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Einfach robuster bauen
Der Standard

Drei Testhäuser in Deutschland – eines aus Beton, eines aus Holz und eines aus Ziegel – zeigen, wie man in Zukunft bauen sollte: ohne Styropor und Hightech, stattdessen dauerhaft und wohnlich.

5. Dezember 2020 - Anne Isopp
Drei gleiche Wohnhäuser stehen im bayrischen Bad Aibling, einer Kleinstadt in der Nähe von Rosenheim. Dreigeschoßig, mit Giebeldach darauf und jeweils drei Wohnungen darin. Die Häuser sehen aber nur auf den ersten Blick gleich aus. Beim genaueren Hinsehen erkennt man Unterschiede: im Material, in der Fassade und bei den Fenstern. Beim mittleren Haus sind die Fenster rechteckig, bei den anderen haben sie einen Bogen, jedoch mit unterschiedlichen Radien.

Wer macht denn so was? Der Münchner Architekt Florian Nagler. Er hat hier die Ergebnisse eines Forschungsprojekts der TU München zum Thema „Einfach bauen“ umgesetzt und drei miteinander vergleichbare Testhäuser aus drei Materialien gebaut. „Die Gebäude, die wir heute bauen, werden immer komplexer in ihren Anforderungen an Haustechnik und Bautechnik. Das sind hochgezüchtete Häuser, die sehr fehleranfällig sind“, sagt Nagler. „Wir brauchen Systeme, die robuster und langlebiger sind und nicht an den Nutzern vorbeigeplant wurden.“

Mit diesen drei Häusern wollen er und seine Kollegen von der TU München zeigen, wie man robuster bauen kann. Thomas Auer, Professor für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen, kann dies mit Zahlen belegen: „Eine Studie des Royal Institute of British Architects (RIBA) hat fast 60.000 Schulen in Europa untersucht und gezeigt, dass 95 Prozent der Gebäude nicht so funktionieren wie geplant. Das liegt an der Technik, der baulichen Komplexität und daran, dass zum Beispiel Sensoren nicht richtig angeschlossen sind oder nicht richtig messen. Und das akzeptieren wir“, sagt er kopfschüttelnd. Die Folgen dieser Komplexität sind eine hohe Fehlerquote in Planung und Ausführung sowie eine Überforderung von Bauherren und Nutzern.

Weniger fehleranfällig

Schon seit mehreren Jahren suchen Nagler und Auer gemeinsam mit anderen Professoren an der TU München und Partnern aus der Praxis eine Antwort auf die Frage, wie man bauen muss, damit Häuser länger halten. Nicht von ungefähr haben sie ihre Forschungsgruppe „Einfach bauen“ genannt. Sie sind davon überzeugt, dass die Häuser nur dann langlebiger sind, wenn diese mit weniger Technik auskommen und wenn die Wände nicht aus vielen verschiedenen Schichten, sondern aus möglichst einem Material bestehen.

Die Forschungsergebnisse konnten sie in Bad Aibling umsetzen. Wie Drillinge stehen die drei Häuser dort nebeneinander, ihre Außenwände bestehen aus jeweils einem einzigen Material: Eines ist aus Beton, eines aus Holz und eines aus Ziegel. Auf eine zusätzliche Dämmschicht konnte Nagler verzichten, da alle drei Materialien mithilfe von Lufteinschlüssen gut dämmen. Der Beton ist ein sehr leichtes und poröses Material, beim Hochlochziegel sind, wie der Name schon sagt, Löcher drin, und in die Massivholzplatten wurden Luftschlitze eingefräst. Die Häuser erreichen die gesetzlich geforderten Dämmwerte, aber keinen Niedrigenergiestandard und sind dennoch über den ganzen Lebenszyklus betrachtet nachhaltiger als viele Niedrigenergiehäuser, wie die Berechnungen der TU München ergeben.

