diese Arbeiten werden laut einem ÖBB-Sprecher im Herbst 2021 starten und insgesamt rund 18 Millionen Euro kosten.
Bleibt noch die Frage, wie attraktiv es überhaupt sein kann, über den Bahngleisen zu wohnen. 6B47 hat in der Nordbergstraße 15 (der ehemaligen Postdirektion) im Jahr 2018 den Althanpark mit 237 Eigentumswohnungen fertiggestellt. Ein paar davon sind noch verfügbar, ebenso Gewerbeflächen. Die Züge verkehren teilweise direkt unter den Wohnungen, was man doch einigermaßen gut hören können soll. Bezirksvorsteherin Ahmad ist das auch schon zu Ohren gekommen.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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