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Lernen mit Ausblick
Urbanität im Zwischenraum: Auf dem Campus der Johannes Kepler Universität zeigt die Stadt Linz anhand zweier Erneuerungsprojekte, wie es aussieht, wenn Raum Bewegung inspiriert.
31. Oktober 2020 - Romana Ring
Kaum etwas hebt das Selbstwertgefühl einer Stadt so sehr wie das Bewusstsein, Universitätsstadt zu sein. Als solche ist die oberösterreichische Landeshauptstadt Linz recht jung. Die Gründung der Johannes Kepler Universität, kurz JKU, im Jahr 1962 hat ebenso wie die Präsenz der kleineren Universitäten viel dazu beigetragen, das Image der Stadt zu verändern: Aus der Industriestadt mit der schlechten Luft ist längst ein Ort mit einem breiten und häufig als erfrischend weltoffen empfundenen kulturellen Angebot geworden.
Aus städtebaulicher Sicht allerdings hat sich in Linz nach der gelungenen Anstrengung des Kulturhauptstadtjahres 2009 eine deutlich spürbare Behäbigkeit eingestellt, der die Weiterentwicklung des öffentlichen Raumes weniger wichtig zu sein scheint als die Zufriedenheit allfälliger Investoren.
Und wieder geht die JKU der Stadt mit nachahmenswertem Beispiel voran. Sie wurde in den 1960er-Jahren als Campus-Universität auf dem Areal des ehemaligen Schlosses Auhof errichtet. Die damals von einer Architektengruppe unter der Leitung von Artur Perotti geplanten Gebäude sprechen eine der Moderne verpflichtete Sprache, in der die wechselnden Moden der verstreichenden Jahrzehnte allerdings ihre Spuren hinterlassen haben.
Die mit dem Wachsen der Universität einhergehenden funktionellen Änderungen fordern mittlerweile ebenso ihren Tribut wie die heute völlig veränderte Sicht auf Themen wie Barrierefreiheit oder Umgang mit endlichen Ressourcen. Doch ist es die immer noch – oder endlich wieder? – spürbare Aufbruchstimmung der Universität, die in ihren gebauten Anlagen nach Ausdruck drängt. Der seit 2012 stetig wachsende, von Caramel entwickelte Science Park im Osten des Campus ist ein Kapitel für sich.
Rege Bautätigkeit ringsum
Seit 2015 ist Meinhard Lukas Rektor der JKU. Mit seinem Amtsantritt hat auch auf dem ursprünglichen Campusgelände rege Bautätigkeit eingesetzt. Das Architekturbüro Luger & Maul hat mit der Renovierung des Rektoratsgebäudes und mit der Errichtung des multifunktionalen Teichwerks den Anfang gemacht. Auch die von Luger & Maul geplante Sanierung des sogenannten Uni-Centers und des Keplergebäudes sind mittlerweile abgeschlossen, der Neubau des „Zirkus des Wissens“ im Hof des ehemaligen Schlosses Auhof steht kurz vor der Fertigstellung.
Rechtzeitig vor Beginn des Wintersemesters fertiggestellt wurde auch das große, seitens der Bundesimmobiliengesellschaft, kurz BIG, ausgeschriebene Erneuerungsprojekt für den Campus der JKU. Riepl Riepl Architekten haben den Architekturwettbewerb gewonnen und die Revitalisierung des Campusgeländes in Zusammenarbeit mit DnD Landschaftsplanung umgesetzt. Die veränderten Raumanforderungen der Universität werden von vier Gebäuden erfüllt. Davon sind zwei, das Open Innovation Center und das Somnium – wir haben an dieser Stelle bereits berichtet –, schon seit etwa einem Jahr in Betrieb. Die beiden anderen, der Neubau der Kepler Hall und der Erweiterungsbau der Bibliothek, wurden vor Kurzem eröffnet.
