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Wie Denkmalschutz Entlastung sein könnte
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Weihnachten – da wird man sich schon etwas wünschen dürfen. Von der Politik zum Beispiel, den Besitzern denkmalgeschützter Gebäude das Leben zu erleichtern und zugleich das geschützter Häuser in Würde zu verlängern. Drei Maßnahmen, wie eine Unterschutzstellung nicht mehr Last, sondern Entlastung sein könnte.

28. Dezember 2020 - Ute Woltron
Im Eingangsbereich der alten Bösendorfer Manufaktur im vierten Wiener Gemeindebezirk hing bis zum Verkauf des Traditionsunternehmens im Jahr 2007 ein schlicht gerahmter Aushang. Er war mit 1902 datiert, von Ludwig Bösendorfer formuliert und folgenden Inhalts: „An meine Herren Mitarbeiter! Da die eingehendste und längste Hausordnung immer lückenhaft sein wird, beschränke ich mich auf Folgendes: 1. Ich beanspruche von meinen Mitarbeitern möglichst gute Arbeit und Anständigkeit. 2. Dagegen haben meine Mitarbeiter selbstverständlich das Recht, von mir ebenfalls Anständigkeit und möglichst hohe Bezahlung zu beanspruchen.“

Das wäre ein beglückend einfacher Verhaltenskodex mit hoher Wirkkraft, wenn sich jeder an die Spielregeln hielte. Er ließe sich auch heute noch in vielerlei Hinsicht übertragen, doch geht unser aller Handeln zwischenzeitlich in einer Flut von Paragrafen und Normen unter, die das Leben bis zur Form der Türklinken bestimmen. Der lateinische Begriff für Anstand lautete Decorum. Er war nicht nur für Rhetorik und Benehmen jedes Einzelnen Maßstab, sondern zog sich quer durch die Gesellschaft, bis hin zur Architektur, und um den anständigen Umgang mit Letzterer soll es hier gehen.

Österreich ist eine mit historischer Bausubstanz gesegnete Nation, und damit sind nicht nur Schlösser, Burgen und andere herrschaftliche Gebäude gemeint. Tatsächlich sind diese Repräsentationsgebäude in der Minderheit. Allerorten finden sich historische Gebäude, oft über Generationen gepflegt, viele von ihnen uralt, etliche jedoch auch Meilensteine der jüngeren Architekturgeschichte, allesamt Dokumente ihrer Zeit, die schützens- und erhaltenswert sind. Doch die Rahmenbedingungen für alte Gemäuer stehen unter einem schlechten Stern. Das sollte sich ändern. Heute ist Weihnachten, da darf man sich was wünschen, und dieser Wunsch richtet sich an die Politik, denn sie hätte es in der Hand, den Besitzern das Leben zu erleichtern und zugleich das ihrer geschützten Häuser in Würde zu verlängern. Zu diesem Zweck bedürfte es dreier Maßnahmen, wie sie in anderen europäischen Nationen übrigens längst Usus sind und zur Folge hätten, dass eine Unterschutzstellung nicht mehr wie bisher Bürde, sondern Erleichterung wäre.

Erstens: Es braucht dringend eine steuerliche Entlastung. Die Kulturnation Österreich regelt den Umgang mit historisch wichtigen Gebäuden über ein recht strenges Denkmalschutzgesetz, was sinnvoll und begrüßenswert ist, und verfügt über ein Team von Denkmalschützern, deren Einsatz zu preisen ist. Doch für Hausbesitzer stellt der Status des Denkmalschutzes eine Belastung dar. Außer dem Bewusstsein, ein kulturhistorisch bedeutendes Haus zu besitzen, erwachsen daraus keinerlei Vorteile, sondern lediglich Auflagen und Verpflichtungen. Kurzum: Das Gesetz verlangt viel, unterstützt jedoch nichts. Zwar gibt es Förderungen, doch die sind minimal und decken niemals die Mehrausgaben ab, die sich ergeben, wenn etwa klapprige Holzkastenfenster eben nicht durch Kunststoff-Einheitsware ersetzt, sondern restauriert oder erneuert werden müssen. Zumindest die Differenz, also die erforderlichen Mehrausgaben, darüber ist sich die Fachwelt einig, sollte steuerlich abschreibbar sein. Das würde sowohl dem Bestand als auch dem Denkmalamt entgegenkommen und den Denkmalschutz nicht mehr nur zur Belastung deklarieren. Derzeit befinden sich etwa 36.000 Objekte unter Schutz, doch es könnten, ja sollten viel mehr sein.