Auch feine Unterschiede in den Fassaden ergeben sich aus der konstruktiven Einschränkung auf jeweils ein Material, die sich der Architekt im Hinblick auf das Forschungsprojekt selber auferlegte. Während man in die massive Holzplatte ohne weiteres gerade Fensteröffnungen einschneiden kann, benutzt man beim Bauen mit Beton und Ziegel normalerweise einen Sturz mit Stahleinlagen. Die Bogenform erlaubt es, darauf zu verzichten, der Radius ergibt sich durch die Anforderungen des jeweiligen Materials. Einfach war das nicht bei den Handwerkern durchzusetzen, erzählte Nagler, das handwerkliche Know-how dafür ist kaum mehr vorhanden. Das Einfache kann auch kompliziert sein.

Vorbild Lustenau

Zu diesem Forschungsprojekt inspiriert hat die Münchner übrigens ein Gebäude aus Österreich. In Lustenau baute Architekt Dietmar Eberle 2013 sein eigenes Bürogebäude: einen sechsgeschoßigen Kubus mit dem Namen 2226, bei dem er auf jegliche Lüftung, Kühlung und Heizung verzichtete. Er wählte 75 Zentimeter dicke Ziegelwände, um mit wenig Energie und wenig Technik auszukommen und ein lang haltbares Gebäude zu errichten.

Genau das war auch das Ziel in Bad Aibling. Die tief in der Laibung sitzenden Fenster zum Beispiel erlauben es, auf einen außenliegenden Sonnenschutz zu verzichten. Eine Heizung gibt es allerdings, und die Außenwände sind bei weitem nicht so dick wie die in Lustenau. Die Holzwand zum Beispiel hat lediglich eine Dicke von 30 cm und einen hervorragenden Dämmwert, schwärmt Nagler.

Doch mit der Dämmleistung der Außenwände alleine ist das einfache, robuste Bauen noch nicht absolviert, denn auch das Innenleben zählte. Über 2500 Raumvarianten wurden an der TU München im Hinblick auf Material, Raumhöhe, Raumgröße, Speichermasse und Fenstergröße durchgespielt. In diesen Simulationen zeigte sich, dass Raumkonfigurationen, wie aus den Gründerzeitbauten bekannt, optimal sind. Das heißt: gut proportionierte Räume mit einer Raumhöhe von mehr als drei Metern.

Diese Raumhöhe sei enorm wichtig für die Aufenthaltsqualität, die thermische Qualität und die Speichermasse, betonten Auer und Nagler bei einem gemeinsamen Vortrag an der TU Wien im November. „Über die Jahre hat das wirtschaftliche Diktat dazu geführt, dass die Räume niedriger geworden sind und damit die räumliche Qualität und der Komfort gelitten haben. Man hat lange versucht, diese Defizite über technische Systeme auszugleichen“, sagt Auer. Nun sei es an der Zeit, die Bauherren wieder vom Mehrwert hoher Räume zu überzeugen.

Fast archaisch

Das Erscheinungsbild der Häuser ist vom Duktus her eher simpel, man könnte auch sagen archaisch. So kann Architektur ausschauen, die zurück zu einer Einfachheit gefunden hat und langlebiger und nachweislich nachhaltiger ist. In München plant Florian Nagler übrigens bereits ein Folgeprojekt. Wieder sind es drei miteinander vergleichbare Bauten aus den drei Materialien Holz, Beton und Ziegel. Diesmal sollen die Häuser energieautark werden, weshalb die viergeschoßigen Studentenwohnheime besonders große Dächer bekommen, um ausreichend Platz für Fotovoltaikpaneele zu haben.

Auf die Frage, ob er sich als Architekt durch so eine reduzierte Bauweise nicht in seinen Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt fühle, antwortet Florian Nagler: „Ganz im Gegenteil. Ich empfinde das als befreiend. Man kann sich auf das Wesentliche in der Architektur konzentrieren: auf die Proportion, die Räume im Inneren und die Position der Fenster. Aber natürlich sind die Spielregeln anders, und man muss eine neue Architektursprache finden.“

[ Anne Isopp ist freischaffende Architekturjournalistin und -publizistin. Von 2009 bis 2020 war sie Chefredakteurin des Holzbau-Magazins „Zuschnitt“. ]

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