Zwischen diesen vier Häusern ist der Campus der JKU nun wieder als eine Gesamtheit aufgespannt, die den Freiräumen ebenso hohen Wert beimisst wie den Gebäuden. Viele seiner Qualitäten zeigt der Campus schon seit seiner Errichtung: die freie Mitte in Gestalt des historischen Teiches etwa, die mächtigen, ebenfalls aus dem Schlosspark erhaltenen Bäume und die Nähe der bewaldeten Hügel des Mühlviertels, an die das Universitätsareal im Norden grenzt. Es galt nur, sie unter den Schichten der Achtlosigkeit, die sich mit der Zeit eingestellt hat, freizulegen und aufs Neue in den Blick zu nehmen: das Dickicht vor dem Keplergebäude zu lichten, der Hauptachse davor eine Bresche nach Westen zu schlagen oder den Teich durch die Anlage eines schmalen Strandes zu würdigen. Riepl Riepl Architekten und DnD Landschaftsplanung haben Beläge, Bepflanzung, Beleuchtung und Möblierung der Freiräume überarbeitet und manche bisherige Brache des Geländes – häufig und mit Bedacht multifunktional – nutzbar gemacht.
Doch auch die Gebäude stehen nicht abgeschlossen für sich, sondern in lebhaftem Dialog mit dem Landschaftsraum. So schwebt der weiß glänzende Erweiterungsbau der Bibliothek an der nördlichen Kante des Campus hoch oben zwischen den Kronen der alten Bäume über dem von Riepl Riepl Architekten in seinem postmodernen Auftritt beruhigten Bestand. Von schlanken Stützen getragen, beschirmt er einen vielfältig nutzbaren Platz und ist zusätzlich zur barrierefreien Erschließung im Inneren des Gebäudes über eine geschwungene Freitreppe zu erreichen.
Die Treppe mündet in das begrünte Atrium im Zentrum des neuen Learning Centers. Mit seiner Vielfalt an unterschiedlichen Raumsituationen bietet es den Studierenden ein Lernumfeld, das neben dem stillen Studium der Bücher vor allem den lebhaften Austausch mit anderen ermöglicht. Der dank der umsichtigen, zusätzliche Beschattungsmaßnahmen obsolet machenden Planung der Fassaden ungehinderte Ausblick ins Grüne ist ein wichtiges Gestaltungselement des unter hohem Detailierungsaufwand „einfach“ gestalteten Learning Centers.
Mit der anstelle eines Parkplatzes errichteten Kepler Hall im Süden des Campusgeländes hat die Universität erstmals ein Eingangsgebäude bekommen, das gleichzeitig Informationsstelle, Aula und auch Standort des Universitätssportinstitutes ist. Die Architektur der Kepler Hall ist folglich beides: repräsentativ und robust. Ihr Betonsockel stellt einen lang gestreckt rechteckigen Platz in das Gelände. Er wird von einem mächtigen Dach, dessen Holzkassetten auf einer umlaufenden Reihe von Betonstützen ruhen, beschirmt. Die gläserne Hülle des Innenraums liegt hinter der Tragkonstruktion, sodass ein gedeckter Umgang und eine großzügige gedeckte Vorzone entstehen.
Empfang mit Informationsstelle
Das Innere der Kepler Hall wird von einem dem Haupteingang im Osten zugeordneten Erschließungskern aus Sichtbeton geteilt, der eine Empore trägt. Hier ist auch der Empfang der JKU mit der Informationsstelle untergebracht. Weiter im Westen erweitert sich der Raum nach unten zu einer multifunktionalen (Sport)Halle mit Zuschauertribünen. Die Konstruktion der Kepler Hall ist dunkel und tritt so hinter das Geschehen zurück, das sie umfängt. Raumhoch verglast lenkt die Hülle dieses Torgebäudes unseren Blick in die inspirierende Fülle von Frei- und Zwischenräumen, die den Charakter des Campus prägen.