Zweitens: Befreiungsschlag gegen die Mühsal der Normen und Haftungen. Wie eingangs erwähnt, regelt ein dichter Filz aus Direktiven und Paragrafen unser aller Dasein. Hielte man bei einer Restaurierung alle Vorschriften ein, die auch bei Neubauten die Architekturwelt zunehmend quälen und das Bauen jüngst extrem verteuert haben, würde das den Untergang jedes Baudenkmals bedeuten.

Beispiele: Zu niedrige Steinbrüstungen, über die jahrhundertelang zwar niemand gestürzt ist, die jedoch nicht mehr der Sicherheitsnorm entsprechen und erhöht werden müssen, da andernfalls der Besitzer für Unfälle haftet. Gotische Portale, die unvorschriftsmäßig eng und niedrig sind und nach heute geltender Norm vergrößert werden müssten, damit sich keiner den Kopf anstößt und zum Schadenersatzanwalt marschiert. Prachtvolle Stiegengeländer, deren Sprossenabstände nicht zeitgemäß, weil zu breit sind und durch läppische Zusatzmaßnahmen gesichert werden müssen. Fassaden, die nur unter Zerstörung des Gebäudes thermisch saniert werden können, und dergleichen tausendfach mehr.

Gleichzeitig vernichtet eine Sanierungs- und Verwertungswut die nicht geschützte historische Substanz. So riss man, bis dem endlich ein Riegel vorgeschoben wurde, prächtige Jahrhundertwendehäuser in der Hauptstadt ab, weil die Immobilienindustrie offenbar von einer maßlosen Gier beseelt ist. Kleiner Exkurs: Wenn heute ein Immobilienmakler mit dem Verkauf eines Gebäudes mehr an Provision kassiert, als der Architekt wenige Jahre davor an der gesamten Planung desselben Hauses verdient hat, ist ein System auf das Absurdeste in Schieflage geraten. Auch das ist ein Teil der Misere.

Drittens: Sinnvoller und behutsamer Ensemble- und Umgebungsschutz, vor allem im dörflichen Bereich. Das ist ein heikles, doch wichtiges Thema, das sich keinesfalls gegen die zeitgenössische Architektur wendet, sondern lediglich eine Beachtung des Ensembles verlangt. Dass sich neben einem Biedermeierhaus ein Wolkenkratzer selten gut macht, leuchtet wahrscheinlich ein. Doch die Nation verfügt nicht nur über besagten Schatz an Altem, sondern auch über eine Architektenschaft, die spielend damit umgehen könnte, so man sie ließe.

Als Ludwig Bösendorfer in seiner Halle sein Credo an die Wand nagelte, war der Architekt Adolf Loos bereits von seinem USA-Aufenthalt zurückgekehrt und in Wien sesshaft geworden. 1908 eröffnete seine American Bar, heute Loosbar genannt, im Kärntner Durchgang in der Innenstadt. Ein winziges Lokal und ein Schmuckstück seiner Zeit. Was hätte hier im Laufe des Jahrhunderts alles zerstört werden können. Doch man hat sich gut um das 25 Quadratmeter kleine Juwel gekümmert und nur behutsam eingegriffen. Seit 1959 steht die Bar unter Denkmalschutz, 1989 wurde sie von Burkhardt Rukschcio restauriert, und Hermann Czech rekonstruierte in der ihm üblichen Sorgfalt die verloren gegangene Originalfassade. Anlässlich des 150. Geburtstags von Adolf Loos schrubbten versierte Fachleute heuer im Frühjahr die Patina von der prächtigen marmornen Kassettendecke, allerdings nicht unter der Obhut des Denkmalamtes, denn das wäre, nebst der Begutachtung, unleistbar gewesen.

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