Die JKU unter Rektor Meinhard Lukas und die BIG als Bauherrschaft haben es bewiesen: Architektur bringt das Kunststück zuwege, auch Banales in ein überzeugendes Ganzes zu betten. In ein Ganzes, das Kommunikation nicht zwangsläufig mit Konsum verbindet, in einen Raum, der Bewegung nicht eingrenzt, sondern inspiriert. Auf dem Campus der JKU zeigt Linz, wie es sein könnte. Wie praktisch ist es doch, Universitätsstadt zu sein!
Aus städtebaulicher Sicht allerdings hat sich in Linz nach der gelungenen Anstrengung des Kulturhauptstadtjahres 2009 eine deutlich spürbare Behäbigkeit eingestellt, der die Weiterentwicklung des öffentlichen Raumes weniger wichtig zu sein scheint als die Zufriedenheit allfälliger Investoren.
Und wieder geht die JKU der Stadt mit nachahmenswertem Beispiel voran. Sie wurde in den 1960er-Jahren als Campus-Universität auf dem Areal des ehemaligen Schlosses Auhof errichtet. Die damals von einer Architektengruppe unter der Leitung von Artur Perotti geplanten Gebäude sprechen eine der Moderne verpflichtete Sprache, in der die wechselnden Moden der verstreichenden Jahrzehnte allerdings ihre Spuren hinterlassen haben.
Die mit dem Wachsen der Universität einhergehenden funktionellen Änderungen fordern mittlerweile ebenso ihren Tribut wie die heute völlig veränderte Sicht auf Themen wie Barrierefreiheit oder Umgang mit endlichen Ressourcen. Doch ist es die immer noch – oder endlich wieder? – spürbare Aufbruchstimmung der Universität, die in ihren gebauten Anlagen nach Ausdruck drängt. Der seit 2012 stetig wachsende, von Caramel entwickelte Science Park im Osten des Campus ist ein Kapitel für sich.
Rege Bautätigkeit ringsum
Seit 2015 ist Meinhard Lukas Rektor der JKU. Mit seinem Amtsantritt hat auch auf dem ursprünglichen Campusgelände rege Bautätigkeit eingesetzt. Das Architekturbüro Luger & Maul hat mit der Renovierung des Rektoratsgebäudes und mit der Errichtung des multifunktionalen Teichwerks den Anfang gemacht. Auch die von Luger & Maul geplante Sanierung des sogenannten Uni-Centers und des Keplergebäudes sind mittlerweile abgeschlossen, der Neubau des „Zirkus des Wissens“ im Hof des ehemaligen Schlosses Auhof steht kurz vor der Fertigstellung.
Rechtzeitig vor Beginn des Wintersemesters fertiggestellt wurde auch das große, seitens der Bundesimmobiliengesellschaft, kurz BIG, ausgeschriebene Erneuerungsprojekt für den Campus der JKU. Riepl Riepl Architekten haben den Architekturwettbewerb gewonnen und die Revitalisierung des Campusgeländes in Zusammenarbeit mit DnD Landschaftsplanung umgesetzt. Die veränderten Raumanforderungen der Universität werden von vier Gebäuden erfüllt. Davon sind zwei, das Open Innovation Center und das Somnium – wir haben an dieser Stelle bereits berichtet –, schon seit etwa einem Jahr in Betrieb. Die beiden anderen, der Neubau der Kepler Hall und der Erweiterungsbau der Bibliothek, wurden vor Kurzem eröffnet.
Zwischen diesen vier Häusern ist der Campus der JKU nun wieder als eine Gesamtheit aufgespannt, die den Freiräumen ebenso hohen Wert beimisst wie den Gebäuden. Viele seiner Qualitäten zeigt der Campus schon seit seiner Errichtung: die freie Mitte in Gestalt des historischen Teiches etwa, die mächtigen, ebenfalls aus dem Schlosspark erhaltenen Bäume und die Nähe der bewaldeten Hügel des Mühlviertels, an die das Universitätsareal im Norden grenzt. Es galt nur, sie unter den Schichten der Achtlosigkeit, die sich mit der Zeit eingestellt hat, freizulegen und aufs Neue in den Blick zu nehmen: das Dickicht vor dem Keplergebäude zu lichten, der Hauptachse davor eine Bresche nach Westen zu schlagen oder den Teich durch die Anlage eines schmalen Strandes zu würdigen. Riepl Riepl Architekten und DnD Landschaftsplanung haben Beläge, Bepflanzung, Beleuchtung und Möblierung der Freiräume überarbeitet und manche bisherige Brache des Geländes – häufig und mit Bedacht multifunktional – nutzbar gemacht.
Doch auch die Gebäude stehen nicht abgeschlossen für sich, sondern in lebhaftem Dialog mit dem Landschaftsraum. So schwebt der weiß glänzende Erweiterungsbau der Bibliothek an der nördlichen Kante des Campus hoch oben zwischen den Kronen der alten Bäume über dem von Riepl Riepl Architekten in seinem postmodernen Auftritt beruhigten Bestand. Von schlanken Stützen getragen, beschirmt er einen vielfältig nutzbaren Platz und ist zusätzlich zur barrierefreien Erschließung im Inneren des Gebäudes über eine geschwungene Freitreppe zu erreichen.
Die Treppe mündet in das begrünte Atrium im Zentrum des neuen Learning Centers. Mit seiner Vielfalt an unterschiedlichen Raumsituationen bietet es den Studierenden ein Lernumfeld, das neben dem stillen Studium der Bücher vor allem den lebhaften Austausch mit anderen ermöglicht. Der dank der umsichtigen, zusätzliche Beschattungsmaßnahmen obsolet machenden Planung der Fassaden ungehinderte Ausblick ins Grüne ist ein wichtiges Gestaltungselement des unter hohem Detailierungsaufwand „einfach“ gestalteten Learning Centers.
Mit der anstelle eines Parkplatzes errichteten Kepler Hall im Süden des Campusgeländes hat die Universität erstmals ein Eingangsgebäude bekommen, das gleichzeitig Informationsstelle, Aula und auch Standort des Universitätssportinstitutes ist. Die Architektur der Kepler Hall ist folglich beides: repräsentativ und robust. Ihr Betonsockel stellt einen lang gestreckt rechteckigen Platz in das Gelände. Er wird von einem mächtigen Dach, dessen Holzkassetten auf einer umlaufenden Reihe von Betonstützen ruhen, beschirmt. Die gläserne Hülle des Innenraums liegt hinter der Tragkonstruktion, sodass ein gedeckter Umgang und eine großzügige gedeckte Vorzone entstehen.
Empfang mit Informationsstelle
Das Innere der Kepler Hall wird von einem dem Haupteingang im Osten zugeordneten Erschließungskern aus Sichtbeton geteilt, der eine Empore trägt. Hier ist auch der Empfang der JKU mit der Informationsstelle untergebracht. Weiter im Westen erweitert sich der Raum nach unten zu einer multifunktionalen (Sport)Halle mit Zuschauertribünen. Die Konstruktion der Kepler Hall ist dunkel und tritt so hinter das Geschehen zurück, das sie umfängt. Raumhoch verglast lenkt die Hülle dieses Torgebäudes unseren Blick in die inspirierende Fülle von Frei- und Zwischenräumen, die den Charakter des Campus prägen.
Die JKU unter Rektor Meinhard Lukas und die BIG als Bauherrschaft haben es bewiesen: Architektur bringt das Kunststück zuwege, auch Banales in ein überzeugendes Ganzes zu betten. In ein Ganzes, das Kommunikation nicht zwangsläufig mit Konsum verbindet, in einen Raum, der Bewegung nicht eingrenzt, sondern inspiriert. Auf dem Campus der JKU zeigt Linz, wie es sein könnte. Wie praktisch ist es doch, Universitätsstadt zu sein!
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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